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Alle zwei Wochen beantwortet Shalicar Fragen im Netz.

© Privat

Krieg und Facebook: Der heiße Draht zur israelischen Armee

Arye Sharuz Shalicar ist israelischer Militärsprecher. Auf seiner Facebook-Seite bietet er regelmäßig eine einzigartige Frage-Antwort-Runde an.

Ein kleiner Mann mit rundem Gesicht und Glatze sitzt an einem Schreibtisch, die Hände zusammengefaltet. Auf seinen Lippen liegt ein erwartungsvolles Lächeln. Vor ihm steht ein gefaltetes Blatt Papier. „#AskArye“, steht dort in souverän geschwungenen Graffiti-Lettern. Gleich geht es los.

Der Mann heißt Arye Sharuz Shalicar und kommt eigentlich aus Berlin, genauer: aus dem Wedding. In den Straßen der Hauptstadt hat der Sohn iranischer Juden auch das Graffitisprühen gelernt. Nun ist er Sprecher der israelischen Armee und erklärt der deutschen Öffentlichkeit alle zwei Wochen auf einer eigens eingerichteten Facebook-Seite die Sicherheitspolitik seiner neuen Heimat. Alle zwei Wochen können Nutzer unter dem Titel "#AskArye" dort Fragen stellen, die Shalicar direkt persönlich beantwortet. Keine andere Armee bietet so etwas an.

„Kannst du etwas über die Bedrohung des IS am Sinai sagen?“, möchte eine Userin namens Liora wissen. Und Birgit fragt: „Siehst du eine Chance, dass die hässliche Mauer eines Tages abgerissen wird?“ Der 38-Jährige antwortet diplomatisch, sachlich, manchmal zurückhaltend. „Shalom Birgit, inshallah“, schreibt er: So Gott will. „Wir alle hassen Mauern und Zäune. Aber leider sind sie manchmal eine bessere Option als Selbstmordattentätern die Tore zu öffnen.“ Um die sechzig Fragen beantwortet er in einer Stunde, mehr ist nicht zu schaffen. Er hat keinen leichten Job. Es dürfte kaum eine Armee geben, die von der Weltgemeinschaft massiver kritisiert wird als die „Israel Defense Forces“ (IDF). Manchmal wird es absurd, etwa wenn Spiegel Online titelt: „Israel erwidert trotz neuer Waffenruhe Beschuss aus Gaza“. Dem möchte Shalicar etwas entgegensetzen.

Informationsquelle mit Berliner Straßenslang

Diesen Job hat sich Shalicar selbst auferlegt. „Die Seite entstand komplett aus Eigeninitiative“, sagt er in breitem Berliner Straßenslang, den er immer noch nicht abgeschüttelt hat, am Telefon. „Ich bekomme dazu keine Anweisungen ’von oben’.“ Am 12. Mai ging er online,es war der Tag des 50. Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen. Er möchte eine offizielle Informationsquelle darstellen, da viele deutsche Medien seiner Ansicht nach verzerrt oder gar nicht über Nahost-Themen berichten.

Dabei will er gezielt auch diejenigen ansprechen, die eine negative Meinung über den Judenstaat und dessen Verteidigungspolitik haben. „Das ist vor allem die muslimische Community“, sagt er. Vor zwanzig Jahren, da war er noch in Berlin, habe es unter Einwanderern aus islamischen Ländern weniger Israelhass gegeben. Das habe sich geändert, gerade bei jungen Menschen.

Einen Grund dafür sieht er unter anderem in der antiisraelischen Berichterstattung arabischer Fernsehsender, die bei arabischstämmigen Deutschen tagtäglich über die heimischen Bildschirme flimmerten. „Aus dieser Ecke bekomme ich auch besonders viele Hassmails, was mich traurig macht“, sagt Shalicar. Dennoch: Mit einigen jungen Muslimen diskutiere er stundenlang, oft bis tief in die Nacht. „Ich weiß nicht, ob ich da erfolgreich sein kann, aber ich versuche es zumindest.“

Voll akzeptiert wurde er im Wedding nie

Es gab eine Zeit, da versuchte Arye Shalicar, sich einzufügen, einer von ihnen zu sein, damals, im Wedding. Unter dem Pseudonym „Boss Aro“ war er Mitbegründer der berüchtigten Straßengang „Berlin Crime“. Er wurde Graffiti-Sprüher, Rapper, Kleinkrimineller. Auch mit dem Messer hat er schon zugestochen. Voll akzeptiert wurde er nie. Irgendwann ertrug er die antisemitischen Schmähungen, die Sticheleien und Anfeindungen, auch die seiner vermeintlichen Freunde, nicht mehr. Darum hat er 2001 „Aliyah gemacht", wie die Einwanderung von Juden aus der Diaspora nach Israel genannt wird.

Neun Jahre später erschien sein Buch „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude“, in dem er seine Vergangenheit verarbeitet. Die holt ihn auch bei seiner „#AskArye“-Fragerunde immer wieder ein. „Können wir irgendwann auf ein Comeback von Boss Aro hoffen?“, fragt einer, „eventuell auf hebräisch?“ „Die Zeiten sind leider vorbei....“, antwortet er. „Aber schön das ich sie erlebt habe.“
Ist seine deutschsprachige Facebook-Seite ein Draht in seine alte Heimat? Hat er Heimweh? Er wird diplomatisch. "Ich bin glücklich in Israel und kann mir nicht vorstellen, irgendwoanders hinzuziehen.“ Natürlich, Deutscher sei er irgendwo schon geblieben. Ich vermisse die Fußballplätze meiner Kindheit, meine Lieblingsdönerbuden und den Weihnachtsmarkt.“ Und dass die Busse immer pünktlich kommen.

Ein direkter Draht zu Medien und Politik

Ab und zu trifft er sich auch mit Menschen, die er über seine Arbeit in den Sozialen Medien kennengelernt hat. Da war die christliche Familie aus Berlin, große Israelfreunde. „Sie haben mich über Facebook angeschrieben, und als sie eines Tages in Israel waren, haben wir uns getroffen“, sagt Shalicar. Das dabei entstandene gemeinsame Foto hat er auf seiner Seite gepostet. Auch viele Medien und Politiker melden sich bei ihm, seit er die Seite betreibt. „So haben sie den direkten Draht zu Informationen.“ Arye Shalicar kämpft, wie er es immer getan hat: Als Jude im Wedding gegen das Gefühl der Ausgrenzung. Als israelischer Soldat gegen die Vernichtung seiner Wahlheimat. Und nun als deutsches Gesicht der IDF gegen die von ihm empfundene Ungerechtigkeit, die dem jüdischen Staat in den Medien wiederfährt.

Die Erwartungen an ihn sind hoch. Der Journalist Richard C. Schneider, Israel-Korrespondent der ARD, schreibt im Vorwort zu Shalicars Buch: „Wer weiß – vielleicht ist Arye Sharuz Shalicar der Hoffnungsträger für einen friedvollen Nahen Osten? Wer meint, ich übertreibe, der sei daran erinnert, dass vor 49 Jahren sich auch kein Mensch vorstellen konnte, dass ein kleiner Junge aus Hawaii eines Tages als Präsident der Vereinigten Staaten versucht, die Welt ein wenig friedlicher zu machen.“

Seine Facebook-Seite finden Sie hier.

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