zum Hauptinhalt
Michail Mischustin, Ministerpräsident von Russland, drängt auf ein Ermächtigungsgesetz für die Kriegswirtschaft.

© dpa

Krieg gegen die Ukraine: Russland stellt auf Kriegswirtschaft um

Die russische Regierung will eine Blanko-Vollmacht für Kriegszeiten, um die Einsätze der Armee im Ausland abzusichern. Das Parlament würde an Einfluss verlieren.

Staatsmonopolitisch gesteuert war Russlands Kapitalismus unter Präsident Wladimir Putin bereits vor der Aggression gegen die Ukraine. Jetzt geht die russische Regierung einen weiteren Schritt. Sie verlangt von den Abgeordneten der Duma eine Art Blanko-Vollmacht, um Mittel für die Kriegswirtschaft zu mobilisieren.

Das Ziel ist eindeutig: Mit Veränderungen in zahlreichen Gesetzen, vor allem im Gesetz über die Landesverteidigung, soll das Kabinett von Regierungschef Michail Mischustin ermächtigt werden, „Operationen“ der russischen Armee im Ausland materiell und finanziell abzusichern.

Die Aggression im Osten des Nachbarlandes wird in der Begründung des Regierungsantrages ausdrücklich genannt, wie aus einer Pressemitteilung auf der Duma-Webseite hervorgeht. Doch die Ermächtigung soll offensichtlich auch nach dem – nicht absehbaren – Ende dieses Krieges für alle weiteren gelten.

Die russische Regierung, letztlich jedoch Putin selbst, will freie Hand für Situationen, in denen er es für notwendig hält „spezielle Maßnahmen in der Wirtschaftssphäre“ zu erlassen, um der Armee die Bekämpfung „konterterroristischer oder anderer Operationen außerhalb der Grenzen Russlands zu ermöglichen“.

Zugriff auf alle Reserven

Die Regierung solle demnach in die Lage versetzt werden, „operativ die Anforderung der Armee und der anderen militärischen Kräfte zu befriedigen“. Im Einzelnen soll offensichtlich ohne parlamentarische Kontrolle der Zugriff auf Staatsreserven und Staatsfonds ermöglicht werden, die der Gesetzgeber ursprünglich anderen Verwendungen gewidmet hatte.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Sollte die Duma zustimmen, woran es keine Zweifel gibt, dürfen auch Privatunternehmen so genannte „Staatsbestellungen“ nicht mehr ablehnen. Die Regierung könnte beispielsweise Unternehmen des Maschinen- und Fahrzeugbaus anweisen, beschädigte Kriegstechnik so rasch wie möglich zu reparieren.

Angestellte von Behörden, aber auch andere russische Arbeitnehmer könnten nach diesen Plänen künftig zu Überstunden, Nachtschichten und Arbeit an Feiertagen herangezogen werden.

Putins Krieg gegen die Ukraine widerspricht den Geschäftsinteressen der international vernetzten russischen Wirtschaftselite grundsätzlich. Dennoch ist es dem Präsidenten bisher gelungen, einen nennenswerten Konflikt zwischen den politisch Mächtigen und den Oligarchen zu vermeiden.

Bereits kurz nach Kriegsbeginn hatte Putin die Spitzen der Wirtschaft einbestellt und sie auf ihre patriotischen Pflichten eingeschworen.

Den Unternehmern gab er damals eine Art Eigentumsgarantie und erwartete als Gegenleistung Patriotismus. Alle Probleme würden mit marktwirtschaftlichen Mechanismen gelöst, versprach der Präsident.

Die russische Wirtschaft hält zu Putin

Die Oligarchen, die er als unsichere Kantonisten betrachtet, griff er kurz darauf in einer verstörenden Rede an. Er verurteile niemanden, der eine Villa in Miami oder an der Cote d'Azur hat, sagte Putin. Das Problem sei nicht, dass sie dort lebten, sondern dass sie mental dort seien und nicht an der Seite des russischen Volkes. Doch das Volk sei fähig, „die wahren Patrioten von Abschaum und Verrätern zu unterscheiden“. Letztere würden „ausgespuckt“.

Er sei überzeugt, „eine solche natürliche und notwendige Säuberung der Gesellschaft festigt unser Land“. Der weitaus größte Teil der russischen Wirtschaftsbosse blieb in diesem Krieg an Putins Seite.

Der Präsident des russischen Verfassungsgerichts, Waleri Sorkin, deutete nun kürzlich an, dass sich die russische Wirtschaftselite auf weitere Gesetzesänderungen gefasst machen müsse. In einer Rede in St. Petersburg erklärte Sorkin, die Mobilisierung müsse allseitig sein. Und er forderte von der russischen Wirtschaft ernsthafte Schritte in Richtung der Erwartungen des Kremls: „Das russische Business muss der Gesellschaft seinen nationalen Charakter zeigen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false