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Bundespräsident Christian Wulff lehnt Veröffentlichung des Anrufs bei Bild ab.

© dapd

Update

Kreditaffäre des Präsidenten: Wulff lehnt Veröffentlichung des Bild-Telefonats ab

Die "Bild"-Zeitung hat den Präsidenten gebeten, den Wortlaut der Nachricht veröffentlichen zu dürfen. Doch der Bundespräsident sagt Nein. Deutliche Kritik an Wulff kommt auch aus der Berliner Landespolitik.

Bundespräsident Christian Wulff hat die Veröffentlichung des umstrittenen Telefon-Anrufs bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann abgelehnt. Wulff erklärte am Donnerstag, er wolle es bei der persönlichen Entschuldigung bei Diekmann belassen. "Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt", schrieb Wulff am Donnerstag an Diekmann. "Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben."

Die „Bild“-Zeitung will die Unstimmigkeiten über den ominösen Anruf von Bundespräsident Christian Wulff bei Chefredakteur Kai Diekmann öffentlich klären. Das Blatt kündigte am Donnerstag in einem Brief an Wulff an, es wolle den Wortlaut der Mailbox-Nachricht veröffentlichen, „um Missverständnisse auszuräumen“. In dem Schreiben Diekmanns heißt es weiter: „Wir möchten dies nicht ohne Ihre Zustimmung tun und bitten Sie deshalb im Sinne der von Ihnen angesprochenen Transparenz um Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung.“ Nach Angaben der Zeitung hatte Wulffs Mailbox-Nachricht für Diekmann das Ziel, einen unliebsamen Artikel zu verhindern. Der Bundespräsident widersprach dieser Darstellung jedoch am Mittwochabend in einem Interview mit ARD und ZDF und sagte, er habe lediglich einen Aufschub um einen Tag erreichen wollen.

Diese Aussage habe die Zeitung „mit Verwunderung“ zur Kenntnis genommen, schreibt Diekmann weiter in dem Brief an Wulff. Einer solchen Bitte sei das Blatt bereits einmal nachgekommen. Eine Veröffentlichung der Mitschrift soll nun die verbleibenden Unstimmigkeiten aufklären.

Aus der Berliner Landespolitik gibt es nun deutliche Kritik am Bundespräsidenten. Der Fraktionschef der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, Andreas Baum, sieht den Verbleib von Bundespräsident Christian Wulff im Amt skeptisch. Er gehe davon aus, dass das Staatsoberhaupt „nicht zu halten“ sei, sagte Baum am Donnerstag. Wulff sei durch eigenes Fehlverhalten zum „Spielball der Medien“ geworden und habe „keinen Handlungsspielraum“ mehr. Auch das Interview für ARD und ZDF am Mittwochabend sei „kein Befreiungsschlag“ gewesen. Das Verhalten Wulffs habe mit der von den Piraten geforderten Transparenz nichts zu tun. Er hätte „offener, schneller und souveräner“ mit den Vorwürfen umgehen müssen.

Einen Tag nach seinem Fernsehinterview hat Bundespräsident Christian Wulff eine Stellungnahme seiner Anwälte zu seiner Kreditaffäre und seinen Urlauben veröffentlichen lassen. In der sechsseitigen “zusammenfassenden Stellungnahme“ kommt die Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs zu dem Schluss, dass Wulff als Ministerpräsident von Niedersachsen nicht gegen das Ministergesetz verstoßen habe. “Die privaten Freundschaften von Herrn Wulff haben seine Amtsführung nicht beeinflusst“, heißt es in dem am Donnerstag auf der Internetseite der Kanzlei veröffentlichten Text. Anhaltspunkte für die Tatbestände der Vorteilsnahme oder Vorteilsgewährung oder steuerrechtliche Verstöße hätten sich nicht ergeben.

Mit dem Papier will die Kanzlei die Antworten auf etwa 450 Fragen von Medienvertretern zusammenfassen. “Unser Mandant strebt bei der Beantwortung dieser Fragen größtmögliche Transparenz an, soweit diese Sachverhalte betreffen, die in Beziehung zu seinen öffentlichen Ämtern stehen“, heißt es darin. Die Kanzlei behält sich vor, dass “aufgrund des verständlichen Zeitdrucks“ die Antworten teilweise noch ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein könnten: “Sollte dies erforderlich sein, werden wir unseren Bericht aktualisieren.“

Nach dem Fernseh-Interview spitzt sich auch der Konflikt zwischen dem Staatsoberhaupt und der „Bild“-Zeitung zu. Die Zeitung widersprach nach einem Bericht des Deutschlandfunks der Aussage Wulffs, er habe mit seinem Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann eine Berichterstattung zu seiner umstrittenen Hausfinanzierung nur verschieben, aber nicht verhindern wollen. Mit Blick auf den Anruf sagte der stellvertretende Chefredakteur Nikolaus Blome dem Deutschlandfunk, „den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern, das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen“.

