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Gut zuhören oder lieber nichts hören? Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Black-Hawk-Hubschrauber.

© Britta Pedersen/dpa

Kramp-Karrenbauer auf Truppenbesuch: Auch in Afghanistan dreht sich alles um die SPD

Obwohl im Ausland, wird die CDU-Vorsitzende hauptsächlich zur Lage in Deutschland befragt. Sie macht der SPD eine deutliche Ansage.

Von Robert Birnbaum

Sie sollte gar nicht in Afghanistan sein, so wie die Dinge in Berlin stehen. Aber es ist kurz vor Weihnachten, die Truppe erwartet sie, sogar der Staatspräsident empfängt sie, außerdem war sie noch nicht hier – und wer weiß schon, wann sie es sonst wieder schafft.

Am Dienstag steht Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Hangar in Mazar-e-Sharif und lässt sich zeigen, welche Truppenteile die Bundeswehr in ihrem Feldlager hat, von den Ausbildern bis zur Sanität. Ob sie mit dem Kopf ganz bei der Sache ist, ist eine andere Frage. Ihr eigentlicher Kampfauftrag spielt an der Heimatfront.

Seit Sonntag ist Kramp-Karrenbauer unterwegs, erst ein Abstecher nach Kroatien und eine Stippvisite bei der Kfor-Mission im Kosovo, am Montagabend landete der graue Luftwaffen-Airbus in Nordafghanistan. Die Maschine heißt sinnigerweise „Kurt Schumacher“.

Am Abend vor der Abreise hatte die SPD verkündet, wer die aktuellen Nachfolger des ersten SPD-Vorsitzenden der Nachkriegsgeschichte werden sollen. Kurz vor 18 Uhr setzte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer die CDU-Kollegin per SMS ins Bild über den Sieg des Anti-Groko-Duos. Seither hängt die Zukunft der Partnerschaft an einem Faden und Kramp-Karrenbauer zwischen ihren beiden Stühlen als Ministerin und Parteichefin.

Gleich am Samstagabend legte die CDU-Führung in einer Telefonschaltung die Linie fest, die die Chefin auch mit CSU-Chef Markus Söder abstimmte und seither öffentlich vertritt: Keine Nachverhandlung des Koalitionsvertrags, kein SPD-Rabatt als Preis für Fortsetzung des Bündnisses.

Nach dem SPD-Parteitag kommt der ganze CDU-Vorstand nach Berlin

Für den Montag lud Kramp-Karrenbauer zusätzlich zum ohnehin geplanten CDU-Präsidium vorsichtshalber den gesamten Parteivorstand nach Berlin - für den Fall, dass der SPD-Parteitag rasche Reaktionen nötig macht. Andere sind auch sofort auf Sendung. Friedrich Merz, der nach seinem wenig triumphalen Auftritt beim CDU-Parteitag kurz stiller geworden war, brachte gleich eine Minderheitsregierung ins Spiel – in der er, was er aber natürlich nicht dazu sagt, auf einen Ministerposten spekulieren könnte.

Die CDU-Chefin entschied sich sofort trotz der schwierigen Lage, die Reise als Ministerin nicht zu verschieben. Die Telefonrechnung der vier Tage dürfte üppig ausfallen. Auch bei den Fernsehinterviews, die sie zwischen politische Gespräche und Treffen mit den Soldaten klemmt, spielt Afghanistan meist nur am Rande eine Rolle. Jeder will von ihr wissen, wie es in Berlin weitergeht.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fliegt mit einem Transportflugzeug A400M.
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fliegt mit einem Transportflugzeug A400M.

© Britta Pedersen/dpa

Kramp-Karrenbauer zieht aus der Ferne rote Linien. Sie wertet den Sieg von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als „Linksverschiebung“ der SPD, eine Richtung, die die Koalition nicht mitmachen werde. An der Schuldenbremse zu rütteln, werde die Union nicht zulassen, gibt sie im RTL-Frühstücksfernsehen zu Protokoll. Beim Klimapaket verweist sie auf das Vermittlungsverfahren, das die angestrengt haben.

Wie viel ist ein Wort von Olaf Scholz noch wert?

Sollten Walter-Borjans und Eskens an dem Punkt nachschärfen wollen, böte ihnen das Verfahren theoretisch die Gelegenheit. Die Koalitionäre hatten in ihrem Paket ohnehin Luft für absehbare Nachbesserungswünsche aus Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung einkalkuliert.

Bei einem für die SPD noch viel wichtigeren Punkt hat die letzte Koalitionsrunde eine Bremse eingebaut. Kramp-Karrenbauer macht die Absprache jetzt öffentlich: Das Grundrenten-Paket werde erst als Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht, wenn die SPD sich dazu bekannt habe, dass sie die Koalition fortsetze. Das Verfahren fanden in der Runde im Kanzleramt offenbar auch die SPD-Beteiligten logisch. Doch wie viel ist ein Wort etwa von Olaf Scholz noch wert nach der Niederlage des Vizekanzlers und Finanzministers im SPD-Vorsitzendenrennen?

Kramp-Karrenbauer hat allerdings zunächst die eigenen Reihen im Blick. Die Unionsfraktion und der Parteitag hatten dem Grundrenten-Kompromiss nur murrend zugestimmt. Bei CDU und CSU würden etliche das Projekt gern wieder kippen. Falls die neue SPD-Führung die Zukunft des ganzen Bündnisses in der Schwebe hält, böte das der Union allen Grund, die Vereinbarung ebenfalls in der Schwebe zu halten: Warum der SPD zuliebe einen Kompromiss umsetzen, wenn die schon gar nicht mehr richtig im Boot wäre? Den Vortritt für einen kompletten Ausstieg will man den Sozialdemokraten ja sowieso lassen.

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