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Korrupte Abgeordnete? Strafbar! Am Freitag soll das Gesetz beraten werden.

© dpa

Korruption von Abgeordneten: Bestechung von Bundestagsabgeordneten soll strafbar werden

Die Korruption von Abgeordneten soll strafbar werden. Den Betroffenen - Abgeordneten wie Lobbyisten gleichermaßen - ist das etwas unbehaglich. Auch wenn das offen niemand zugeben will. Zu Recht?

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Es ist nicht der erste Versuch, in Deutschland ein Gesetz zu schaffen, mit dem die Bestechung von Bundestagsabgeordneten unter Strafe gestellt wird. Mehrfach bereits hat sich der Bundestag mit dem Thema befasst, mehrfach haben Fraktionen Gesetzentwürfe eingebracht. Und trotzdem konnten die Abgeordneten sich nicht auf eine Regelung einigen. Der Grund: das Unbehagen aller, die betroffen sind. Abgeordnete und auch Interessenvertreter, also die Lobbyisten.

Und auch in dieser Woche ist das nicht anders. Nicht allen ist wohl bei der Aussicht, am Freitag den Straftatbestand der Bestechung von Abgeordneten zu regeln. Offen äußern will das niemand. Schließlich will keiner als derjenige am Pranger stehen, der ein Gesetz gegen Bestechung verhindert hat. Aber hinter vorgehaltener Hand heißt es: Wenn das Gesetz erst beschlossen ist, dann können eifrige Staatsanwälte hinter jeder Einladung eines Abgeordneten zum Essen einen Bestechungsvorwurf wittern und ermitteln. „Damit kann man jeden Politiker lahmlegen“, sagt ein Abgeordneter aus der Koalition.

Sieht man genauer hin, dann scheint die Sorge allerdings unnötig zu sein. Mit der Neuregelung wird der Weg frei, die UN-Konvention gegen Korruption zu ratifizieren. Bislang hatte Deutschland die Konvention im Jahr 2003 zwar unterzeichnet, aber als eines von wenigen Industrieländern nicht ratifiziert. War bisher nur der klassische „Stimmenkauf“ bei Wahlen strafbar, soll mit dem neuen Paragraf 108 e des Strafgesetzbuchs auch die „Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten“ erfasst werden. Bekannt und geregelt ist das Verbot der Korruption bisher bei Amtsträgern, also etwa Beamten. Damit soll das Vertrauen in die Integrität der Verwaltung gewahrt werden. Ein Mandatsträger ist jedoch kein Beamter, er ist freier, und er hat auch nicht – wie der Beamte – stets „neutral“ zu sein. Zum Wesen des Mandats gehört es eben, für etwas Partei zu ergreifen. In der Vergangenheit war man deshalb mit dem strafrechtlichen Zugriff auf die Tätigkeiten von Abgeordneten zurückhaltend.

Der neue Tatbestand mischt Elemente aus den Korruptionsdelikten für Amtsträger

In der geplanten Strafvorschrift finden sich Formulierungen aus dem Übereinkommen des Europarats zur Korruptionsbekämpfung wieder. So ist die Rede davon, dass Parlamentarier dann belangt werden, wenn sie einen „ungerechtfertigten Vorteil“ annehmen. Vorteile, die sich in einem üblich-angemessenen Rahmen bewegen, sollen möglich sein. In der Praxis wird die Unterscheidung wohl entbehrlich sein; beispielhaft kann man dies am Fall des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff sehen. Hier hat der Richter bereits erkennen lassen, dass er die Bewirtung an einem der begehrten Oktoberfesttische als sozial üblich bewertet.

Ansonsten mischt der neue Tatbestand Elemente aus den Korruptionsdelikten für Amtsträger und kombiniert sie mit Verfassungsrecht. Dies zeigt sich in der Formulierung, dass die Parlamentarier bei Wahrnehmung ihres Mandats gerade keine Handlungen „im Auftrag oder auf Weisung“ vornehmen dürfen, ein Rückgriff auf Artikel 38 des Grundgesetzes, wonach sie ja an „Aufträge und Weisungen“ gerade nicht gebunden sein sollen, sondern „nur ihrem Gewissen unterworfen“.

Auch dies dürfte bei der Interpretation des Tatbestands durch Gerichte aber eher Lyrik sein, denn natürlich können keine rechtgeschäftlichen Aufträge oder förmliche Anweisungen gemeint sein. So sieht es auch die Begründung für den Gesetzentwurf. Es geht ganz allgemein darum, dass ein Parlamentarier nicht im Willen desjenigen handeln darf, der ihm dafür ganz konkret einen Vorteil zuwendet. Kennzeichnend ist für den Entwurf vor allem das Bemühen, die Strafvorschrift nicht zum Fallstrick für die Parlamentarier werden zu lassen. Deshalb wird noch einmal ausdrücklich klargestellt, was kein „ungerechtfertigter Vorteil“ sein soll: wenn die Annahme „im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mitglieds maßgeblichen Vorschriften steht“. Insbesondere die Annahme von Geld und geldwerten Zuwendungen wird ausgeschlossen. Umgewöhnen müssen sich die Parlamentarier also nicht.

Von der Strafbarkeit ausgeschlossen wird auch eine Handlung, die Volksvertretern näher liegt: wenn jemand sich sein Mandatsverhalten notfalls auch gegen die eigene Überzeugung den Wünschen anderer unterwirft, um sich die Kandidatur für eine Wahl oder ein bestimmtes politisches Amt zu sichern. Derlei politischer Pragmatismus mag vielleicht als anstößig empfunden werden, ein Fall für den Staatsanwalt soll er jedoch nicht werden.

Vor leichtfertiger Strafverfolgung sind die Abgeordneten auch durch die Formulierung abgesichert, dass es bei der Vorteilsannahme gerade um eine „Gegenleistung“ für die Mandatsausübung gehen soll. Damit wird die Unrechtsvereinbarung konkretisiert. Der Vorteil muss für eine bestimmte Handlung quasi im Austausch vorgenommen werden. Vorteile für unbestimmte Handlungen sind straflos. Die berüchtigte „Landschaftspflege“ wird nicht vom Tatbestand erfasst. Und nach dem Parteiengesetz zulässige Spenden sollen ebenfalls nicht als „ungerechtfertigter Vorteil“ gelten.

Der Entwurf dürfte auch Befürchtungen zerstreuen, die Strafbarkeit sei nicht ausreichend bestimmt. Es wird im Einzelfall stark auf Wertungsfragen ankommen, doch der Tatbestand macht klar, dass er die Mandatsausübung im Prinzip schützen und nicht korrigieren will. Abgeordnete des Bundestags dürfen all jenes, was sie bisher auch durften.

Dieser Text erschien in der neuen Beilage "Agenda" des Tagesspiegels. Die "Agenda" erscheint jeden Dienstag in Sitzungswochen des Deutschen Bundestages in der gedruckten Ausgabe des Tagesspiegels sowie im E-Paper und liefert politischen Hintergrund aus dem Innenleben der Macht.

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