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Kurt Biedenkopf, ehemaliger sächsischer Ministerpräsident, feiert seinen 90. Geburtstag.

© REUTERS/Matthias Rietschel

Kurt Biedenkopf wird 90: König Kurt von Sachsen

Biedenkopf hat als sächsischer Ministerpräsident das Land selbstbewusster gemacht. Streitbar war der CDU-Mann schon immer – und häufig genug seiner Zeit voraus.

90 Jahre - ja, jung wird Kurt Biedenkopf. Alt ist er nicht, jedenfalls nicht im Kopf. Streitbar ist der CDU-Politiker, einer der großen Alten der Partei, ohnedies immer noch.

Manche sagten ja schon früh, dass er ein Besserwisser sei. Aber der Professor, habilitiert in Bürgerlichem Recht, Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht, ehedem Rektor der Ruhr-Universität Bochum, und frühere Henkel-Manager – also dieser Biedenkopf ist immer auch ein Bessermacher gewesen.

Erst mit 36 trat er in die CDU ein und schnell galt er als Vertrauter des damals noch als Reformer hochgeschätzten Helmut Kohl, genannt der „Schwarze Riese“. Beide, Biedenkopf und Kohl, sind übrigens in Ludwigshafen am Rhein geboren, und als Kohl, der in der CDU die Macht eroberte, auch Vorsitzender wurde, dachte wohl sofort an Biedenkopf als innovativen Generalsekretär. Wunderbar, diese Bilder von den beiden, wie sie Pfeife rauchen. Heute könnte, in der Rückschau, könnte man sagen: wahrscheinlich die permanente Friedenspfeife.

Zwei Fußgänger laufen am 14.09.1999 am Neustädter Bahnhof in Dresden an einem Wahlplakat für Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) vorbei.
Zwei Fußgänger laufen am 14.09.1999 am Neustädter Bahnhof in Dresden an einem Wahlplakat für Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) vorbei.

© dpa

Von 1973 bis 1977 ging das gut, dann aber wurde Biedenkopf Kohl zu selbstbewusst, zu kreativ, zu kritisch; er sah sich, wie sein Nachfolger im Amt, Heiner Geißler, immer ein wenig als geschäftsführenden Vorsitzenden an. Am Rande: Was Biedenkopf nicht wusste, war, dass sein überdurchschnittliches Gehalt als Generalsekretär teilweise über schwarze Kassen der CDU gezahlt wurde.

„BiKo“ war als EU-Kommissionspräsident im Gespräch – und kommt letztendlich in Sachsen

Vier Jahre saß er auch im Bundestag, bis 1980, als er in Nordrhein-Westfalen gegen Johannes Rau von der SPD kandidierte; kandidieren musste, weil der ursprüngliche Spitzenkandidat gestorben war. Biedenkopf – damals, im Westen, immer „Biko“ genannt - hatte keine Chance. Und so sehr er auch kämpfte, zunächst als Vorsitzender der CDU Westfalen-Lippe, dann als Chef der CDU in ganz NRW – ihm gelang der große politische Wurf in NRW nicht mehr. Biedenkopf musste Platz machen für „Kohls Knappen“, Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. 1988 schied Biko aus dem Düsseldorfer Landtag aus. Dabei war er immer für Großes im Gespräch, auch als Präsident der EU-Kommission.

Aber dann kam sie doch, die große Stunde, auch seine: nach der deutsch-deutschen Wende. 1990 trat er in Sachsen an und gewann. Es hieß, die Christdemokraten in Sachsen hätten erst an Heiner Geißler gedacht, Geißler habe aber Biedenkopf empfohlen, der schon in Sachsen wirkte, als Professor. In Leipzig war das.

Biedenkopf gewann mit absoluter Mehrheit. Anke Fuchs von der SPD, eine sehr gute Politikerin – ihr Vater, Paul Nevermann, war ein großer Hamburger Bürgermeister gewesen - ging unter. „Biko“ blieb bis 2002 Landesvater, zwischendurch war er wenige Jahre Landesvorsitzender. Sein Selbstbewusstsein übertrug sich auf Sachsen, den Freistaat mit einer langen, stolzen Geschichte, die Biedenkopf zu betonen nicht müde wurde. Im Gegensatz zu den Bindestrich-Ländern im Westen, wie er immer sagte.

Sein Führungsstil eckt an, Biedenkopf gilt als selbstherrlich

Aber auch in Sachsen, wo die Menschen ihn mit absoluter Mehrheit wiederwählten, ging Biedenkopf mit den Jahren manchem in der CDU durch seinen Führungsstil auf die Nerven. Selbstherrlich sei er geworden, war das sich verbreitende Urteil über ihn. Und wenn in der Situation plötzlich unangenehme Berichte über die Lebenshaltung große Diskussionen auslösen, zeigt das an: Der Sockel des Denkmals beginnt zu bröckeln.

Zweieinhalb Ostdeutsche: Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer und Angela Merkel rahmen den Wahl-Dresdner Biedenkopf ein.
Zweieinhalb Ostdeutsche: Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer und Angela Merkel rahmen den Wahl-Dresdner Biedenkopf ein.

© REUTERS/Matthias Rietschel

Und dann wurde auch noch ausgerechnet Georg Milbradt sein Nachfolger. Das war der Finanzminister aus dem Westfälischen, den Biedenkopf selbst gefördert, aber für das Amt des Ministerpräsidenten als ungeeignet erklärt hatte. Er wollte ihn unbedingt verhindern. In der Rückschau muss man sagen: Vielleicht wusste es Biedenkopf – in Sachsen zum „König Kurt“ geworden, mit goldener Krone auf dem Dach der Staatskanzlei – in diesem Fall doch auch wieder besser.

Hellseherische Fähigkeit bei Nachfolger Milbradt – mit Ministerpräsident Kretschmann ist er aber zufrieden

Seither hat er aufs Neue als Professor gewirkt, war Gründungspräsident der Dresden International University und führend in der der Nationalstiftung und der Hertie School. Man kann sagen: In jeder Hinsicht ein Mann, der viele etwas lehrt. Das zeigen auch seine streitbaren, oder sagen wir: belehrenden Interviews, nicht zuletzt über die Nachfolger. Mit Michael Kretschmer, seinem Nachnachnachfolger, ist Biedenkopf aber jetzt sehr zufrieden.

Seine zweite Frau Ingrid – Jahrzehnte an seiner Seite, die wichtigste Ratgeberin, wie alle in Sachsen und darüber hinaus erlebt haben – wohnt er inzwischen wieder ganz in Dresden. Die Sachsen finden das mit absoluter Mehrheit gut. Ein paar Jahre waren die Biedenkopfs mehr am Chiemsee daheim. Aber auch in NRW sehen sie längst seine Güte: Seit 2017 trägt er den Verdienstorden des Landes. Ach ja: Kurt Biedenkopf war der erste Politiker, der einen Online-Chat mitmachte. Schon 1994. Er war in manchem seiner Zeit voraus. Oder sagen wir so: Manches Mal kamen die Zeiten erst hinterher.

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