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Die Grundsteuer muss reformiert werden.

© Oliver Berg/dpa

Kompromiss von Bund und Ländern: Was zur Grundsteuer schon feststeht – und was noch offen ist

Nach der Teileinigung von Bund und Ländern bei der Grundsteuerreform herrscht nun mehr Klarheit, wohin die Reise gehen kann. Ein Überblick.

Am vorigen Freitag hat sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit seinen Länderkollegen auf einen Kompromiss bei der Grundsteuerreform verständigt. Richtig glücklich wirkten die Beteiligten nicht. Die Materie hat sich als etwas komplexer erwiesen als manche dachten, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Erhebung der Steuer im Mai als verfassungswidrig einstufte – weil angesichts der völlig veralteten Basiswerte von 1964 (West) und 1935 (Ost), die der Besteuerung zugrunde liegen, zu große Abweichungen zu den tatsächlichen Werten bestünden.

Als Scholz dann im November sein Modell vorstellte, war viel Zeit vergangenen. Nun herrscht Druck, weil nach dem Karlsruher Urteil die Neufassung bis Ende 2019 vorliegen muss, auch wenn die Steuer auf neuer Grundlage erst ab 2025 erhoben werden wird. Der Vorschlag von Scholz, eine weiterhin wertbasierte Steuer, stieß auf breite Kritik. Die Unionsfraktion im Bundestag, Bayern, die FDP und die Immobilien- und Vermieterlobby waren aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen, weil sie ein Modell wollen, das nicht wertabhängig und allein an Flächen orientiert ist. Skeptisch äußerten sich auch die Mieterverbände, den Ländern war das Modell zu aufwändig (sie wollen nicht zu viele Finanzbeamte damit binden). Zustimmung kam vor allem von den Sozialdemokraten.

Wie sieht der Zwischenkompromiss vom Freitag konkret aus?

Das Scholz-Modell einer wertabhängigen Steuer hatte fünf Parameter: Bodenrichtwert, Nettokaltmieten (tatsächliche bei Vermietung, fiktive anhand statistischer Richtwerte bei Eigentümern), Alter der Gebäude, Grundstücksfläche und Nutzfläche. Der Finanzminister wollte, eine Gerechtigkeitsfrage, alle einer Einzelbewertung unterwerfen – bei etwa 35 Millionen Objekten keine einfache Sache, auch wenn alle Daten, die das Scholz-Modell braucht, in der Regel schon vorliegen.

Die Länder machten aber nicht mit und setzten durch, dass statt Einzelbewertung nun eine dreifache Pauschalierung greifen soll. Zum einen werden immer die sogenannten Listenmieten angewendet, die das Statistische Bundesamt aus dem Mikrozensus ableitet. Die Ausnahme: Liegen Nettomieten deutlich unter diesen durchschnittlichen Mieten in einer Kommune, dann können tatsächlich gezahlte Mieten herangezogen werden.

Beim Alter der Gebäude wird beim Altbestand pauschaliert: Baujahre vor 1948 werden als einheitlicher Wert genommen. Und beim wichtigsten Wertmaßstab, dem Bodenrichtwert – er reicht in Berlin in nachgefragten Innenstadtvierteln bis zum Fünffachen des Werts in Vorstadtrandgebieten -, wird durch die Möglichkeit, in Städten größere Zonen zu bilden, pauschaliert. Gleiches gilt für „Ortsdurchschnittswerte“ in kleineren Kommunen. Das macht die Sache für die Verwaltung einfacher, dämpft aber gegebenenfalls auch zu große innerörtliche Wertspreizungen. Bei Objekten in Mischnutzung und reinen Geschäftsgrundstücken, bei denen Mieten keine Rolle spielen, soll es ein vereinfachtes Sachwertverfahren geben.

Wie wird die Steuer ermittelt?

Es bleibt beim Vorgehen wie bisher. Die Werte und Flächen werden ermittelt und zu einem Einheitswert zusammengefügt, der sodann mittels der einheitlichen Steuermesszahl – sie soll bei 0,325 Promille (bisher 3,5 Promille) liegen – erheblich verringert wird, worauf die Kommunen autonom einen Hebesatz bestimmen, über den die Steuersumme bestimmt wird. Ein Beispiel: Grundstück und Immobilie werden auf 500.000 Euro taxiert, mittels der Steuermesszahl ergibt sich ein Basiswert von 162 Euro, der dann mit dem Hebesatz multipliziert wird. In Berlin liegt der aktuell bei 810 Prozent. Man würde dann bei etwa 1300 Euro im Jahr landen.

Da das erklärte Ziel die Aufkommensneutralität ist, gehen Scholz und die Landesminister davon aus, dass die Hebesätze der Kommunen in einem letzten Anpassungsschritt gegebenenfalls entsprechend verringert werden. Die Steuer soll insgesamt, also bundesweit, nicht mehr erbringen als jetzt. 2018 waren es knapp 14 Milliarden Euro.

