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Nicht Bauvorhaben, Müllabfuhr, Kitaplätze, Schul- und Schwimmbadschließungen prägen den niedersächsischen Kommunalwahlkampf, sondern eher auf globale Probleme und Gefühle.

© Sebastian Gollnow/dpa

Kommunalwahlen in Niedersachsen: Lokal global

In Niedersachsen werden die lokalen Parlamente und viele Bürgermeister neu gewählt – viele Parteien setzen dabei auf eher allgemeine Themen und Stimmungen.

Warum nicht die globale Perspektive? „Deutsche Weltherrschaft“, fordert „Die Partei“ auf ihren Plakaten zur niedersächsischen Kommunalwahl am kommenden Sonntag. „Jeden Freitag von 9–17 Uhr“, lautet darunter die kleine Einschränkung. Dahinter steckt die Spaßtruppe des Satirikers Martin Sonneborn, der es immerhin ins Europaparlament geschafft hat.

Insgesamt 22 Parteien bewerben sich am kommenden Sonntag landesweit um die 29116 Sitze in 2125 Kommunalvertretungen. Wählen dürfen 6,455 Millionen Niedersachsen, darunter 302.000 nichtdeutsche EU-Bürger und 162.000 16- und 17-Jährige. Eine Sperrklausel wie die Fünf-Prozent-Hürde gibt es bei der Kommunalwahl nicht.

Auch die ernst auftretende Konkurrenz der „Partei“ entfernt sich mit vielen ihrer Slogans und Botschaften recht weit weg vom Alltagsgeschäft und den Befugnissen der Gemeinderäte und Kreistage: Die Linke will den Reichtum besteuern und die Macht der Banken beschneiden, die AfD die deutschen Grenzen schließen und EU-Pleitestaaten nicht länger unterstützen. Während die Grünen mit Schweinen und Sonnenblumen auf Agrarwende („Saurichtig“) und Naturschutz („Ja, Klima!“) setzen, probieren es die drei anderen im Landtag Niedersachsens vertretenen Parteien mit Porträts ihrer Kandidaten und deren persönlicher Kompetenz: „Für den Rat. Zuhören. Ernstnehmen. Anpacken“ will die SPD; „Zeit für Veränderungen“ beschwört die CDU; „Deutschland wird vor Ort entschieden“, meint die FDP. Die Piraten in Hannover, derzeit mit einem Sitz im Stadtparlament, machen sich für mehr direkte Demokratie stark: „Wir fragen dich vorher“ – und illustrieren das in der Leine-Metropole ausgerechnet mit einem Bild der Hamburger Elbphilharmonie.

Drei von Landeswahlleiterin Ulrike Sachs zugelassene Parteien treten trotzdem nirgendwo an, weil sie keine Kandidaten auftreiben oder wie die Republikaner nicht die notwendigen Unterstützer-Unterschriften zusammenbekommen konnten. Das gelang mancherorts auch der AfD nicht, die etwa in Osnabrück nicht auf Stimmenfang gehen darf. Gleiches gilt für Hameln, wo sich AfD-Sympathisanten wegen des Verdachts auf Wahlfälschung Ärger mit der Staatsanwaltschaft Hannover eingehandelt haben. Während die CDU 21165 und die SPD 19437 Bewerber ins Rennen schickt, konnten die Rechtspopulisten lediglich 740 Kandidaten mobilisieren. Auf den Listen unabhängiger Wählergruppen stehen 12928 Namen.

Aber die etablierten Parteien sehen mit Sorge auf die AfD – erst recht nach deren 20-Prozent-Erfolg bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. „Die Ergebnisse zu übertragen, ist etwas weit hergeholt“, meint CDU-Landtagsfraktionschef Björn Thümler vorsichtig. Aber man müsse das Protestverhalten der Wähler ernst nehmen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) beschwört die Vernunft seiner Landsleute: „Die Niedersachsen sind ein abgewogener, nüchterner Schlag Menschen.“ Natürlich werde es auch hier Stimmen für die AfD geben, „aber sehr viel weniger“ als im Nachbarland, hofft er. Als Fingerzeig für die Landtagswahl 2018 mag keine der großen Parteien den Urnengang verstehen. „Rückschlüsse“, heißt es vorsorglich bei der CDU, und fast wortgleich bei der SPD, „sind sicher nicht zulässig.“

Neben den Kommunalparlamenten – von der Regionsversammlung Hannover bis zu den Gemeinde- und Ortsräten – bestimmen die Bürger am Sonntag in den sechs Kreisen Göttingen, Helmstedt, Hildesheim, Leer, Peine und Wittmund auch ihre Landräte sowie in 18 Städten und Gemeinden und in 13 Samtgemeinden ihre Bürgermeister direkt neu. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Residenzstadt Celle, wo Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende (SPD) sein Amt gegen den CDU-Herausforderer Jörg Nigge und die von einer unabhängigen Wählerinitiative aufgestellte Rechtsanwältin Alexandra Martin verteidigen muss. Das Rennen in der früheren CDU-Hochburg gilt als völlig offen. Für den Schlussspurt in der 70.000-Einwohner-Stadt am Südrand der Heide sind am Mittwoch sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und am Donnerstag Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) angerückt. CDU-Mann Nigge hatte schon für bundesweites Aufsehen gesorgt, weil er einige Teile seines Wahlprogramms bei der heutigen Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) abgekupfert hatte. Gute Ideen würden dadurch ja nicht schlechter, konterte der Kandidat.

Mit verspäteten Listen und vertauschten Stimmzetteln hatten die Wahlkämpfer auch zu hadern. So hatte Hannovers CDU-Chef Dirk Toepffer gewettert: „An der ordentlichen Vorbereitung und Durchführung dieser Wahl habe ich mittlerweile ernsthafte Zweifel.“ Das Wahlamt hatte Briefwählern Unterlagen zugeschickt, die nicht zu deren Wahlbezirken passten – und die SPD hatte eine korrigierte Kandidatenliste zu spät abgegeben. In Bad Bevensen führte der gleiche Fehler der Grünen, die dort mit Martin Feller den Bürgermeister stellen, dagegen zum kompletten Ausschluss von der Wahl. „Man glaubt sich in einer Bananenrepublik“, schimpfte Toepffer – wie in der weiten Welt eben.

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