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Tage nach dem Amoklauf üben Hinterbliebene Kritik an den Einsatzkräften vor Ort aus. Die Polizisten hätten zu lang gewartet.

© Chandan Khanna/AFP

Update

Kritik an Vorgehen der Polizei: US-Todesschütze soll eine Stunde in Klassenraum verbracht haben

Nach dem Amoklauf an einer texanischen Grundschule üben die Hinterbliebenen Kritik an der Polizei. Es sei wichtige Zeit verloren gegangen.

Nach dem Schulmassaker in der texanischen Kleinstadt Uvalde mit 21 Toten wird zunehmend Kritik am Vorgehen der Polizei laut. Eltern und Zeugen warfen den Einsatzkräften am Donnerstag vor, nicht schnell genug eingegriffen zu haben.

„Da waren mindestens 40 bis an die Zähne bewaffneten Polizisten, aber sie haben verdammt nochmal nichts unternommen, bis es viel zu spät war“, sagte Jacinto Cazares, dessen Tochter bei dem Blutbad getötet wurde, dem Sender ABC. „Die Situation hätte schnell vorüber sein können, wenn sie eine bessere taktische Ausbildung gehabt hätten.“

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Der Pastor Daniel Myers, der sich am Dienstag am Tatort befand, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei „Zeit verloren“ worden. Offenbar hätten die eingetroffenen Polizisten auf Verstärkung gewartet. „Die Eltern waren verzweifelt“, sagte Myers.

Ein öffentlich gewordenes Handyvideo zeigt verzweifelt schreiende Eltern, die die Beamten auffordern, die Grundschule zu stürmen, und selbst zum Gebäude vordringen wollen, von Polizisten aber zurückgehalten werden.

Pastor Daniel Myers (hier kniend) sagte, bei dem Amoklauf sei wertvolle „Zeit verloren“ worden. „Die Eltern waren verzweifelt.“
Pastor Daniel Myers (hier kniend) sagte, bei dem Amoklauf sei wertvolle „Zeit verloren“ worden. „Die Eltern waren verzweifelt.“

© Jack Gruber/Reuters

[Lesen Sie auch: 19 Kinder und zwei Lehrerinnen tot - Das sind die Opfer von Uvalde und ihre Geschichten (T+) ]

Die Chronologie des Tathergangs

Der Todesschütze von Uvalde hat offiziellen Angaben zufolge rund eine Stunde in dem Klassenzimmer verbracht, wo er ungehindert auf die Schulkinder und Lehrerinnen schoss. Erst dann habe die angeforderte Verstärkung der Polizei den Raum betreten und den 18-Jährigen erschossen, sagte Victor Escalon vom Ministerium für öffentliche Sicherheit in Texas bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Der 18 Jahre alte Angreifer Salvador Ramos habe etwa um 11.40 Uhr (Ortszeit) am Dienstag die Schule in der Gemeinde Uvalde und schließlich ein Klassenzimmer in der Nähe des Eingangs betreten.

Sicherheitskräfte seien bereits vor Ort gewesen, aber zunächst nicht in das Klassenzimmer gegangen, weil sie beschossen worden seien. Die Polizisten hätten dann Verstärkung angefordert, so Escalon.

Weiterhin heißt es, dass es den ersten Einsatzkräften vor Ort an Spezialausrüstung gefehlt habe. Die Tür sei „verbarrikadiert“ gewesen. Die Polizei habe dann Verstärkung angefordert und zunächst Schulkinder und Lehrkräfte in Sicherheit gebracht.

Die Einsatzkräfte hätten zudem mit dem Schützen verhandelt. Dieser habe einen Großteil der Schüsse ganz zu Anfang abgefeuert. „Während der Verhandlungen wurde nicht viel geschossen, außer dass er versuchte, die Polizisten auf Abstand zu halten“, sagte Escalon.

Die Schule sei nicht abgeschlossen gewesen

Darüber, wie genau sich die Tat abspielte, hatte es in den vergangenen Tagen widersprüchliche Angaben von der Polizei gegeben. Zunächst hieß es, der Schütze sei bereits vor der Schule von einer Sicherheitskraft konfrontiert worden. Das bestätigte Escalon nun nicht.

Stattdessen konnte 18-jährige Salvador Ramos den Angaben zufolge ungehindert durch eine unverschlossene Tür in die Schule laufen. Die Polizei sei bereits gerufen worden, als Zeugen den bewaffneten Schützen vor der Schule gesehen hätten.

Escalon spricht von einer „komplexen Situation“

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag gerieten die Behörden unter Rechtfertigungsdruck. „Warum klären Sie das nicht auf und erklären uns, wie es sein kann, dass Ihre Beamten eine Stunde lang drin waren (...), aber niemand in der Lage, in diesen Raum zu gelangen?“, fragte ein Journalist.

Es sei eine „komplexe Situation“ gewesen, sagte Escalon. Er bat um mehr Zeit, um die Ereignisse genauer zu analysieren.

Jacinto Cazares, dessen Tochter getötet wurde, sagt, die Polizei habe „nichts unternommen, bis es viel zu spät war.“
Jacinto Cazares, dessen Tochter getötet wurde, sagt, die Polizei habe „nichts unternommen, bis es viel zu spät war.“

© Jordan Vonderhaar/Getty Images/AFP

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Zunehmende Wut unter den Eltern

Zuletzt wurden immer mehr kritische Stimmen von Eltern aus Uvalde laut. Sie werfen der Polizei vor, zu zögerlich gehandelt zu haben. „Ich habe einem der Beamten selbst gesagt, wenn sie nicht reingehen wollen, sollen sie mir seine Waffe und eine Weste leihen und ich werde selbst reingehen, um die Sache zu regeln“, sagte Victor Luna dem Sender CNN. Sein Sohn Jayden habe das Massaker überlebt. Die Polizei habe ihren Job gemacht, sagte Luna. Aber sie hätte es schneller tun können. Andere Eltern äußerten sich ähnlich in US-Medien.

Auch die Mutter der 18-jährigen Schützen meldete sich zwischenzeitlich im amerikanischen Fernsehen zu Wort und bat um Vergebung.

Das Schulmassaker mit den meisten Toten seit einem Jahrzehnt hat in den USA Entsetzen ausgelöst und eine erneute Debatte über das laxe Waffenrecht in dem Land ausgelöst. Der Gouverneur von Texas Greg Abbott sagte zwischenzeitlich seine Teilnahme am Jahrestreffen der NRA ab.

Am Donnerstag gedachte in Uvalde ein prominenter Gast der Opfer. Herzogin Meghan besuchte die kleine Gemeinde und legte Blumen nieder. Die 40-Jährige sei in ihrer persönlichen Rolle als Mutter nach Uvalde gereist, erklärte eine Sprecherin. (AFP, dpa)

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