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Ein syrischer Soldat im National-Museum von Palmyra, das von den Terroristen des Islamischen Staates geplündert worden ist. Dennoch halten die syrischen Experten die Schäden für kleiner als befürchtet.

© Mikhail Voskresenskiy/Sputnik/dpa

Krieg in Syrien: Palmyra bleibt ein Symbol mit Nebenwirkungen

Die Rückeroberung Palmyras stärkt den syrischen Präsidenten und macht die Friedensverhandlungen in Genf damit nicht einfacher. Dennoch ist die Bundesregierung erleichtert über diesen "symbolischen Sieg".

Bei aller Erleichterung darüber, dass die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) aus der antiken syrischen Stadt Palmyra vertrieben worden ist, gibt es zunehmend Warnungen: Hat doch dieser Sieg vor allem das Regime von Baschar al Assad in Damaskus gestärkt. Darauf weist Markus Kaim von Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hin. Er sagte dem Tagesspiegel, es sei ein „hoher politischer und moralischer Preis“, dass es die geschwächten Regierungstruppen Assads mit Hilfe der russischen Luftwaffe und Kämpfern der schiitischen Hisbollah-Miliz aus dem Libanon gewesen sind, die Palmyra nach zehn Monaten unter IS-Besatzung zurückerobert haben.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts bewertete das positiver: „Wenn die zwischen Regime und Opposition vereinbarte Waffenruhe dazu beiträgt, dass sich Assads Truppen nun ernsthaft dem Kampf gegen die Terrorbanden von IS widmen, statt gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, dann ist das gut“, sagte sie dem Tagesspiegel. Das zeige, „wie wichtig eine politische Lösung für Syrien auch für einen nachhaltigen Erfolg gegen den Terror bleibt. IS ist dann besiegbar, wenn seine Gegner sich nicht weiter gegeneinander aufreiben“, fügte sie hinzu. Allerdings könnte es dem nun militärisch gestärkten Assad-Lager damit auch leichter fallen, bei den Friedensverhandlungen mit der syrischen Opposition in Genf noch weniger Kompromisse zu machen als bisher.

Nouripour (Grüne): Die Sunniten werden diskriminiert

Auch der außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, ist erleichtert, dass die IS-Terroristen derzeit „viel Boden verlieren, und zwar vor allem im Irak“. Erst Anfang Dezember hatte die irakische Armee mit Unterstützung amerikanischer Luftangriffe die sunnitische Stadt Ramadi zurückerobert, die der IS fast gleichzeitig mit Palmyra vor zehn Monaten erobert hatte. Allerdings warnt Nouripour die Bundesregierung davor, Assad nun Zugeständnisse zu machen, in der Hoffnung, dass sich dann weniger Flüchtlinge in Richtung Europa in Bewegung setzten könnten. „Das Kernproblem ist, dass die Sunniten diskriminiert werden, im Irak von den Schiiten, in Syrien vom alawitischen Assad-Clan“, sagte er dem Tagesspiegel.
Nouripour war selbst kurz vor dem Fall der Großstadt Mossul im Irak und hat dort Gespräche mit sunnitischen Stammesältesten geführt, die ihm sagten, sie hätten nur die Wahl gehabt, „schlecht unter dem IS zu leben, oder unter dem früheren schiitischen irakischen Ministerpräsidenten Nouri al Maliki zu sterben“. Nouripour ist überzeugt davon, dass sich noch mehr Sunniten dem IS anschließen könnten, wenn sie im Irak weiterhin als Bürger zweiter Klasse behandelt würden und „in Syrien Assad weiter an der Macht gehalten wird“. Er fordert von der Bundesregierung, „mehr politisches Kapital in die irakische Regierung zu investieren, mit dem Ziel, die Sunniten in den Staat zurückzuholen“. Derzeit sehe er aber nur Aktionismus „mit Waffenlieferungen an Gruppen, die diese Waffen auch zur Vertreibung der Sunniten aus Kirkuk einsetzen und mit einer Ausbildung von Sicherheitskräften, ohne dass es im Irak Aussichten auf eine Sicherheitsreform gibt“. Wobei es nicht falsch sei, „auf die Kurden zu setzen“, aber es komme eben auch „auf die Regierung in Bagdad an“, sagt er.

Kurden und Schiiten haben eigene Konflikte

Dass er mit dieser Einschätzung nicht ganz falsch liegt, bestätigt ihm der Peschmerga-Kommandant Polad Jangi in der amerikanischen Zeitung „Voice of America“. Er wies darauf hin, dass es zwischen kurdischen Peschmerga und schiitischen Milizen, die auf der Seite der irakischen Armee gegen den IS kämpfen, zu neuen Spannungen kommen könnte, wenn die Regierung in Bagdad darauf beharren sollte, die Kurden nach der Rückeroberung der Stadt Mossul wieder in ihre Gebiete zurückzuschicken. Es gibt eine Reihe von Städten, die von den irakischen Kurden wie der Regierung in Bagdad als ihre Territorien reklamiert werden, dazu gehört auch die Öl-Stadt Kirkuk.

Der Islamische Staat breitet sich in Nordafrika aus

Markus Kaim warnt zudem davor, den IS nach der Rückeroberung Palmyras, die eine „hohe symbolische Bedeutung“ habe, abzuschreiben. Denn obwohl er im Irak und in Syrien unter militärischem Druck stehe, sei es angesichts der offenen Grenzen in der Region auch leicht für die Milizionäre, sich in sicherere Gebiete zurückzuziehen. Außerdem sei der IS weiterhin in Nordafrika auf dem Vormarsch, vor allem in Libyen und Tunesien, aber auch in Ägypten, gibt Kaim zu bedenken. Er rechnet weiterhin damit, dass der IS nach den Anschlägen in Paris im November und nun in Brüssel „den Kampf weiter in die europäischen Hauptstädte tragen wird“. Schließlich hätten sich nach den Pariser Anschlägen viele europäische Staaten der Anti-IS-Koalition angeschlossen, auch Deutschland. Es sei eine plausible politische Strategie, mit Terroranschlägen Druck auf die Europäer zu machen, ihr militärisches Engagement in Syrien und im Irak zurückzufahren.

Auch der Psychologe und Orientalist Jan Kizilhan erwartet nicht, dass der IS schnell zu besiegen sein werde. Er hat vergangenes Jahr im Nordirak Interviews mit gefangenen IS-Kämpfern geführt. Die hätten ihm gesagt, was sie tun, sei „ihr Job, ihre Mission, ihr heiliger Krieg“. Und vor allem: „Die haben keine Angst vor dem Tod.“ Ihr Wille zur Auslöschung all dessen, was westliche und arabische Zivilisation sei, von den Menschenrechten bis zur Mathematik, sei ausgeprägt. Es gehe neben der Angst, die sie verbreiten, auch darum, das „kollektive Gedächtnis“ all derer zu zerstören, die nicht auf der Seite des IS stünden.
Daran dürfte die Rückeroberung von Palmyra und Ramadi wenig ändern.

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