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Klimaaktivisten blockieren die Fahrbahn der A100 in Berlin, um gegen Lebensmittelverschwendung zu protestieren.

© Carsten Koall/dpa

Krieg, Corona, Klima: Sind wir von der Summe unserer Probleme überfordert?

Erst überlagerte die Corona-Pandemie die Klimakrise, nun verdrängt die Angst vor einem Krieg in der Ukraine alles andere. Es ist Multiball-Zeit. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Stell dir vor, ein riesiger Meteorit schlägt in Kürze ein – und keinen interessiert’s. Das ist, grob verkürzt, der Plot des Films „Don't Look Up“, der seit einigen Wochen auf Netflix läuft.

Es geht um Ignoranz und Verdrängung, um eine Menschheit, der das eigene Überleben egal ist, um eine US-Präsidentin, die vor Wahlen steht und keine schlechten Nachrichten hören möchte, um eine Medienindustrie, die Unterhaltung vor Relevanz setzt. Am Ende postet der Sohn der Präsidentin im Internet ein Selfie-Video als „letzter Mensch“. Kein Wunder, dass der Film als Allegorie auf den Kampf gegen den Klimawandel interpretiert wurde, als „Klimazusammenbruchssatire“ und „bitterböse Parabel über die Klimakrise“. Kein Zufall schließlich, dass sich die Autobahn-Blockierer von heute als „letzte Generation“ bezeichnen. Luisa Neubauer von der Bewegung „Fridays for Future“ hat vor wenigen Tagen „massiven Widerstand“ gegen die ihrer Ansicht nach völlig verkehrte Klimapolitik angekündigt. Die Verantwortlichen müssten weiter unter Druck gesetzt werden.

Für halbherzige Kompromisse bleibe „nach 40 Jahren politischer Ignoranz“ keine Zeit mehr. „Es geht so nicht weiter“, sagte Neubauer.

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Radikalisierung eines Teils der Klimaaktivisten

Es gibt eine andere Lesart von „Don’t Look Up“: Der Film könnte eine Menschheit zeigen, die generell von der Summe ihrer Probleme überfordert ist, der die Maßstäbe abhanden gekommen sind, um Prioritäten zu setzen. Das ist in der Tat schwer geworden.

Die schon wieder. Ist die Radikalisierung einiger Klimaaktivisten auch die Folge einer Marginalisierung?
Die schon wieder. Ist die Radikalisierung einiger Klimaaktivisten auch die Folge einer Marginalisierung?

© Paul Zinken/dpa

Vor zwei Jahren noch wurden Zeitungs-Extraausgaben und TV-Sondersendungen produziert, um die Dramatik des Klimawandels zu illustrieren.

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Seitdem hat die Corona-Pandemie das Thema aus den Schlagzeilen gekegelt. Der aktuelle Tod, etwa das Sterben von Senioren in Pflegeeinrichtungen, ergriff Herz und Verstand stärker als die Sorge um das Leben und Überleben künftiger Generationen.

Womöglich ist die Radikalisierung eines Teils der Klimaaktivisten auch eine Reaktion auf die Marginalisierung ihrer Anliegen in der Öffentlichkeit.

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Nun ist die Krise um die Ukraine hinzugekommen. Angst vor einem Krieg in Europa breitet sich aus. Es geht um politische und territoriale Souveränität, das Selbstbestimmungsrecht, die Energieversorgung, Waffenlieferungen, Diplomatie.

Die Außenministerin, Annalena Baerbock, eine Grüne, besucht mit Helm und Schutzweste das Kriegsgebiet in der Ostukraine. Das beschäftigt die meisten Menschen mehr als Pläne der Öko-Partei zum Ausbau der Windenergie.

Sie nehmen die Zukunft ernster als die Gegenwart

Bei Flipperautomaten muss der Spieler eine Metallkugel, die auf einer schrägen Fläche hinabrollt, davor bewahren, in ein Loch zu fallen. Je länger ihm das gelingt, desto mehr Punkte sammelt er. Gute Spieler erreichen ein Multiball-Level, dann rollen ihnen ganz viele Kugeln auf einmal entgegen. In Blitzgeschwindigkeit müssen weitreichende Entscheidungen getroffen werden.

In diesem Multiball-Stadium befindet sich die gegenwärtige Politik. Es wäre fahrlässig, sich nur auf eine Kugel zu konzentrieren, nur eine Krise anzugehen. Es wäre unanständig, eine der Krisen gegen die anderen in Stellung bringen zu wollen.

Vielleicht ist es das, was viele Menschen an den Autobahnblockierern ein wenig stört – dieses Gefühl, dass sie die Zukunft ernster nehmen als die Gegenwart.

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