Blome bezeichnete die auf der Mailbox von Diekmann hinterlassene Nachricht als „große Dummheit“ und erklärte: „Und es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden. Und wenn Sie das jetzt als Drohung bezeichnen oder auch nicht, das sei mal dahingestellt. Das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Aber klar war das Ziel dieses Anrufs, die Absicht und das Motiv - nämlich: Die Berichterstattung, diesen ersten Breaking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden.“ Nach Darstellung von Wulffs Anwälten standen weder der umstrittene Privatkredit noch die diversen Urlaubsreisen mit den Amtspflichten Wulffs als Ministerpräsident von Niedersachsen in Zusammenhang. „Die privaten Freundschaften von Herrn Wulff haben seine Amtsführung nicht beeinflusst.“ Auch für steuerrechtliche Verstöße gebe es keine Anhaltspunkte.

FDP-Generalsekretär sieht weiteren Klärungsbedarf

Knapp 11,5 Millionen Zuschauer hatten am Mittwochabend das mit Spannung erwartetet Interview von Wulff in ARD und ZDF gesehen. Die Aussagen Wulffs lösten bei Koalition und Opposition ein unterschiedliches Echo aus. In der schwarz-gelben Koalition wurde der Fernsehauftritt mit Erleichterung aufgenommen. Die Opposition sieht nun Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Zug. „Die entscheidende Frage ist, was Frau Merkel in dieser Sache sagt“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im ARD-„Morgenmagazin“.

Dagegen erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe: „Ich bin sicher, dass Christian Wulff damit erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen wird.“ Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt stärkte Wulff den Rücken. „Ich habe volles Vertrauen in den Bundespräsidenten und seine Amtsführung“, sagte sie dem ARD-Morgenmagazin.

Aus der FDP hieß es, es sei gut, dass Wulff zu den Vorwürfen Stellung genommen und Fehler eingeräumt habe. Mit Blick auf den Disput mit der „Bild“-Zeitung sieht der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring weiter Klärungsbedarf. „Das müssen die beiden unter sich ausmachen und an dieser Stelle dann eben auch eine gleichlautende Deutung der Öffentlichkeit präsentieren“, sagte er.

Der CDU-Politiker Peter Hintze bezeichnete die Auseinandersetzung um Wulffs Anruf bei der „Bild“-Zeitung als übertrieben. „Wir können an diesem schönen Beispiel sehen, wie im Moment mit der Lupe Klein- und Kleinstdifferenzen vergrößert und aufgeblasen werden und daraus neue Sachverhalte gemacht werden“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Dagegen sehen SPD, Linke und Grüne weiteren Aufklärungsbedarf.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte Kanzlerin Merkel auf, dessen Eignung für das höchste Staatsamt zu überprüfen. „Das ist keine Causa Wulff mehr, das ist eine Causa Merkel.“ Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Hubertus Heil sagte: „Es bleiben Fragen offen, die aufgeklärt werden müssen.“ Auch die Grünen bezweifeln, dass die Kanzlerin mit der Erklärung Wulffs zufrieden sein könne. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte: „Wir erwarten, dass sie dazu Stellung nimmt.“ Merkel hatte vor dem Interview erklären lassen, dass sie Wulffs Arbeit nach wie vor schätze. Sie vertraue auf umfassende Antworten Wulffs. Wulff war wegen eines 500 000-Euro-Kredits für sein Privathaus von der Unternehmergattin Edith Geerkens in die Kritik geraten. Später hatte Wulff diesen Kredit durch ein Darlehen der BW Bank abgelöst. Eine neue Dimension bekam der Fall, als bekannt wurde, dass Wulff telefonisch versucht hatte, die unliebsame Berichterstattung der „Bild“ zu beeinflussen.

Der Bundespräsident hatte ungeachtet des verheerenden Medienechos einen Rücktritt abgelehnt. Im Interview bei ARD und ZDF räumte er aber Fehler und Versäumnisse ein. So sei der Drohanruf bei „Bild“-Chefredakteur Diekmann „ein schwerer Fehler“ gewesen. Die „Bild“-Zeitung hatte vor drei Wochen zuerst über die Umstände des Hauskredits im Wert von einer halben Million Euro berichtet. Der Präsident muss sich gegen Vorwürfe wehren, beim Kauf eines Eigenheimes als Ministerpräsident die genauen Umstände der Kreditaufnahme verschwiegen zu haben. Im Interview wies er den Vorwurf zurück, er informiere die Öffentlichkeit per Salami-Taktik.

Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend meinen nur noch 47 Prozent, dass Wulff im Amt bleiben kann. Damit verlor das Staatsoberhaupt seit Wochenbeginn kontinuierlich an Zustimmung. (AFP/dpa,dapd)

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