zum Hauptinhalt
Ein wohlbehütetes Leben? Ein Kind in einem Flüchtlingslager nahe der jemenitischen Stadt Sanaa.

© Khaled Abdullah/Reuters

Krieg im Jemen und anderswo: Hitliste des Grauens

Wo tobt derzeit der schlimmste Krieg? Die Vereinten Nationen sind sich sicher - es ist der Jemen. Aber was sagt uns das? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lutz Haverkamp

Sind es nun 20 Kriege, die derzeit weltweit toben – oder 30? Oder gar 31? Das ist auch eine Definitionssache. Friedens- und Konfliktforscher haben da unterschiedliche Maßstäbe. Einigen könnten sie sich vielleicht auf den Krieg, der aktuell der brutalste ist. Die Vereinten Nationen (UN) sind sich zumindest sicher. "Jemen erlebt die weltweit schlimmste humanitäre Krise", sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Dienstagmorgen in Genf.

Platz 1 auf der Hitliste des Grauens also für das Land im Süden der Arabischen Halbinsel: Von den 27 Millionen Einwohnern sind 22 Millionen auf Hilfe angewiesen, 8,4 Millionen Menschen sind vom Hungertod bedroht, rund 10.000 Menschen wurden getötet und 53.000 weitere verletzt. Außerdem herrscht in dem Land eine Cholera-Epidemie – eine Million Menschen sind infiziert. Der Tod ist Alltag. Und es trifft jeden: Erst am Montag starben mehrere Kinder bei einem Luftangriff auf die Hafenstadt Hodeida.

Die Weltgemeinschaft kauft sich jetzt ein gutes Gewissen. Eine Geberkonferenz für den Jemen erbrachte am Dienstag zwei Milliarden US-Dollar. "Ein bemerkenswerter Erfolg", sagte Guterres, der zum wiederholten Male eine politische Lösung für den inzwischen drei Jahre andauernden Krieg einforderte.

Doch die ist für den Jemen ebenso wenig greifbar wie für den Krieg in Syrien, wie für den Krieg in der Ukraine, wie für den Krieg in Afghanistan und wie für die anderen Kriege in Afrika und Asien. Oder wie für die rund 200 gewaltsamen Konflikte in der Welt, die zwar für viele Menschen auch tödlich sind, nach allgemeiner Auffassung aber nicht als Krieg definiert werden. Gelitten, geflüchtet und gestorben wird dort auch – oft ohne mediale Öffentlichkeit.

"Geld allein reicht nicht, um der gewaltigen Not im Jemen zu begegnen", erklärte Mercedes Tatay, die medizinische Geschäftsführerin der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Das ist so traurig wie wahr.

Das Leiden und Sterben wird weitergehen – überall auf der Welt. Es wird weitergehen, weil politische Machthaber ihre Einflussgebiete ausdehnen wollen, weil mit Terroristen nicht über Frieden zu reden ist, weil zu viele Staaten zu viel Geld mit Waffenexporten in Kriegsgebiete verdienen, weil die Weltöffentlichkeit trotz aller Bekenntnisse zu wenig tut, um neuen Kriegen vorzubeugen und alten Kriegen die Grundlagen zu entziehen.

Es ist nicht kriegsentscheidend, ob es einen oder 31 Kriege gibt. Schon einer ist einer zu viel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false