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Bewohner eines Hauses in Irpin nahe Kiew

© dpa/AP/Efrem Lukatsky

Krieg in der Ukraine: Russland verstärkt Angriffe im Donbass, Selenskyj dringt auf mehr Sanktionen – die Lage im Überblick

Im Osten der Ukraine stehen Dörfer stark unter russischem Beschuss. Präsident Selenskyj nennt die Lage im Donbass „extrem schwierig“. Der Überblick.

Der Krieg in der Ukraine kann aus Sicht von Präsident Wolodymyr Selenskyj letztlich nur durch Diplomatie beendet werden. Der Krieg werde "blutig sein, es wird heftige Kämpfe geben, aber endgültig enden wird er nur durch Diplomatie", sagte Selenskyj am Samstag dem ukrainischen Fernsehsender ICTV. Zugleich forderte er vom Westen weitere Waffenlieferungen.

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Nach der kompletten Einnahme der Hafenstadt Mariupol erhöhte Russlands Armee den Druck in der Ostukraine weiter.

Die Lage im Überblick:

  • "Es gibt Dinge, die wir nur am Verhandlungstisch erreichen können", sagte Selenskyi in dem ICTV-Interview. Er sprach sich für ein Dokument über Sicherheitsgarantien für die Ukraine aus, das "von den Freunden und Partnern der Ukraine, ohne Russland" unterzeichnet werde. Parallel dazu solle es bilaterale Verhandlungen mit Russland geben. Ukrainische und russische Unterhändler hatten sich seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine Ende Februar zunächst regelmäßig persönlich oder online über eine Beilegung des Konflikts beraten. Die letzte Begegnung der Chefunterhändler beider Länder fand laut russischen Nachrichtenagenturen vor einem Monat statt. Beide Seiten machen sich gegenseitig für den Stillstand verantwortlich.
  • Italien legte im Ringen um eine diplomatische Lösung bei den UN einen neuen Vorschlag vor. Er beinhaltet unter anderem die Bildung einer internationalen Vermittlungsgruppe mit Vertretern der UN, der EU und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
  • Selenskyj pocht auf weitere Strafmaßnahmen des Westens gegen Russland. Das sechste Sanktionspaket der europäischen Staaten müsse beschleunigt werden, sagte das Staatsoberhaupt in einer Videobotschaft, die in der Nacht zum Sonntag veröffentlicht wurde. Darüber habe er zuletzt auch mit Italiens Regierungschef Mario Draghi gesprochen. Viele westliche Staaten haben bereits beispiellose Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt.
  • Während der nunmehr zwölfwöchigen Kämpfe hat die ukrainische Armee die russischen Angriffe auf Kiew und Charkiw im Norden des Landes abgewehrt. Im Osten des Landes steht sie aber massiv unter Druck. Nach der kompletten Einnahme der Hafenstadt Mariupol versucht die russische Armee offenbar, auch die letzten ukrainischen Stellungen in der Region zu erobern. Die Lage im Donbass sei "extrem schwierig", die ukrainische Armee dränge die Offensive aber zurück, sagte Selenskyj am Samstagabend in einer Video-Botschaft. Russland hatte am Freitagabend die "vollständige Befreiung" des wochenlang schwer umkämpften Asow-Stahlwerks in Mariupol verkündet. Zuvor hatten dort die letzten verbliebenen ukrainischen Soldaten kapituliert. Mariupol sei wie andere ukrainische Städte "komplett zerstört" worden, erklärte Selenskyj. "Nun versuchen sie, das gleiche mit Sewerodonezk und vielen anderen Städten zu machen".
  • In der Region Luhansk werden inzwischen nur noch die durch einen Fluss getrennten Städte Sewerodonezk und Lyssytschansk von der Ukraine kontrolliert. Ziel der russischen Angreifer sei es, "die totale Kontrolle der Regionen Donezk und Luhansk zu erringen und einen Landkorridor zur besetzten Krim zu haben", erklärte der ukrainische Generalstab. Nach Ansicht von Experten droht Sewerodonezk, komplett von russischen Truppen umzingelt und belagert zu werden. Selenskyj sprach von "brutalen und absolut unsinnigen" Bombardements und Angriffen auf die Zivilbevölkerung, die in Kellern und Tunneln Zuflucht sucht. Der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Gajdaj, zeigte sich dennoch optimistisch. Seine Truppen bewaffneten sich neu und könnten wahrscheinlich im Juni zum Gegenangriff übergehen".
  • Die Ukraine wird bei den Kämpfen durch massive westliche Waffenlieferungen unterstützt. Eine solche zerstörte Russland nach eigenen Angaben im Nordwesten der Ukraine mit "hochpräzisen seegestützten Langstreckenwaffen". Die große Lieferung habe die Ukraine von den "Vereinigten Staaten und europäischen Ländern" für die Kämpfe in der Donbass-Region erhalten.
  • US-Präsident Joe Biden unterzeichnete am Samstag ein 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) schweres neues Hilfspaket für die Ukraine. Es beinhaltet unter anderem sechs Milliarden Dollar für gepanzerte Fahrzeuge und Luftabwehrsysteme für die ukrainischen Streitkräfte. In einem Treffen mit Portugals Regierungschef António Costa erneuerte Selenskyj seine Forderung nach gepanzerten Fahrzeugen für die ukrainische Armee sowie nach einer echten EU-Beitrittsperspektive.
  • Russland stoppte am Samstag seine Gaslieferungen nach Finnland, das vor wenigen Tagen ebenso wie Schweden einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft gestellt hatte. Außerdem setzte Moskau 963 weitere US-Persönlichkeiten auf seine Sanktionsliste, darunter Meta-Chef Mark Zuckerberg und Hollywood-Star Morgan Freeman.

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Das bringt der Tag

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bricht am Sonntag zu seiner ersten Afrika-Reise seit seinem Amtsantritt vor knapp einem halben Jahr auf. Er will dabei auch über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Kontinent sprechen. Afrika ist unter anderem von den im Zuge des Kriegs drastisch steigenden Getreidepreisen betroffen, die eine Ernährungskrise ausgelöst haben. Nach dem Senegal als erster Reisestation will Scholz den Niger und Südafrika besuchen.

Polens Präsident Andrzej Duda traf derweil zur Unterstützung der Ukraine erneut zu einem Besuch in der Hauptstadt Kiew ein. Er werde am Sonntag als erstes Staatsoberhaupt seit Kriegsbeginn vor drei Monaten eine Rede in der Rada, dem ukrainischen Parlament, halten, teilte die polnische Präsidialverwaltung in Warschau mit. Duda setzt sich dafür ein, dass die Ukraine möglichst rasch einen EU-Kandidatenstatus erhält. (AFP, dpa)

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