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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), trifft zum Koalitionsausschuss am Bundeskanzleramt ein. Bei dem Spitzentreffen von Union und SPD ging es unter anderem um die Ausbreitung des Corona-VIrus.

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Krisentreffen im Kanzleramt: Koalition im Corona-Stresstest

Auf die medizinische Corona-Krise folgt die ökonomische. Wieder muss Kanzlerin Merkel eine Situation meistern, die in keinem Koalitionsvertrag stand.

Es ist Markus Söder, der den Tempomacher gibt, während von der Kanzlerin wenig zu hören ist. „Es darf aus dem Coronavirus keine zweite Finanzkrise entstehen. Wir wollen keinen Coronaschock für die deutsche Wirtschaft“, mahnt der CSU-Chef.

Man müsse nun vorausschauend agieren. „Jetzt ist ein gutes Krisenmanagement der Bundesregierung gefragt – nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch“, sagte Söder der Nachrichtenagentur dpa. Diese doppelte Herausforderung wird zum Stresstest – die Krise könnte jedoch auch zum neuen Kitt für diese fragile Koalition werden.

Vor dem Koalitionsgipfel am Sonntagabend im Kanzleramt wurde genau registriert, welche Maßnahmen in Italien erlassen worden sind, während zum Beispiel am Samstagabend in dem von der Corona-Ausbreitung stark betroffenen Rheinland 54.000 Zuschauer das Fußballspiel Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund im Stadion verfolgten.

Am Sonntagnachmittag empfahl Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen.

CDU-Parteitag soll dennoch stattfinden

Das könnte neben Konzerten, Sport- und Wirtschaftsveranstaltungen theoretisch auch den CDU-Sonderparteitag mit exakt 1001 Delegierten am 25. April in Berlin betreffen, bei dem ein neuer CDU-Vorsitzender gewählt werden soll.

Aus der CDU ist zu hören, dass man weiter mit dem Datum plane – aber es könnte auf die sonst üblichen internationalen Gäste verzichtet werden. Laut Spahn soll es nicht wie in Italien landesweite Schulschließungen geben, auch weil Ärzte und Krankenschwestern sich dann zu Hause um ihre Kinder kümmern müssten. Klar ist: Das Lahmlegen von Teilen des öffentlichen Lebens hat massive ökonomische Folgen.

Das Bundeskanzleramt während des Koalitionsausschusses am Sonntagabend.
Das Bundeskanzleramt während des Koalitionsausschusses am Sonntagabend.

© dpa

Wenn es eine Konstante für die großen Koalitionen der Angela Merkel gibt, dann die, dass sie von Krisen erfasst werden, die in keinem Koalitionsvertrag gestanden haben.

Unvergessen, wie die Kanzlerin mit Finanzminister Peer Steinbrück im Oktober 2008 den Bürgern versichert, dass sie keinen Euro ihres Ersparten durch die Finanzkrise verlieren sollen: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“

Die Psychologie der Krise

In Krisen ist viel Psychologie im Spiel, so war es auch in der Euro-Krise und beim Zustrom von Flüchtlingen 2015. In der Finanzkrise gelang es, einen Kontrollverlust zu vermeiden, 2015 gab es eher den gegenteiligen Anschein.

Bei der Coronavirus-Krise ist das große Risiko vorerst nicht so sehr das Virus an sich, sondern die um sich greifende Panik. Ein Blick in die zeitweise leeren Nudel- und Toilettenpapierregale einiger Supermärkte reicht schon.

Und die Kanzlerin ist öffentlich längst nicht so präsent wie andere in diesen Tagen. Etwa Jens Spahn, der als zweiter Mann hinter Armin Laschet die neue Führungsspitze der CDU bilden will.

Coronavirus: Wirtschaftlicher Einbruch soll abgefedert werden

Neben der Eindämmung der Coronavirus-Ausbreitung ist die Koalition vor allem darum bemüht, den sich abzeichnenden wirtschaftlichen Einbruch abzufedern. So wurde im Vorfeld des Koalitionsgipfels ein ganzes Bündel an Maßnahmen von den Spitzen von Union und SPD durchgespielt – vor allem ein erfolgreiches Instrument aus der Finanzkrise kommt zur Wiederbelebung.

Mit großzügigen Kurzarbeit-Regelungen konnten damals Hunderttausende Jobs gesichert werden. Es spricht für die oft gescholtene große Koalition, dass die gesetzgeberischen Maßnahmen schon vor der Corona-Krise auf den Weg gebracht worden sind.

Eigentlich wollte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen erleichterten Bezug von Kurzarbeitergeld für bis zu 24 Monate, wenn sich die Arbeitnehmer in der Zeit fortbilden und zusätzlich qualifizieren.

Kurzarbeits-Regeln sollen gelockert werden

Diese Vorgabe könnte nun per Verordnung analog zu den Regelungen in der Finanzkrise gelockert werden. Denn in einigen Branchen kann schon bald wegen der Vorsichts- und Quarantänemaßnahmen die Arbeit ausgehen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) übernimmt bisher bei Arbeitnehmern 60 Prozent des ausfallenden Nettogehalts, Arbeitnehmer mit Kindern bekommen 67 Prozent.

Gefüllte Kasse der Arbeitsagentur

Mit rund 26 Milliarden Euro Rücklagen sind die BA-Kassen prall gefüllt. Bisher gibt es Kurzarbeitergeld, wenn ein Drittel der Belegschaft eines Betriebs von erheblichem Arbeitsausfall betroffen ist. Diese Schwelle könnte auf zehn Prozent gesenkt werden.

Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat stets bekräftigt, dass für eine Krise genug Ressourcen da seien – trotz des Ziels, neue Schulden zu vermeiden. Er sieht auch genug Rücklagen für die von der SPD ins Spiel gebrachte Vorziehung des Soli-Abbaus für rund 90 Prozent der bisherigen Zahler auf Juli 2020 statt Januar 2021. Das würde fünf Milliarden zusätzlich kosten. Die Union hätte gern weitere steuerliche Erleichterungen für Unternehmen.

Deutschland mag gewappnet sein. Anders sieht es bei Ländern wie Italien aus, sodass die Sorgen vor finanziellen Schieflagen in Europa wachsen. In früheren Krisen hatte Merkel gesagt, man fahre auf Sicht. Diesmal ist diese besonders kurz.

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