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10.083 Euro im Monat bekommen Abgeordnete im Monat.

© dpa/Michael Kappeler

Korruption im Bundestag: Schränkt die Nebenverdienste der Abgeordneten endlich ein!

Abgeordnete des Bundestags sind sehr gut bezahlt, trotzdem verdienen einige Hunderttausende nebenbei. Es ist an der Zeit, das zu verbieten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Inga Barthels

Sind Abgeordnete des Bundestags mit ihrer Tätigkeit chronisch unterfordert? Fast ein Drittel verdient sich nebenher etwas dazu, sei es durch Vorträge, als Steuerberater, Rechtsanwältin oder mit „Beratungstätigkeiten“.

Einige machen dabei hunderttausende bis hin zu Millionen von Euro zusätzlich. Der andauernde Korruptionsskandal der Union hat Rufe nach mehr Transparenz und einer Einschränkung von Lobby-Arbeit laut werden lassen. Über ein Verbot oder zumindest eine Deckelung von Nebenverdiensten spricht aber kaum jemand – warum eigentlich nicht?

Die Aufwandsentschädigung für Abgeordnete ist keinesfalls gering. 10.083 Euro im Monat, das sind über 5000 Euro netto und damit deutlich mehr als doppelt so viel, wie die Deutschen im Durchschnitt verdienen. Dazu kommt eine steuerfreie Aufwandskostenpauschale von monatlich 4.560 Euro und zusätzliche Posten, etwa für Reisen.

Das ist durchaus angemessen. Die Abgeordneten, die ihre Arbeit ernst nehmen, arbeiten oft rund um die Uhr. Sie haben ein offenes Ohr für die Menschen aus ihren Wahlkreisen, lassen sich auf jeder Veranstaltung blicken und bekommen auch viel Hass und Häme ab. Die Sitzungswochen im Bundestag gehen oft in den späten Abend hinein. Außerdem tragen sie eine besondere moralische Verantwortung als gewählte Vertreter:innen des Volkes.

Steht das Mandat im Mittelpunkt der Tätigkeit?

Für diese Abgeordneten müssen sich Nebeneinkünfte von mindestens 391.500 Euro, wie sie etwa der einstige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Berechnungen des Tagesspiegels zufolge im Jahr 2019 anführt, wie blanker Hohn anhören. Aber auch für alle anderen, die schonmal Vollzeit gearbeitet haben und dabei kaum Zeit für sich oder die Familie hatten.

Es fällt schwer sich vorzustellen, nachts oder am Wochenende noch eine Beratungsfirma aufzubauen.  Wie ist es möglich, neben einem Vollzeitjob so viel Geld mit anderen Tätigkeiten zu verdienen?

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Eigentlich gibt es doch nur zwei Optionen: Entweder, diese Abgeordneten vernachlässigen ihr Mandat. Das würde einen Verstoß gegen §44a des Abgeordnetengesetzes bedeuten, der besagt, dass die Ausübung des Mandats „im Mittelpunkt der Tätigkeit“ eines Mitglieds im Bundestag stehen muss. Was genau das heißen soll und wie das kontrolliert wird, ist freilich unklar. Öffentlich gemacht werden Nebenverdienste nur in groben Stufen, anders als beispielsweise in Großbritannien müssen die Abgeordneten auch nicht detailliert ihren zeitlichen Aufwand darlegen.

Gift für das ohnehin angekratzte Image

Die zweite Möglichkeit ist, dass die Abgeordneten nur wenig Zeit in ihre lukrativen Nebentätigkeiten stecken. Dann stellt sich die Frage, wofür sie eigentlich so gut bezahlt werden. Ist es vielleicht gar nicht ihre fachliche Brillanz, sondern der Zugang zu den politischen „Entscheidern“, den sich viele Klientinnen und Auftraggeber erhoffen? Immer wieder haben sich Abgeordnete in der Vergangenheit auf den Webseiten ihrer Kanzleien damit angepriesen, dass sie Mitglied im Bundestag sind – obwohl die Werbung mit dem politischen Amt eigentlich untersagt ist.

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So oder so sind die hohen Nebeneinkünfte Gift für das ohnehin angekratzte Image der Abgeordneten. Natürlich müssen sie nicht gleich Korruption bedeuten. Aber ein grundsätzliches Verbot oder eine Deckelung dürften Korruption deutlich erschweren und es den Abgeordneten ermöglichen, sich wieder voll und ganz auf ihr Mandat zu konzentrieren.

Ausnahmeregelungen könnte es ja immer noch geben, eine Kommission prüfen, ob Nebeneinkünfte in besonderen Fällen erlaubt werden – nachdem die Abgeordneten detailliert geschildert haben, warum es gar nicht anders geht. 

Gysi erwirtschaftete nebenbei 470.000 Euro

Die meisten Politker:innen wollen von einer Deckelung der Nebeneinkünfte nichts wissen. Ex-Minister Thomas de Maizière (CDU), sagte am Sonntag bei „Anne Will“, es sei schlecht, wenn zu viele Abgeordnete im Parlament zu früh „abhängig von Politik“ seien. Diese Abgeordneten seien eher anfällig für Korruption als jene, die „prall im Leben“ stehen.

Ist es schlecht, dass ein Lehrer abhängig vom Lehren ist, eine Pilotin abhängig vom Fliegen? Basiert darauf nicht unser ganzes System? De Maizière hat selbst zahlreiche Nebenjobs, arbeitet unter anderem als Rechtsanwalt.

Viele arbeiten weiter, heißt es oft, damit sie nicht den Anschluss an die Berufswelt verlieren und nach ihrer Zeit im Bundestag wieder in den Job zurückkehren. Das Argument brachte auch Gregor Gysi (Die Linke) vor einigen Tagen im Deutschlandfunk. Er erwirtschaftete 2019 neben seinem Mandat mindestens 271.500 Euro mit Vorträgen, seiner Autobiografie, als Rechtsanwalt - und sitzt seit 16 Jahren im Bundestag.

Juristinnen und BWLer sind ohnehin überrepräsentiert

Natürlich ist es gut, wenn sich auch kundige Unternehmerinnen oder Steuerberater unter den Abgeordneten finden. Aber der Gedanke, dass sich von diesen Menschen niemand mehr dazu herablassen würde, ein Mandat zu übernehmen, wenn sie nicht nebenher Geld verdienen dürften, ist zynisch.

Es mag naiv erscheinen, dass das Parlament wirklich nur aus Menschen besteht, die für die politische Arbeit brennen und bereit sind, vorübergehend „nur“ 120 000 im Jahr zu verdienen. Aber es ist eine Vorstellung, an der man festhalten sollte.

Eine Deckelung der Nebenverdienste könnte sogar zu mehr sozialer Durchmischung im Bundestag führen. Juristinnen und BWLer sind ohnehin überrepräsentiert – für jene, denen ein Mandat ohne Nebeneinkünfte nicht mehr attraktiv vorkommt, würden vielleicht Menschen nachrücken, die wirklich „prall im Leben“ stehen. Krankenpfleger oder Erzieherinnen zum Beispiel. Deren Expertise könnte das Parlament nur bereichern.

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