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Nordrhein-Westfalen, Pulheim: Wasserdampf quillt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Niederaußem. Das Spitzentreffen zum Kohleausstieg im Kanzleramt an diesem Dienstagabend dient nach Angaben der Bundesregierung vor allem der Abstimmung mit den betroffenen Ländern und der Kohlekommission.

© Federico Gambarini/dpa

Kohleausstieg: Klimaschutzgesetz? Warum Unternehmer dafür sind

Unternehmen in Deutschland müssen den Bericht der Kohlekommission nicht fürchten, schreibt der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto-Group. Ein Gastbeitrag.

Die Erwartungen in punkto Klimaschutz an die große Koalition sind hoch, vielleicht zu hoch. Denn das große Projekt der gesellschaftlichen Transformation hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft ist ein gewaltiges Vorhaben und bedarf eines gemeinsamen politischen Willens und ebenso klarer Entscheidungen. Dazu zählt – so schmerzlich das für manche klingen mag - ein Verzicht auf fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung. Ohne den Ausstieg aus der Kohle wird Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2050 nicht nachkommen können. Verliert Deutschland seine Vorreiterrolle, verliert es seine Innovationskraft und wirtschaftliche Dynamik.

In diesem Kommissions-Verfahren liegt eine große Chance

Wie und vor allem bis wann der Ausstieg umgesetzt wird, darauf konnte sich die Koalition bislang nicht einigen. Stattdessen wurde eine Kommission damit beauftragt, ein Datum für den Ausstieg aus der Kohle festzulegen und einen Zeitplan mit operativen Schritten zu erarbeiten. Nun soll Anfang Februar die so genannte Kohlekommission ihren Bericht vorlegen. Klar ist: Wie ambitioniert der Kommissionsbericht wird und wie die Politik mit den Ergebnissen umgeht, wird zur Bewährungsprobe, wie ernst wir es in Deutschland mit dem Klimaschutz nehmen.

In diesem Kommissions-Verfahren liegt eine große Chance: Denn der Kohleausstieg kann nur gemeinsam und nicht gegen eine einzelne Interessengruppe gelingen. Das haben zuletzt die Proteste im Hambacher Forst wieder deutlich gemacht. Die Mitglieder der Kommission wird es daher viel Kraft kosten, einen Kompromiss zu finden, aber sie werden sich daran messen lassen müssen, welchen Beitrag sie für die Zukunft geleistet haben. Und zwar nicht mit Blick auf die jeweils eigene Klientel, sondern mit Blick auf die gesellschaftliche Transformation, die wir dringend gemeinsam gestalten müssen. Die Chance ist da, dass die Empfehlungen der Kommission zu einem Meilenstein werden können. Ein nochmaliger Aufschub, wie zuletzt über den Jahreswechsel, wäre dafür kontraproduktiv. Denn sonst läuft die Kommission Gefahr, dass ihre Arbeit von den anstehenden Landtagswahlen überlagert, verwässert und wirkungslos wird.

Professor Michael Otto ist Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group und Präsidiumsvorsitzender der Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz.
Professor Michael Otto ist Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group und Präsidiumsvorsitzender der Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz.

© Sven Hoppe / dpa

Für die Wirtschaft hat der Klimaschutz eine große Bedeutung: Frühzeitig erkannt, ist er wichtiger Treiber von Innovationen und zukunftssicherer Dynamik, und er schafft neue, bedeutende, weltweite Märkte. Allein technologisch dürfen wir den Anschluss an die dynamischen Märkte vor allem in Asien nicht verlieren.

Umso wichtiger sind klare Entscheidungen der Politik über die Rahmenbedingungen. Deutschland war hier international einmal angesehener Musterschüler für eine umfassende Energiewende, ist in den letzten Jahren aber deutlich zurückgefallen. Die Signalwirkung ist ernüchternd: Von den Klimazielen für 2020 hat man sich verabschiedet und für 2030 bedarf es zunehmend radikaler Maßnahmen, um das angestrebte Ziel von 55 Prozent Emissionsreduktion noch umsetzen zu können.

