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Rauch über dem Azot-Chemiewerk von Sjewjerodonezk.

© REUTERS/Oleksandr Ratushniak

Krieg in der Ukraine: Kämpfe um Chemiewerk dauern an, Selenskyj kritisiert Widerstand gegen EU-Beitritt

Ukrainische Truppen sollen ein Drittel von Sjewjerodonezk kontrollieren. Zugleich versucht Russland, besetzte Gebiete schnell an sich zu binden. Der Überblick.

Nach anderen europäischen Spitzenpolitikern steht nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz laut einem Medienbericht erstmals seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor einer Reise nach Kiew. Der SPD-Politiker wolle vor dem G7-Gipfel Ende Juni die Ukraine besuchen, berichtete die „Bild am Sonntag“.

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Derweil gehen im Osten des Landes die Kämpfe weiter, in denen die russische Armee ihre Überlegenheit bei Artillerie und Munition für Landgewinne nutzen will.

In der Ostukraine wird weiter unter anderem um die Großstadt Sjewjerodonezk gekämpft. Das russische Militär habe die zivile Infrastruktur in der Stadt sowie im benachbarten Lyssytschansk und drei weiteren Orten beschossen, teilte der ukrainische Generalstab mit. Ukrainische Einheiten hätten russischen Angriffen aus mehreren Richtungen standgehalten. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen.

Sjewjerodonezk ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die sich noch nicht vollständig unter Kontrolle russischer Truppen oder prorussischer Separatisten befindet.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von fortlaufenden Straßenkämpfen. Laut Bürgermeister Olexandr Strjuk kontrollieren ukrainische Truppen ein Drittel von Sjewjerodonezk. Die Stadt sei seit rund zwei Monaten ohne Strom und Wasserversorgung, betonte er.

Kämpfe um Chemiewerk Azot

Auch die Kämpfe um die Chemiefabrik Azot in Sjewjerodonezk dauern an. Am Samstag hatten prorussische Separatisten gemeldet, das Werk umzingelt zu haben. „Alle Fluchtwege sind für sie abgeschnitten“, schrieb der Botschafter der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk in Moskau, Rodion Miroschnik, auf Telegram.

In der Nacht zu Sonntag erklärte der Gouverneur der Region, Serhij Gaidai, die Ukraine behalte die Kontrolle über das Areal. Nach ukrainischen Angaben haben sich rund 800 Menschen in mehreren Bunkern unterhalb des Azot-Werks in Sicherheit gebracht, darunter etwa 200 Mitarbeiter des Werkes und 600 Einwohner der Industriestadt.

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Zugleich versucht Russland, besetzte Gebiete schnell an sich zu binden. So sollen im besetzten südukrainischen Gebiet Cherson Renten bald in russischen Rubel gezahlt werden, wie der russische Verwaltungschef Wladimir Saldo am Samstag im Nachrichtendienst Telegram verkündete. Das gelte auch für Rechnungen von Energie- und Wasserversorgern - die bis zur Umstellung kostenlos sein würden.

Am Samstag wurden den ersten 23 Einwohnern der Region russische Pässe ausgehändigt. Rund 7000 weitere hätten einen russischen Pass beantragt, hieß es. Selenskyj sagte in seiner Ansprache, russische Pässe seien dort so etwas wie „ein Ticket zur Flucht“, da die ukrainische Armee im Gebiet Cherson Fortschritte mache.

Schwierige Lage für ukrainische Truppen

Selenskyj und andere ukrainische Politiker appellierten in den vergangenen Tagen an westliche Verbündete, schleunigst mehr schwere Waffen und Geschosse zu schicken. Denn der Konflikt in der Ostukraine entwickelt sich zu einem Artillerie-Duell, in dem die russische Armee dank größerer Waffen- und Munitionsbestände einen Vorteil hat.

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Die russischen Truppen verzeichnen nach ukrainischen und westlichen Schätzungen weiter hohe Verluste. Selenskyj sprach am Samstag in seiner täglichen Videoansprache von bisher rund 32.000 getöteten russischen Soldaten. Am Vortag hatte einer seiner Berater die Verluste der ukrainischen Armee seit der russischen Invasion am 24. Februar auf etwa 10.000 Getötete beziffert.

Selenskyj kritisiert Widerstand gegen EU-Kandidatenstatus für Ukraine

Selenskyj warb noch einmal für den EU-Beitritt seines Landes. Er sei überzeugt, dass mit der Entscheidung über einen Kandidatenstatus für die Ukraine auch die Europäische Union gestärkt werden könne.

Zugleich kritisierte er den teils vorhandenen Widerstand in der EU gegen die Beitrittspläne. „Was muss noch in Europa passieren, damit den Skeptikern klar wird, dass es Europa schadet, wenn man die Ukraine außerhalb der Europäischen Union hält“, fragte er. Die Ukraine hatte den EU-Beitritt im März beantragt - kurz nach der russischen Invasion.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Kiew am Samstag gesagt, die Auswertung des Beitrittsantrags der Ukraine werde Ende der kommenden Woche abgeschlossen.

Ihre Behörde soll eine Empfehlung mit Blick auf einen möglichen Kandidatenstatus für das Land abgeben. Die Ukraine hofft, dass sie diesen beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU am 23. und 24. Juni zuerkannt bekommt. (dpa, Reuters)

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