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Eine NGO-Delegation der Herero und Nama aus Namibia trifft den Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

© RubyImages/F. Boillot

Kolonialverbrechen in Namibia: Berliner Justizsenator bittet Herero und Nama um Entschuldigung

Dem Vernichtungsfeldzug deutscher Truppen fielen in Namibia einst hunderttausend Menschen zum Opfer. Senator Dirk Behrendt kritisiert den Umgang der Bundesregierung mit den Herero und Nama scharf.

Mehr als 100 Jahre haben sie darauf gewartet. Jetzt bekamen Vertreter der Herero und Nama aus Namibia die erlösenden Worte endlich zu hören – aus dem Mund des Berliner Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne). „Ich will um Entschuldigung bitten“, sagte er am Montag vor Gästen aus Namibia. Damit hat sich erstmals ein Politiker in der deutschen Hauptstadt für den Völkermord an den Herero und Nama entschuldigt, den kaiserliche Truppen zwischen 1904 und 1908 in der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ begangen haben. Hunderttausend Einheimische fielen dem Vernichtungsfeldzug damals zum Opfer.

"Trauerspiel des Verschweigens"

Behrendt ist der zweite deutsche Senator, der sich für den Genozid entschuldigt. Im vergangen Jahr hatte bereits der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD) „ausdrücklich um Vergebung“ für die Beteiligung seiner Stadt an den Kolonialverbrechen gebeten.

Der Grünen-Politiker Behrendt forderte nun die Bundesregierung auf, ebenfalls Abbitte zu leisten. „Die Zeit ist auf jeden Fall reif dafür“, sagte er. Die Bundesregierung müsse das „Trauerspiel des Verschweigens“ beenden und den „Nachfahren entgegenkommen“. Gemeint sind Menschen wie die namibische Politikerin Ida Hoffmann, die Behrendt nun zu sich eingeladen hat. „Wir wollen einen runden Tisch“, forderte sie. Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Seit 2015 verhandeln die Regierungen von Deutschland und Namibia über eine mögliche Aussöhnung – allerdings hinter geschlossenen Türen. Die wichtigsten Opfer-Verbände sind von den Gesprächen ausgeschlossen. „Das ist sehr schmerzhaft für uns“, sagte Esther Muinjangue, die Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committee.

Zumindest einem Teil der Verantwortung möchte sich die Bundesregierung jetzt aber stellen. Am Mittwoch findet im Französischen Dom in Berlin eine Zeremonie statt, in der menschliche Überreste aus dem Völkermord an eine Delegation aus Namibia überreicht werden. Die Schädel, Knochen und Hautstücke waren vor mehr als 100 Jahren zur „Rasseforschung“ nach Deutschland gebracht worden. Über die geplante Rückgabe der Gebeine sagte Michelle Müntefering (SPD), Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt: „Für Deutschland geht es um das Schließen einer erinnerungspolitischen Gedächtnislücke.“

Mahnwache für die Genozid-Opfer

Doch um die Veranstaltung gibt es heftigen Streit. Denn auf der Gästeliste stehen nur solche Opfervertreter, die der Regierung in Windhuk nahestehen. Unabhängige Aktivisten seien von der Zeremonie dagegen „komplett ausgeschlossen“, wie Christian Kopp vom Verein „Berlin Postkolonial“ klagte. Auch ihr Name sei von der Liste gestrichen worden, sagte die Aktivistin Muinjangue. „Eine Erklärung habe ich dafür nicht bekommen.“

Ein Grund könnte sein, dass die Bundesregierung und die namibische Botschaft einen Eklat wie bei der Rückgabe einiger Schädel im Jahr 2011 verhindern wollen. Damals kam es zu Protesten verärgerter NGO-Vertreter, die eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord forderten. Das wollen die ausgeladenen Aktivisten diese Woche wieder tun – mit einer Mahnwache vor den Toren des Französischen Doms.

Um die Forderung nach einer Entschuldigung geht es auch in einer Klage, die Herero- und Nama-Vertreter 2017 vor einem New Yorker Gericht gegen die Bundesregierung eingereicht haben. Damals zog der Berliner Justizsenator Behrendt noch den Unmut der Aktivisten auf sich. Nachdem die Klageschrift aus New York bei ihm eingegangen war, weigerte er sich, das Schreiben an die Bundesregierung weiterzureichen – aus „formaljuristischen Gründen“, wie er jetzt betonte. Dass er nun um Entschuldigung gebeten hat, kam bei den Herero- und Nama-Vertretern umso besser an. Das gleiche wünscht sich Esther Muinjangue von der Bundesregierung. „Verlangen wir zu viel?“, fragte sie in Richtung Kanzleramt – und fügte hinzu: „Ich denke nicht!“

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