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Gedankenspiel. SPD-Chef Martin Schulz will eigentlich öffentlich nicht über Koalitionsoptionen sinnieren. Nun schlug er versöhnliche Töne gegenüber der FDP an.

© B. Thissen/dpa

Koalitionsoptionen: Achtung an der Ampel

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz denkt laut über ein Bündnis mit FDP und Grünen nach – das ist nicht ohne Risiko.

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Eigentlich waren sie sich einig. Keine Debatten über Koalitionsoptionen im Wahlkampf, stattdessen ganz auf die eigene Stärke bauen – das war die Linie, auf die sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und die engere Parteiführung verständigt hatten. Über die Machtoption Rot-Rot-Grün sollte öffentlich so wenig wie möglich geredet werden, um skeptische Bürger nicht zu verprellen.

Dann kam die Saarland-Wahl, bei der die Angst vor einem Linksbündnis die Wähler in Scharen zur CDU und ihrer populären Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer trieb. Seither gilt „R2G“, wie Genossen das Bündnis mit Linkspartei und Grünen nennen, vielen in der SPD als Rezept für Misserfolg. Und Parteichef Schulz, der bis dahin noch die Nähe von Oskar Lafontaine suchte, umwirbt nun eifrig die FDP und deren Chef Christian Lindner.

Er finde es „bemerkenswert“, dass Lindner keinen Steuerwahlkampf führen wolle, lobte Schulz jetzt im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Mit dem FDP-Chef werde er sich „bestimmt auch mal treffen“. Schließlich habe es in der Geschichte der Bundesrepublik schon ein Beispiel dafür gegeben, wie lohnend eine Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Liberalen sein könne: die sozialliberale Koalition der Jahre 1969 bis 1982. Dieses Bündnis habe Deutschland „ganz sicher moderner und demokratischer“ gemacht, urteilte Schulz, der alles liest, was er über die damaligen SPD-Führungsfiguren Brandt, Schmidt und Wehner in die Hände bekommen kann.

Wie immer, wenn ein SPD-Vorsitzender neue Botschaften in die Welt setzt, meldete sich auch Thomas Oppermann zu Wort, um dem Chef beizuspringen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende sprach von „Überschneidungen“ bei manchen Themen mit der FDP, jener Partei, die Sozialdemokraten bis vor Kurzem noch als Hort eines kaltherzigen Neoliberalismus geschmäht hatten. „Herr Lindner bemüht sich, nicht länger am Rockzipfel von Frau Merkel zu hängen und Brücken zu anderen Parteien aufzubauen“, sagte Oppermann der „Rheinischen Post“: „Das finde ich richtig.“

Die Basis ist nicht begeistert

Die abrupte Hinwendung zur FDP stößt nicht überall in der SPD auf Begeisterung. Die Fans von Rot-Rot-Grün, die seit Monaten in Gesprächsrunden mit Abgeordneten von Linken und Grünen Gemeinsamkeiten ausloten, stehen auch nach der Saarland-Wahl weiter zu ihrem Projekt. Für den 25. April ist ein weiteres symbolträchtiges Treffen der drei Partner angesetzt. Als prominente Gäste geladen sind Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Beide führen Dreierbündnisse aus SPD, Grünen und Linkspartei.

Doch Schulz braucht nach der Saarland-Erfahrung eine neue Machtperspektive. Dazu kommt: In Nordrhein-Westfalen könnte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft laut Umfragen nach der Wahl im Mai womöglich mit der FDP regieren. Das würde die Ampel-Option im Bund aufwerten, obwohl diese rechnerisch noch keine Mehrheit hat. FDP-Chef Lindner, in NRW Spitzenkandidat, scheint nicht abgeneigt. Er freue sich, wenn die SPD alte Feindbilder einpacke, sagt er.

Allerdings läuft Schulz Gefahr, dass sein Werben um die FDP den eigenen Markenkern beschädigt. „100 Prozent Gerechtigkeit“ verspricht er. Doch vor allem der linke SPD-Flügel bezweifelt, dass dies mit der FDP zu machen wäre. Der SPD-Linke Frank Schwabe, Chef der „Denkfabrik“, sagt zwar, man dürfe prinzipiell keine Koalition ausschließen. Aber: „Weder mathematisch, noch politisch-inhaltlich spricht sehr viel für eine Ampel. Eine Koalition mit der FDP passt auch nicht sehr gut zu unserem Kernanliegen, der sozialen Gerechtigkeit.“

Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, haut in dieselbe Kerbe: „Nur zu! Viel reden über Bündnisse mit der FDP erhöht die Glaubwürdigkeit der SPD ungemein, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen will“, spottet er. Statt Bündnisoptionen durchzuspielen, solle die SPD Klarheit über ihre Positionen schaffen: „Koalitionsgeschwafel ein halbes Jahr vor der Wahl nervt die Menschen.“

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