zum Hauptinhalt
Russische Soldaten in Mariupol

© Imago/Cover-Images/Russian Ministry of Defence

Krieg in der Ukraine: Verteidiger im Donbass in Bedrängnis, Lage „extrem schlecht“ – der Überblick

Die ukrainischen Truppen im Donbass geraten immer stärker unter Druck. Präsident Selenskyj will aber keinen Teil des Staatsgebiets aufgeben. Der Überblick.

Im Osten der Ukraine bringen massive russische Angriffe mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen die ukrainischen Verteidiger immer weiter in Bedrängnis.

Der Beschuss auf die Großstadt Sjewjerodonezk dauerte den ganzen Mittwoch an, wie der ukrainische Generalstab mitteilte. Das Verwaltungsgebiet Luhansk im Donbass sei zu 95 Prozent von russischen Truppen erobert, sagte Gouverneur Serhij Hajdaj. Die Lage sei „extrem schlecht“.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Präsident Wolodymyr Selenskyj rief deshalb die Weltgemeinschaft auf, sich eindeutiger auf die Seite seines Landes zu stellen.

Die Ereignisse im Überblick:

  • Um Ukraine-Krieg sieht die Regierung in Kiew ihre Truppen derzeit in einem „sehr schwierigen Moment an der Front“. Vor allem im Donbass im Osten des Landes tobten erbitterte Kämpfe, sagte Außenminister Dmytro Kuleba beim Weltwirtschaftsforum Davos. „Der Kampf um den Donbass ist sehr ähnlich wie die Kämpfe im Zweiten Weltkrieg.“ Einige Dörfer und Städte, sie existierten einfach nicht mehr, sagte Kuleba: „Sie wurden durch russisches Artilleriefeuer und russische Raketenwerfer-Systeme in Schutt und Asche gelegt.“
  • Die russischen Truppen konzentrieren sich im Donbass derzeit offenbar vor allem auf die strategisch wichtige Industriestadt Sewerodonezk. Die Situation sei „sehr schwierig“, es gebe „bereits Kämpfe in den Vororten“, berichtete am Mittwoch Gouverneur Serhij Gajdaj in Online-Netzwerken. „Die russischen Truppen sind bereits so nahe herangerückt, dass sie Mörsergranaten abfeuern können.“ Nach Einschätzung des Gouverneurs könnte die kommende Woche entscheidend sein.
  • Der ukrainische Generalstab berichtete auch von Angriffen auf die Orte Berestowe, Lypowe und Nyrkowe. Diese liegen im Rückraum der ukrainischen Verteidiger an der strategisch wichtigen Straße nach Bachmut. Zwar hieß es, die Attacken seien abgewehrt worden. Doch überprüfbar waren die Angaben nicht. Ausländische Beobachter befürchten, dass mehrere ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk eingekesselt werden könnten. „In einigen Richtungen haben die russischen Gruppierungen zweifellos taktische Erfolge, das ist im Prinzip auch kein Geheimnis“, sagte Olexander Motusjanyk, Sprecher des Verteidigungsministeriums, in Kiew. Es sei aber nicht richtig, von einem Rückzug zu sprechen. Die ukrainische Armee versuche zu manövrieren, um ihre Position zu verbessern und wieder anzugreifen.
  • Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die Weltgemeinschaft aufgerufen, sich eindeutiger auf die Seite seines von Russland angegriffenen Landes zu stellen. In seiner Videoansprache vom Mittwochabend zeigte er sich enttäuscht auch von den Beratungen beim Weltwirtschaftsforum in Davos. „Egal, was der russische Staat tut, es gibt jemanden, der sagt: Lasst uns seine Interessen berücksichtigen“, sagte er. Auch in Davos sei es so gewesen. „Und das trotz Tausender russischer Raketen, die die Ukraine treffen. Trotz Zehntausender getöteter Ukrainer. Trotz Butscha und Mariupol“. Russland tue dies mitten in Europa.
  • Selenskyj wurde am Mittwoch per Video zu einer Gesprächsrunde in Davos zugeschaltet und sagte, die Ukraine werde kein Gebiet abgeben. „Die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurück hat.“ Er sei bereit zu Gesprächen mit Moskau, wenn Russland sich auf die Frontlinien von vor dem 24. Februar zurückziehe.
  • Um die deutsche Haltung zum Krieg in der Ukraine dürfte es beim Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Davos gehen. Deutschland wird von seinen Verbündeten in Nato und EU, aber auch von der Ukraine kritisiert, zu wenig gegen den russischen Angriff zu tun. Vor allem bei der Lieferung schwerer Waffen hat Berlin gezögert. Allerdings gibt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unter den Nato-Staaten informelle Absprachen, bestimmte Waffensysteme nicht an die Ukraine zu übergeben. Bündniskreise bestätigten, so solle das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Nato-Staaten und Russland möglichst gering gehalten werden.
  • Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sah Scholz in der Pflicht, für Klarheit in der deutschen Linie zu sorgen. „Es darf nicht sein, dass am Ende des Krieges die Welt Deutschland als kompletten Bremser und Looser empfindet, nur weil wir nicht in der Lage sind, zu organisieren und zu kommunizieren“, sagte sie der dpa. Deutschland habe humanitäre Hilfe organisiert und militärisches Material und Waffen von hohem Wert geliefert.

Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:

Das bringt der Tag:

Beim Weltwirtschaftsforum wird am Donnerstag auch der Kiewer Bürgermeister und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko erwartet, der über die Lage in der ukrainischen Hauptstadt berichten wird.

Ein anderer Termin lenkt den Blick auf den friedlichen Widerstand gegen Machthaber Alexander Lukaschenko in Belarus: In Aachen wird der Karlspreis an belarussische Bürgerrechtlerinnen verliehen, darunter an Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja.

In Moskau berät das Oberste Gericht Russlands über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, das ukrainische Regiment „Asow“ zu einer terroristischen Vereinigung zu erklären. Die Einheit hat Verbindungen zur rechtsradikalen Szene in der Ukraine, der russischen Propaganda dient sie als Beispiel für den Einfluss von Neonazis im Nachbarland. „Asow“ seit Jahren in die ukrainische Nationalgarde eingegliedert. Doch das Regiment stellte viele Verteidiger von Mariupol, und diesen Gefangenen will die russische Justiz einen Prozess wegen angeblicher Gräueltaten machen. (dpa, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false