Die meisten Unternehmen in Deutschland müssen keine Angst vor Strukturveränderungen haben

Entschiedenes Handeln der Politik ist nun gefragt – Hand in Hand mit der Wirtschaft und allen anderen Stakeholdern. Ich bin überzeugt, dass die meisten Unternehmer in Deutschland die Digitalisierung, die globale Arbeitsteilung und auch den Klimaschutz als Chance erkennen. Dahinter steckt die Zuversicht, dass Zukunft nur gestaltet werden kann, wenn man die technologischen und kulturellen Herausforderungen rechtzeitig und mutig annimmt. In Deutschland haben wir neben den großen Konzernen auch einen stark ausgeprägten Mittelstand, der bereit ist, die gesellschaftliche Transformation als Chance zu erkennen und zu gestalten. Viele gute Beispiele bezeugen das. In dieser Bereitschaft liegt ein enormes Potenzial, das bislang noch nicht ausgeschöpft ist. Ebenso fehlen wirkungsvolle Anreize für klimafreundliche Maßnahmen. Viele Unternehmen stehen bereit, die gesellschaftliche Transformation als Chance zu erkennen!

In unsicheren Zeiten wie diesen ist ein klarer Kompass unerlässlich. Wenn wir unserem Planeten nicht weiter Schaden zufügen wollen, müssen wir unsere Lebensweise hinterfragen und sie anpassen, wo immer es möglich ist. Ich setze daher große Hoffnungen auf das Klimaschutzgesetz, das dieses Jahr beschlossen werden soll. Richtig ausgestaltet, kann es zu einem wichtigen Signal an die Wirtschaft und die Gesellschaft, aber auch an die internationale Gemeinschaft werden: Dass wir in Deutschland die Weichen stellen, um unsere Verpflichtungen einzuhalten und alle gesellschaftlichen Kräfte daran mitwirken. So könnten wir auch das Vertrauen zurückgewinnen, das uns einst als Vorreiter in der Energiewende entgegengebracht wurde. Ich wage die These, dass die allermeisten Unternehmen in Deutschland keine Angst vor Strukturveränderungen haben. Aber sie haben Sorge, dass sie mit ihren unternehmerischen Entscheidungen alleingelassen werden. Und das sollte die Politik beherzigen. Denn ohne den Beitrag der Wirtschaft wird die Politik die Klimaziele nicht erreichen können.

Für den Schutz unseres Klimas werden die nächsten Jahre entscheidend sein. Die Ergebnisse der Kohlekommission und das Klimaschutzgesetz müssen tragende Säulen der deutschen Klimaschutzpolitik werden. Dafür müssen sie ambitioniert und wirkungsvoll, aber auch langfristig berechenbar sein, damit die Wirtschaft ihr klimaschützendes Potenzial nutzen kann und die deutsche Klimapolitik international wieder glaubwürdig dasteht. Ein investitionsrelevanter CO2-Preis darf dabei nicht fehlen. Das Klimaschutzgesetz sollte aufzeigen, wie der gesellschaftliche Wandel in einem hoch entwickelten Industriestaat gelingen kann, und zwar nicht gegen, sondern mit den Unternehmen. Der Ausstieg aus der Atom- und der Kohleenergie ist zweifelsfrei ein großer Schritt, aber er ist machbar, wenn die wichtigsten gesellschaftlichen Kräfte gemeinsam an einem Strang ziehen. Dafür ist die Strukturkommission ein vielversprechendes Format. Gelingt dieses Experiment, dann hat Deutschland gute Voraussetzungen für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz, das auch international eine hohe Strahlkraft haben wird.

Professor Michael Otto ist Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group und Präsidiumsvorsitzender der Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz.

Michael Otto

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