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Donald trump auf dem Weg zu einem Golfturnier.

© imago images/UPI Photo

Könnte erneute Kandidatur verhindern: Das Impeachment von Trump ist so nötig wie riskant

Ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ist nötig, aber hochproblematisch und muss gut vorbereitet werden. Sonst droht ein Desaster. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Am Montag haben die Demokraten den Antrag auf ein erneutes Amtsenthebungsverfahren in das Repräsentantenhaus eingebracht. Am Mittwoch soll beschlossen werden. Dann ist Donald Trump der erste Präsident, der sich einem zweiten Impeachment stellen muss.

Der Drang, ihn zur Verantwortung zu ziehen, ist verständlich. Er ist der geistige Brandstifter hinter dem Sturm auf das Kapitol. Ein Regierungschef, der immer wieder zum Widerstand gegen die Institutionen der Demokratie und des Rechtsstaats aufruft.

Aber ist der nachvollziehbare Schritt auch klug? Gute pragmatische und gute juristische Argumente sprechen dagegen. Und ein zukunftsgerichtetes Argument dafür.

Eine Amtshebung, nachdem er das Amt verlassen hat

Selbst wenn das Verfahren zügig vorangetrieben wird und erfolgreich endet, kommt der Abschluss, erstens, zeitlich zu spät. Am 20. Januar endet Trumps Amtszeit ohnehin. Bis dahin ist keine Verurteilung durch den Senat zu erwarten. Welchen Sinn hat eine Amtsenthebung, die erst wirksam wird, wenn Trump sowieso nicht mehr Präsident ist?

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Zweitens sind die Erfolgsaussichten gar nicht so eindeutig, wie die Betreiber des Verfahrens tun. Die Anklage lautet "incitement of insurrection": Aufruf zum Aufstand. Aber können die Ankläger das beweisen? In der Rede am vergangenen Mittwoch Mittag vor dem Sturm auf das Kapitol hatte Trump zum friedlichen Protest aufgerufen, nicht zum bewaffneten Widerstand. Und wo sind die Belege, dass Trump oder sein unmittelbares Umfeld sich mit den Aufrührern koordiniert oder ihnen Anweisungen gegeben hat?

Und was, wenn er erneut freigesprochen wird?

Impeachment ist zwar ein politisches Verfahren. Aber im Ablauf folgen Anhörungen und Beweisaufnahme im Senat den Anforderungen an einen Strafprozess. Wenn die Vorwürfe nicht belegt werden können und Trump wegen Mangels an Beweisen freigesprochen würde - ein zweites Mal wie beim Impeachment wegen der Ukraine-Affäre -, wäre dies ein Desaster. Und ebenso, wenn er verurteilt würde, aber der öffentliche Eindruck entstünde, das Urteil habe vor Beginn des Impeachments festgestanden - unabhängig davon, ob sich das angeklagte Vergehen belegen lässt.

Im Senat müssten zudem zwei Drittel der Senatoren für die Amtsenthebung Trumps stimmen. Dazu käme es - auch wenn die Anklage jetzt im Repräsentantenhaus erfolgt - erst im neuen Senat, in seiner dann aktuellen Zusammensetzung: Einem Patt mit je 50 Senatoren der Demokraten und der Republikaner und unter demokratischem Vorsitz, da die demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt, also auch bei der Wahl der Senatsführung.

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Mindestens 17 Republikaner müssten mit den 50 Demokraten stimmen, um die 67 von 100 Stimmen zu erreichen, die für eine Verurteilung Trumps nötig sind. Das ist möglich, wenn die Beweise für Trumps Verschulden erdrückend sind. Denn dann steigt der Druck der öffentlichen Meinung auf die Republikaner. Ist die Beweislage hingegen schwach und zweifelhaft, sinken die Erfolgschancen.

Die Pro-Argumente: doppelte Prävention

Zwei entscheidende Argumente sprechen freilich für das Impeachment. Ungeheuerliches ist geschehen: der bewaffnete Angriff auf das Parlament, das Herz der Demokratie. Das gleicht einem Zivilisationsbruch. Die Tat wiegt so schwer, dass die Täter - die geistigen wie die faktischen öffentlich verurteilt werden sollten. Dies dient auch der Vorbeugung gegen Wiederholung.

Zweitens würde Trump, wenn er verurteilt wird, mit einem Verbot belegt, sich künftig für öffentliche Ämter auf Bundesebene zu bewerben. Eine Präsidentschaftskandidatur 2024 wäre ausgeschlossen. Auch dies dient der Abschreckung von Politikern, die sich überlegen, wie sie Trumps populistischen Erfolg kopieren können. Auf paradoxe Weise könnte dieser Nebeneffekt manche Republikaner motivieren, für Trumps späte Amtsenthebung zu stimmen. Zum Beispiel diejenigen, die 2024 selbst für das Präsidentenamt kandidieren möchten.

Unter dem Strich ist das Vorhaben des zweiten Impeachments eine zwiespältige Angelegenheit und kein Anlass für "Hurra-Verfassungspatriotismus". Die Anklage muss minutiös vorbereitet werden. Nachlässigkeit bei der Beweisführung können sich die Befürworter nicht erlauben.

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