Im Bundesfinanzministerium ist man sicher, dass Mehrbelastungen sich im Rahmen halten werden – von einer höheren zweistelligen Summe im Jahr ist die Rede. Mehr Steuer dürften insbesondere Eigentümer und Mieter in Vierteln und Regionen zahlen müssen, in denen die Immobilienwerte zuletzt stark gestiegen sind. In Berlin kommt hinzu, dass aufgrund der bisherigen Niedrigbewertung in den Ost-Stadtteilen vor allem dort mit höheren Zahlungen zu rechnen ist. Aber dann eben auch eher in Friedrichshain oder Mitte als in Marzahn oder Köpenick.

Wird die Entscheidung vom Freitag so umgesetzt?

Das ist offen. Dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unzufrieden ist, war zu erwarten. Der Freistaat ist für ein reines Flächenmodell, also für die Abkehr von der wert- und damit vermögensbasierten Steuer. So begann auch das Gesetzgebungsdesaster bei der Erbschaftsteuer – die CSU machte es zum Koalitionsthema, am Ende sah der Kompromiss völlig anders aus. Allerdings hat die CDU im Bundestag vorsichtige Zustimmung anklingen lassen. Fraktionsvize Andreas Jung begrüßte die Pauschalierungen. Sie kommen der Forderung der Union nach einem „Einfachmodell“ entgegen. Allerdings gibt es wohl noch Gesprächsbedarf bei der Bewertung von Gewerbeimmobilien.

Warum soll es unbedingt ein wertabhängiges Modell sein?

Aus zwei Gründen. Zum einen gilt es als die gerechtere Lösung, weil höhere Werte auch höher besteuert werden können. Hier wirkt die Grundsteuer praktisch wie eine kleine Vermögensteuer. Insbesondere der SPD ist das wichtig, auch Grüne und Linke befürworten ein Wertmodell. Es ist näher am Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Der zweite Grund ist ein verfassungsrechtliches Risiko: Der Bund hat nach Ansicht mancher Juristen nach der aktuellen Verfassungslage, die auf eine Grundgesetzreform von 1994 zurückgeht, nur noch die Gesetzgebungszuständigkeit, wenn an die bisherige wertbasierte Grundsteuer angeknüpft wird. Ein Neuansatz ohne Wertkomponente, wie bei einer reinen Flächensteuer, würde dagegen die Zuständigkeit der Länder auslösen. Das ist zwar umstritten, aber es könnte eben zu Klagen in Karlsruhe führen.

Verfassungsrechtlich ist man allerdings auch mit dem pauschalierten Wertmodell keineswegs auf der sicheren Seite. Der Potsdamer Rechtsprofessor Thorsten Ingo Schmidt sagte dem Tagesspiegel, dass bei einer dreifachen Pauschalierung – Nettomieten, Alter, Bodenwertzonierung – ein gewisses Risiko bestehe, wieder in Karlsruhe zu landen. Zum Beispiel wegen der aus Sicht von Schmidt fragwürdigen Festlegung des Jahres 1948 als Datum für die Alterspauschalierung. Es gebe schließlich viele Immobilien aus den 1930er-Jahren, die wenig wert seien, wohl aber viele Gründerzeitbauten, die sehr gesucht und damit wertvoll seien. Neubauten werden künftig höher besteuert als Altbauten.

Wie steht es mit der reinen Flächensteuer?

Sie wird von ihren Befürwortern als die gerechtere Steuer propagiert, eben weil sie nicht auf Werte und damit Vermögen zurückgeht. Vor allem in Großstädten würden mit einer Flächensteuer die deutlichen Spreizungen, die sich aus der Entwicklung auf dem Immobilienmarkt gerade im letzten Jahrzehnt ergeben haben, nivelliert. Auch für Mieter in begehrten Großstadtlagen ist das relevant, falls es bei der Mieterumlage bleibt. Um die Umlage dürfte es in der Koalition noch Streit geben, denn die Union will an ihr festhalten, die Sozialdemokraten liebäugeln - wie Linke und Grüne - mit ihrer Abschaffung. Andererseits werden beim Flächenmodell aber auch gleiche Grundstücksgrößen gleich besteuert – der Millionär in Zehlendorf so hoch wie der mittlere Angestellte in Spandau. Das wird von vielen Bürgern wiederum als ungerecht empfunden.

Und es besteht eben das Risiko der fehlenden Bundeszuständigkeit. Allerdings wären unterschiedliche Grundsteuergesetze in den Ländern wohl kein allzu großes Problem: Schon jetzt gibt es wegen der unterschiedlichen kommunalen Hebesätze erhebliche regionale Unterschiede. Im Schnitt liegen sie (Stand Ende 2017) in Schleswig-Holstein bei 390 Prozent, in Sachsen bei 495 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 567 Prozent. Nimmt man die Kommunalebene, reichen die Hebesätze von 80 Prozent (Ingelheim am Rhein) bis 960 Prozent (Nauheim).

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