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Viel zu tun. Auch wenn die Zahl der Straftaten 2020 etwas zurückging, musste sich die Polizei immer noch mit mehr als fünf Millionen Delikten befassen.

© imago images/Revierfoto

Kriminalität in Zeiten der Pandemie: Weniger Wohnungseinbrüche, deutlich mehr Subventionsbetrug

Die Coronakrise hemmt Räuber und Diebe, begünstigt aber Betrüger. Die Kriminalität in Deutschland geht insgesamt allerdings zurück.

Von Frank Jansen

Die Pandemie hat in Deutschland zu einer sichtbaren Veränderung der Kriminalität geführt. "Wo es weniger Gelegenheiten zu Straftaten gibt, wurden weniger begangen, wo es mehr Gelegenheiten gibt, wurden mehr begangen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2020.

Und wie Kriminelle die Coronakrise nutzen, zeigt sich exemplarisch beim Subventionsbetrug. Angesichts weitflächiger Versuche, unrechtmäßig an staatliche Coronasoforthilfen für Unternehmen und Soloselbstständige zu gelangen, explodierte die Zahl. Die Polizei registrierte insgesamt 7585 Fälle, im Jahr zuvor waren es 318. "Da haben Kriminelle die aktuelle Notlage ausgenutzt, um sich zu bereichern", sagte Seehofer.

Ähnlich sieht es bei den „Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz“ aus. Das sind unter anderem Verstöße gegen Kontaktbeschränkungen und die Anordnung von Quarantäne. Insgesamt 6779 Fälle weist die PKS für 2020 aus, das ist über 100-mal mehr als 2019 (61 Fälle).

Bei einem anderen Phänomen ist weniger klar, ob es einen Zusammenhang mit der Pandemie gibt. Die Polizei stellte bei der Verbreitung kinderpornografischer Schriften einen Anstieg um knapp 6500 Fälle auf mehr als 18.700 fest. Das bedeutet eine prozentuale Zunahme um 53 Prozent. Tatverdächtige sind überwiegend Deutsche (14.857). In den meisten Fällen war zu ermitteln, wer mit Kinderpornografie zu tun hatte (17.377). Die Aufklärungsquote hielt mit dem Anstieg der Delikte Schritt (plus 51,8 Prozent).

Auch die Zahl der Tatverdächtigen sinkt

Eine hemmende Wirkung hatte die Coronakrise offenkundig bei Delikten, für die Lockdown und Ausgangsbeschränkungen ungünstig sind. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sank um fast 14 Prozent auf 75.023 Fälle. Damit beschleunigte sich der schon seit Jahren zu erkennende Trend. 2016 hatte die Polizei noch mehr als 150.000 Wohnungseinbrüche und damit mehr als doppelt soviel wie im vergangenen Jahr registriert.

Taschendiebstähle gingen 2020 um elf Prozent auf 83.688 Fälle zurück, bei Ladendiebstahl gab es ein Minus von knapp sieben Prozent (304.005 Fälle). Der Fahrradklau reduzierte sich um sechs Prozent auf 260.956 Fälle.

Solche Details trugen dazu bei, dass die Gesamtzahl der bundesweit verübten Straftaten 2020 um 2,3 Prozent auf 5,3 Millionen Fälle sank. Entsprechend niedriger war auch die Zahl der Tatverdächtigen. Sie kam unter die Marke von zwei Millionen (2020: 1,96 Millionen, 2019: 2,01 Millionen). Das bedeutet einen Rückgang um 2,5 Prozent.

Eine deutliche Mehrheit der Tatverdächtigen sind deutsche Staatsangehörige (1,3 Millionen). Etwas mehr als 660.000 Tatverdächtige (minus 5,2 Prozent) hatten andere Staatsangehörigkeiten. Ein Drittel davon waren Geflüchtete (rund 238.000).

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Bei den Tatverdächtigen insgesamt fällt auf, dass die Zahl der Kinder (sechs bis unter 14 Jahre) 14 Prozent geringer war als 2019. Auch bei den Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahre) gab es eine beachtliche Abnahme (minus acht Prozent). Trotz des Rückgangs der Kriminalität insgesamt blieb die Zahl der Opfer nahezu konstant (1,01 Millionen). Etwas mehr als 780.000 Opfer waren Deutsche, rund 228.000 hatten einen anderen Pass. Gewaltkriminalität ließ etwas nach (minus 2,4 Prozent auf rund 176.000 Fälle), bei den härtesten Straftaten sah es jedoch anders aus. Die Polizei stellte im vergangenen Jahr insgesamt 2401 Fälle von Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen fest. Das sind 86 mehr als 2019. Die Zahl der Tatverdächtigen war allerdings niedriger als im Vorjahr (2020: 2672, minus 10,5 Prozent). Offenbar haben weniger Täter mehr tödliche Angriffe verübt.

Der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen (1085) lag deutlich unter dem der deutschen (1587). Und anders als oft von Flüchtlingsfeinden propagiert, stellten Zuwanderer und Zuwanderinnen mit 420 Tatverdächtigen nur eine vergleichsweise kleine Minderheit.

Beste Aufklärungsquote seit 2006

Die Aufklärungsquote bei Mord und Totschlag war 2020 mit knapp 95 Prozent noch etwas höher als im Vorjahr. Das gilt auch für die Zahl der Ermittlungserfolge der Polizei zu den Straftaten insgesamt. 2020 konnten 3.100.401 Delikte aufgeklärt werden, das entspricht einer Quote von 58,4 Prozent. 2019 waren es 57,5 Prozent. Der aktuelle Wert ist nun der höchste seit 2006.

Sorge bereitet Seehofer die in Pandemie-Zeiten offenbar zunehmende häusliche Gewalt. "Im Lockdown wird das Dunkelfeld größer", warnte der Minister. Die Erkenntnisse der Polizei bilden wahrscheinlich nur einen Teil der Realität ab. Seehofer kündigte an, das Bundeskriminalamt werde eine "Sonderauswertung zu Partnerschaftsgewalt" erstellen. Der Report soll im Herbst vorgestellt werden.

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