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Absturz eines Herrschers? Noch hält sich Assad an der Macht. Doch seine Gegner scheinen auf dem Vormarsch zu sein.

© Ammar Abdullah/Reuters

Krieg in Syrien: Assads Finale

Syriens Regime gerät militärisch immer mehr in Bedrängnis und will nun seinen Machtbereich auf ein Kerngebiet konzentrieren. Iran als Assads treuer Verbündeter schickt mehrere tausend Kämpfer zur Unterstützung.

Noch nie in den vergangenen vier Jahren war das Regime von Baschar al Assad derart in Bedrängnis. An allen Fronten sind seine Feinde auf dem Vormarsch. Den Norden kontrolliert die islamistische Dschaisch al Fatah, was übersetzt Eroberungsarmee heißt, zu der auch die Al-Nusra-Front von Al Qaida gehört. Im Süden operieren moderate Rebellen der "Freien Syrischen Armee", im Osten der "Islamische Staat" (IS).

Zuletzt eroberten deren Krieger Palmyra, von wo aus sich ihnen jetzt direkte Angriffsrouten auf Homs und Damaskus bieten. Denn Assad hat militärisch nichts mehr zuzusetzen. Die Armee ist dezimiert und hat Probleme, die Verluste durch neue Rekruten auszugleichen. Seine Kontrahenten dagegen haben neue Schlagkraft gewonnen, seit die Türkei, Saudi-Arabien und Katar ihr Vorgehen koordinieren.

"Bis zum Ende"

Deshalb igelt sich der Diktator in der Region Damaskus ein, mit einem Korridor nach Homs sowie dem Küstenstreifen von Tartus und Latakia. Das kommt einer faktischen Teilung Syriens gleich. Damit kontrolliert er in Zukunft nur noch 20 Prozent des Staatsterritoriums und die Hälfte der Bevölkerung. Doch diese Bastion ist einfacher zu verteidigen – so lange seine Verbündeten Russland und Iran weiter Waffen, Munition, Lebensmittel und Treibstoff liefern.

Zusätzlich verlegte Teheran jetzt mehrere tausend Mitglieder der revolutionären Garden und schiitische Milizen nach Damaskus und Latakia. Die 8000 Kämpfer sind Iraner und Iraker sowie Afghanen, denen als Gegenleistung ein festes Aufenthaltsrecht in der Islamischen Republik versprochen wurde. Man werde für Assad "bis zum Ende gehen", betonte der iranische Präsident Hassan Ruhani. Der Kommandeur der Al-Quds-Brigaden, Qassem Soleimani, kündigte gar an, die Welt werde in den nächsten Tagen "einige Überraschungen" erleben.

Bloß kein chaotischer Kollagps des Regimes!

Abgesehen davon ist die Absprache auf dem Schlachtfeld zwischen dem Regime und dem IS trotz der Niederlage in Palmyra unverändert eng. Denn Assad hofft, dass sich seine Gegner in den von ihm geräumten Gebieten gegenseitig dezimieren. Nahe Aleppo lässt die syrische Luftwaffe den IS ungestört operieren bei dem Versuch, der "Eroberungsarmee" ihren wichtigsten Nachschubweg in die Türkei zu entwinden. Sollte dies gelingen, wäre eine Eroberung von Aleppo durch den IS nur eine Frage der Zeit.

Assad weiß, dass die islamistische "Eroberungsarmee" und ihre regionalen Unterstützer Türkei, Saudi-Arabien und Katar voll auf Sieg setzen. Einen Einmarsch der "Gotteskrieger" in Damaskus sowie einen möglichen Genozid an der alawitischen Bevölkerung wollen sie offenbar in Kauf nehmen. Dagegen möchten die langjährigen internationalen Kontrahenten Iran und Russland auf der einen Seite sowie USA und Europa auf der anderen Seite ein solches blutiges Szenario auf jeden Fall verhindern. Beide Lager sind nicht an einem chaotischen Kollaps des Assad-Regimes interessiert. Daher werden nach einem Jahr politischer Funkstille nun erste vorsichtige Kompromisslinien ausgelotet.

Denn vor allem Russland beginnt, zu Damaskus auf Distanz zu gehen. Jüngst zog Moskau seine Berater aus Latakia ab. Auch belasten die Lieferungen für Syrien immer stärker das russische Staatsbudget. Kürzlich ließ der Kreml das Assad-Regime wissen, man werde sich nicht an dem auf 350 Milliarden Dollar geschätzten Wiederaufbau beteiligen. Moskau geht durch die westlichen Sanktionen und den niedrigen Ölpreis langsam die finanzielle Puste aus. So hofft die Obama-Administration, dass die Chancen für eine diplomatische Lösung steigen.

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