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Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck wollen nicht über Neuwahlen spekulieren

© dpa/Immanuel Bänsch

Krise von Union und SPD: Was die Grünen wollen, falls die große Koalition scheitert

Über Neuwahlen oder eine Neuauflage von Jamaika wollen die Grünen momentan nicht reden. Sollte die große Koalition zerbrechen, wären sie wohl gesprächsbereit.

Wären die Grünen bereit, einen neuen Anlauf für eine Jamaika-Koalition zu nehmen, womöglich auch unter einem Kanzler Friedrich Merz? Oder würden sie im Falle eines Scheiterns der großen Koalition doch auf Neuwahlen beharren? Robert Habeck hat in diesen Tagen keine große Lust, eine klare Antwort zu geben. Die Frage stelle sich nicht, es gebe schließlich eine gewählte Bundesregierung, sagte der Grünen-Vorsitzende Anfang der Woche. Seine Partei wolle keine Spekulationen anstellen über „hätte, wenn und aber“. Doch in den Reihen der Ökopartei ist die Debatte über das „was wäre wenn“ längst in vollem Gange.

Als vor einem Jahr die Jamaika-Sondierungen mit Union und FDP scheiterten, riefen die Grünen, anders als FDP-Chef Christian Lindner, nicht sofort nach Neuwahlen. „Wir bleiben gesprächsbereit“, betonten führende Grünen-Politiker immer wieder. Man könne die Wähler nicht leichtfertig noch einmal abstimmen lassen, nur weil die Parteien sich nach der Bundestagswahl nicht geeinigt hätten, hieß es damals intern. Groß war die Sorge davor, dass vor allem eine politische Kraft von Neuwahlen profitieren könnte – nämlich die AfD.

Die Grünen könnten gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen

Dabei zeichnete sich schon früh ab, dass auch die Grünen gestärkt aus einer solchen Wahl hervorgehen könnten. Im Herbst 2017 waren sie mit 8,9 Prozent in den Bundestag eingezogen, als kleinste von sechs Parteien. Nach den Jamaika-Sondierungen konnten sie spürbar in den Umfragen zulegen. In den letzten Wochen ist aus dem Aufwind ein regelrechter Höhenflug geworden – mit Werten von über 20 Prozent. Die Verlockung, die momentane Stimmung in reale Stimmen umwandeln zu wollen, müsste für die Grünen deshalb groß sein.

Ganz so einfach ist es aber nicht, das weiß auch die Parteiführung. Der Eindruck, die Grünen riefen nach Neuwahlen, nur um ihr Ergebnis zu verbessern, könnte auch schnell wieder zu einem Einbruch führen. Ohnehin ist nach der letzten Bundestagswahl vielen wieder bewusst geworden, wie kompliziert der durch die Verfassung vorgegebene Weg zu Neuwahlen ist. Auch deshalb bleiben Habeck und seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock bei der Linie, dass sie sich nicht auf Spekulationen einlassen wollen. Zum momentanen Erfolg der Partei habe auch beigetragen, dass die Grünen sich als Stimme der Vernunft präsentieren und auf ihre Inhalte konzentrieren, lautet die interne Analyse.

Dass es in den nächsten Monaten zu einem Regierungswechsel nach dem Vorbild von 1982 kommen könnte, gilt bei den Grünen als ausgeschlossen. Damals beschloss die FDP, die sozial-liberale Koalition unter dem damaligen Kanzler Helmut Schmidt aufzukündigen. Mit einem konstruktiven Misstrauensvotum verhalfen die Liberalen Helmut Kohl und seiner CDU zur Mehrheit. Eine solche „Wende“ wäre heute nicht nur für die Grünen undenkbar – unabhängig von der Frage, wer sich bei der CDU als Vorsitzender durchsetzen wird.

Was passiert, wenn die SPD die Koalition verlassen will?

Was aber würde passieren, wenn die SPD beschließen sollte, die Koalition vor Ablauf der Legislaturperiode zu verlassen? Und wenn CDU und CSU – womöglich nach einer Übergangsphase mit einer Minderheitsregierung – FDP und Grüne bitten sollten, es noch einmal mit Jamaika zu probieren? „Wir können dann schlecht darauf beharren, dass wir Neuwahlen wollen“, sagt eine erfahrene Grüne. Einige in der Partei gehen davon aus, dass Union und FDP in einer solchen Situation mindestens das anbieten müssten, was in dem Jamaika-Sondierungspapier im Herbst 2017 vereinbart war. Und dass sie womöglich noch etwas drauflegen würden. Parteichef Habeck verweist darauf, dass seit dem Herbst 2017 eine Menge passiert sei. Was vor einem Jahr schon an „Aufbruch“ nötig gewesen wäre, sei nach einem „verlorenen Jahr“ noch eine viel größere Herausforderung.

Aber welchen Unterschied würde es für die Grünen machen, wer künftig an der Spitze der CDU steht – Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn oder Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz? Am heikelsten bei Merz sei seine berufliche Tätigkeit für den Vermögensverwalter Black Rock und als Aufsichtsrat der HSBC Bank, die in Zusammenhang mit so genannten „Cum-Ex“-Geschäften gebracht werden, heißt es. Ansonsten sei der Sauerländer Merz eine Art „Black Box“. Dass er sich als konservativ versteht, daraus macht der CDU-Mann keinen Hehl. Auch seine Forderung nach einer Steuerreform, die auf einen Bierdeckel passt, ist vielen noch bekannt. Aber diese Position hat die CDU selbst schon lange abgeräumt. Doch was denkt Merz heute beispielsweise zum Klimaschutz? Wäre er bereit, den Grünen hier deutliche Zugeständnisse zu machen? Oder wäre Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrem Politikstil der Grünen-Basis eher vermittelbar? Grünen-Chef Habeck will sich jedenfalls nicht auf einen Lieblingskandidaten festlegen. „Wir machen unsere Überlegungen nicht von Menschen abhängig, sondern tatsächlich von inhaltlichen Ausrichtungen“, sagt er.

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