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Der scheidende CDU-Generalsekretär Peter Tauber, Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auch einmal dieses Amt innehatte, sowie seine Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Künftige CDU-Generalsekretärin: Vorteil Kramp-Karrenbauer

Als designierte Generalsekretärin tritt Annegret Kramp-Karrenbauer unter privilegierten Vorbedingungen an: Mit dem Segen der Chefin, aber auch ihren Abschied vor Augen.

Von Robert Birnbaum

Bei den deutschen Dichtern hält es Peter Tauber mit den Romantikern. Als der CDU-Generalsekretär vor Kurzem seinen Rückzug bekannt gab, kam ihm Friedrich Rückert gerade recht. „Füge dich der Zeit, erfülle deinen Platz und räum’ ihn auch getrost. Es fehlt nicht an Ersatz“ – mit derart melancholisch weltweisen Zeilen beendete der 43-Jährige den Blog-Eintrag, mit dem er sich – krankheitshalber nicht persönlich – vom Amt verabschiedete.

Dass er darin manchmal überfordert war, ist kein Geheimnis; dass er die Defizite selber anspricht, spricht für ihn. Sein Anspruch, dass die CDU „jünger, weiblicher und bunter“ werden müsse, blieb uneingelöst. Aber vielleicht liegt das auch am Anspruch an ein unmögliches Amt.

Tatsächlich war schon Taubers erster Vorgänger daran regelrecht gescheitert. Dabei trug Hermann Josef Dufhues von 1962 bis 1966 sogar den Titel eines „Geschäftsführenden Vorsitzenden“. Aber die Geschäfte führten Konrad Adenauer und seine Fraktionsvorsitzenden. Selbst eine Parteireform zur Mitgliederwerbung blieb liegen. Erst Nachfolger Bruno Heck konnte über eine beispiellos offene Programmdebatte dem Amt und der – vorher fast nur föderal organisierten – Partei ein Eigengewicht verschaffen.

Der Rückblick ist bis heute aufschlussreich, weil er ein Muster verrät. Hecks Amtszeit fiel in Adenauers Spätphase. Der absehbare Abschied vom Alten verschaffte ihm Spielraum. Die beiden, die als Nächste das Amt für die CDU nachhaltig prägen sollten, bezogen ihre Beinfreiheit – nur scheinbar paradox – aus dem gegenteiligen Umstand, dass ihr Chef neu im Geschäft war. Helmut Kohl kam selbst als Reformer nach Bonn mit dem Anspruch, das alte Dufhues-Projekt von der CDU als Mitgliederpartei umzusetzen. Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler, beides Vertraute aus Mainzer Tagen, bekamen dafür freie Hand.

Mit nachhaltiger Wirkung

Erfolgreich übrigens und mit nachhaltiger Wirkung. Danach waren die Christdemokraten auch personell den neuen Methoden des Plakat- und Straßenwahlkampfs gewachsen, den die SPD mit ihrer Mitgliederbasis und der Vorfeld-Unterstützung durch die Gewerkschaften schon beherrschte. Taubers womöglich zentrale Leistung knüpfte daran an. Mit ihrem digital unterstützten Haustürwahlkampf war die CDU im vorigen Jahr der gesamten Konkurrenz weit voraus. Sein erster Test endete mit dem Sieg Annegret Kramp-Karrenbauers an der Saar.

Biedenkopf und Geißler mussten gehen, als Kohl bei dem einen argwöhnte und vom anderen wusste, dass sie ihn selbst zum Alteisen räumen wollten. Vor ihren Nachfolgern Volker Rühe und Peter Hintze war der Kanzler sicher.

Erst die Generalsekretärin seines Kurzzeit-Erben Wolfgang Schäuble sollte den Alten schaffen. Angela Merkel versuchte dann mit Ruprecht Polenz einen neuen Typus im Adenauer-Haus zu etablieren, doch beide kapitulierten nach einem halben Jahr: Polenz war klug, aber genau deshalb für die zweite Seite des Postens untauglich, als Haudrauf und Ausputzer.

Tatsächlich prägt diese zweite Seite die Jobbeschreibung „Generalsekretär“ seit Jahren immer stärker, und das parteiübergreifend. Geißler gab der CDU auch darin das Vorbild. Dabei hätten heutzutage Brutalattacken wie die gegen einen „Pazifismus, der Auschwitz erst möglich gemacht hat“ unweigerlich den Rücktritt zur Folge; Tauber strapazierte ja schon mit einem internen Wutanfall gegen Merkel-Kritiker die Toleranzschwelle.

Der an sich unbedeutende Vorfall zeigte noch etwas anderes: Seit Heck, seit Biedenkopf, spätestens aber seit Geißler hängt am CDU-Generalsamt die Erwartung, dass sein Träger die Partei vom Regierungshandeln emanzipiert. Sie ergibt sich einerseits schlicht daraus, dass die CDU mit kurzen Ausnahmen immer die Kanzler stellte. Die natürliche Reibung zwischen dem Interesse der Regierenden und den Interessen in den Parteien ist deshalb besonders hoch.

Andererseits hatte es Geißler verstanden, die Partei zum Ausgangspunkt von Erneuerungsprozessen zu machen. Anfangs stand das durchaus im Einklang mit den Interessen des Vorsitzenden; erst im Nachhinein wirkte etwa der Essener „Frauenparteitag“ von 1985 wie eine widerständige Selbstbehauptung. Aber die posthume Sichtweise liefert den Maßstab, an dem die Hausherren im Adenauer-Haus seither gemessen werden.

Die Irritierten wünschten sich einen Sanitäter

Infolgedessen fallen die meisten durch. Verwalter, Gesundbeter, Ruhigsteller – die Titel für Angela Merkels Sechser-Reihe von Polenz bis Tauber geraten meist wenig schmeichelhaft. Dabei ist der Vergleich mit den Großen der Vergangenheit schon deshalb falsch, weil die Verhältnisse umgekehrt liegen: Wo die Chefin selbst dauernd Tabus der eigenen Truppe bricht, erwartet der irritierte Teil der Partei vom General wundenverbindende Sanitäter-Fähigkeiten.

Merkel mag das sogar im Blick gehabt haben, als sie sich vor vier Jahren den „Schwarzen Peter“ Tauber holte, den Wahlkreiserben Alfred Dreggers. Aber wenn das der Plan war, ging er nicht auf. Tauber war viel zu sehr Generation Smartphone, um den Alten Halt zu geben, romantische Dichter hin oder her.

Die Nachfolgerin soll’s jetzt wieder etwas richten. Annegret Kramp-Karrenbauer hat sogar gute Chancen. Weniger deshalb, weil sie eine gestandene, erfolgreiche Ministerpräsidentin war – das ist bald vergessen. Nein, die 55-Jährige tritt unter privilegierten Vorbedingungen an: wie Geißler mit dem Segen der Chefin – und wie Bruno Heck deren Abschied absehbar vor Augen.

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