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Unser Planet.

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Kompromisse beim Klima sind überlebensnotwendig: Die Welt lässt sich nur gemeinsam retten!

Kompromisse in Klimafragen sind nicht peinlich, wenn die Alternative dazu Untätigkeit wäre. Sie sind richtig und überlebenswichtig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Der Klimagipfel von Madrid? Im Ergebnis eine einzige Katastrophe. Ursula von der Leyens „green deal“ für Europa? Eine Worthülse, toller Name, null Inhalt. Die Kommentare zu den jüngsten internationalen Versuchen, die Erderwärmung mit diplomatisch-politischen Übereinkommen zu stoppen, oder wenigsten zu bremsen, reichen von negativ bis zynisch.

Ausnahmen und Blockaden hier wie dort: Im globalen Rahmen steigen die USA aus dem Klimaabkommen von Paris 2020 aus, sieht sich Brasilien von fremden Mächten umzingelt und ausgeplündert, Saudi-Arabien will noch jede Menge Öl verkaufen und Australien hat so viel Kohle. Und in Europa? Polen handelt auf dem Weg zum klimaneutralen Europa lange Fristen und viel Geld aus. Ungarn und Tschechien setzen weiter auf fossile Energieträger, Tschechien propagiert zudem die Atomenergie als eine saubere, weil CO2-neutrale Energiequelle. Der Fortschritt scheint nicht einmal eine Schnecke, wenn es um Klima und Umwelt geht. Was also tun? Resignieren? Trotzig aufstampfen? Im Alleingang das Maximum herausholen?

Alles nicht. Natürlich ist es eine furchterregende Beobachtung, mit welcher Kaltschnäuzigkeit wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel negiert werden. Es ist die alte, nachvollziehbare, menschliche Schwäche, sich unangenehmen Herausforderungen nur dann zu stellen, wenn Handeln unausweichlich ist und die Folgen der Untätigkeit vorhersehbar katastrophal erscheinen. Deshalb bauen die norddeutschen Küstenländer und die Niederländer Deiche und Sperrwehre, denn sie sehen, dass Stürme und steigende Meeresspiegel Realität sind.

Eigene Maximalpositionen revidieren

Brasilien, Australien, Saudi-Arabien und auch die USA glauben, mit dem derzeitigen Zustand noch eine Generation oder mehr gut leben zu können. Und die afrikanischen und asiatischen Staaten, die der fortschreitende Klimawandel zu unbewohnbaren Weltgegenden machen könnte, weil sie entweder überschwemmt oder zur Wüste werden, haben im Konzert der Weltmächte leider wenig Gewicht.

Vor allem Deutschland, vor allem die von Deutschland beeinflussbare europäische Politik, sollte begreifen, dass die oft verachtete Fähigkeit, Kompromisse heraus zu handeln, angesichts divergierender nationaler Prioritäten, der einzige Weg ist. Kompromisse sind niemals peinlich, wenn die Alternative dazu Untätigkeit wäre. Das heißt aber auch, dass man nicht nur anderen die Bereitschaft abverlangt, eigene Maximalpositionen zu revidieren, sondern dass man es auch selber tut. Wir verstehen nur schwer, dass Polen so sehr auf der längeren Ausbeutung der Kohle besteht.

COP26-Präsidentin Claire Perry (l.) mit Ministerkollegen bei der COP25 in Madrid.
COP26-Präsidentin Claire Perry (l.) mit Ministerkollegen bei der COP25 in Madrid.

© Susana Vera/Reuters

Aber das Land hatte nicht so viele Jahrzehnte Zeit wie Deutschland, sich zu einem Hochtechnologiestandort zu entwickeln. Wir halten Tschechiens Position, die Atomkraft als saubere Energiequelle zu definieren, für leichtfertig – und übersehen ganz, dass unser wichtigster europäischer Partner, Frankreich, genau diese Position auch vertritt. Außer Deutschland gibt es kein entwickeltes Land, das glaubt, gleichzeitig auf Kohle, Atomenergie und Erdöl verzichten zu können. Nur Deutschland meint, seine energiepolitische Zukunft und die Versorgung des ganzen Landes mit Strom nur noch von Wind, Sonne, russischem Erdgas und ein wenig Wasserkraft abhängig machen zu können.

Nicht alle sind so kurzsichtig wie Donald Trump

Man kann das durchaus auch leichtfertig nennen. So, wie wir es für unverantwortlich halten, weiter auf Atomkraft oder Kohle zu setzen. Dieses Verhalten erinnert fatal an das von Richard Wagner überlieferte Zitat, Deutschsein hieße, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun. Vielleicht ist es also ganz heilsam, bei einer Konferenz wie der in Madrid oder beim Aushandeln des Green Deals für Europa zu spüren, dass auch andere Staaten kluge Überlegungen zur Sicherung ihrer Zukunft anstellen.

Nicht alle sind so kurzsichtig wie Donald Trump. Keine Regierung eines europäischen Landes zweifelt an den Gefahren des Klimawandels, man kann durchaus gemeinsam handeln. Vielleicht hilft uns in Europa ein Blick nach Frankreich. Deren Präsident steht an der Spitze eines fortschrittgläubigen Landes, das technologisch auf vielen Gebieten Deutschland zeigt, was möglich ist, ohne in radikalen Positionen zu verharren. Beide Ländern zusammen könnten durchaus wieder Vorreiter sein - warum nicht diesmal in der Klimapolitik?

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