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Soli-Abschaffer vom Dienst: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

© Ralf Hirschberger/dpa

Koalition entscheidet über Soli: Können Union und SPD noch einen Streit beilegen?

Am Sonntag verhandelt die Koalition über den Solidaritätszuschlag. Union und SPD liegen nicht weit auseinander, dennoch ist kein Kompromiss in Sicht.

Peter Altmaier hat Erfahrung mit der Forderung, der Solidaritätszuschlag müsse weg. Im vorigen Oktober schon, kurz vor der für die CDU wichtigen Hessen-Wahl, hatte der Wirtschaftsminister ein Papier in Umlauf bringen lassen, in dem die völlige Abschaffung des „Soli“ verlangt wurde.

Damals reagierte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mit einem klaren Nein. Der Koalitionsvertrag sehe es nicht vor. Punkt.

Dort hatten Union und SPD vereinbart, dass der Zuschlag auf die Einkommensteuer – durchgehend erhoben seit 1995 – ab 2021 für 90 Prozent der Steuerpflichtigen beendet wird.

Die Sozialdemokraten setzten durch, dass Gutverdiener weiterhin belastet werden. Das sind alle, die mehr als etwa 75.000 Euro im Jahr verdienen – bei Zusammenveranlagung das Doppelte. Viele Selbständige und leitende Angestellte sind darunter sowie Unternehmen, bei denen der Zuschlag auf die Körperschaftsteuer fällig wird.

Im Nachklapp gab es die Übereinkunft, dass die oberen zehn Prozent – die immerhin mehr als die Hälfte des „Soli“-Aufkommens beitragen – nicht allesamt gleich stark belastet werden sollen.

Gesetzentwurf von Olaf Scholz

Genau das hat Scholz in dem Gesetzentwurf umgesetzt, der vor einer Woche bekannt wurde und der am kommenden Mittwoch im Kabinett beschlossen werden soll, geht es nach der SPD. Mit einer so genannten Freigrenze bei der Steuersumme von 16956 Euro befreit der Finanzminister die vereinbarten 90 Prozent der Zahler. Gleichzeitig wird oberhalb dieser Grenze eine „Milderungszone“ eingeführt, um einen „Belastungssprung“ bei denen zu vermeiden, die näher an der Freigrenze liegen.

Praktisch wirkt das wie eine gleitende Erhöhung des „Soli“ ab etwa 75000 Euro, dessen volle Höhe von 5,5 Prozent der Steuerschuld dann nur noch 3,5 Prozent der Steuerzahler zu leisten hätten. Scholz sieht in der Umsetzung des Koalitionsbeschlusses eine „wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kauftraft und Binnenkonjunktur“ - wenn auch erst ab 2021.

Doch am Freitag kam Altmaier, in Wirtschaftskreisen immer wieder kritisiert, wieder mit einem Vorschlag, der über die Koalitionsvereinbarung hinausgeht. Zwar will er den „Soli“ nicht mehr komplett abschaffen, aber es sollen 2021 alle entlastet werden – auch die obersten 3,5 Prozent.

Und zwar mittels eines Freibetrags beim Solidaritätszuschlag in Höhe von 16988 Euro. Ein Freibetrag gilt für alle Steuerzahler – bei den angepeilten 90 Prozent würde er die „Soli“-Last auf null drücken, bei den anderen stiege sie von nahe null bis nahe an 5,5 Prozent bei den Höchstverdienern.

Nicht weit auseinander

Der Clou mit Blick auf den Koalitionsausschuss am Sonntagabend: So weit liegen Scholz und Altmaier gar nicht mehr auseinander. Die Wirkung auf den Haushalt wäre zwar ungleich: Scholzens Umsetzung der Koalitionsvereinbarung würde 2021 etwa 9,8 Milliarden Euro an Mindereinnahmen bringen, Altmaiers Plan liefe auf ein Minus von 12,8 Milliarden hinaus. Keine „peanuts“, aber auch keine unüberwindliche Hürde.

Gibt es also einen Kompromiss am Sonntagabend? Eventuell in einem Gegengeschäft mit der Grundrente? Dieses Projekt wurde im Koalitionsvertrag mit einer Bedürfnisprüfung vereinbart. Die aber wollen die Sozialdemokraten nicht mehr. Die Woche über wurde spekuliert, dass die SPD beim „Soli“ nachgibt, die Union bei der Grundrente. Doch die Erwartungen wurden am Freitag gedämpft.
Immerhin hat Altmaiers Vorschlag einen zweiten Teil, der relevant werden könnte: Der Wirtschaftsminister sieht einen vollständigen Abbau des Zuschlags bis 2026 vor, während Scholz die oberen zehn Prozent zeitlich unbegrenzt zahlen lassen will.

Altmaiers Plan hat verfassungsrechtliche Gründe. Denn es ist unklar, ob der „Soli“ mit dem Auslaufen des Solidarpakts für den Osten Ende 2019 überhaupt noch erhoben werden darf. Eingeführt wurde der Zuschlag einst mit der Begründung, der Aufbau Ost koste mehr Geld.

Soli schon 2020 verfassungswidrig?

Mit Blick darauf hat Ex-Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier in einem Gutachten für die FDP unlängst festgestellt, der „Soli“ sei schon ab 2020 grundgesetzwidrig. Ein solcher Zuschlag könne nicht ewig erhoben werden.

Mit einem Abbauplan parallel zum Gesetz der Koalition, so das Kalkül in der Union, könnte solchen Bedenken begegnet werden. In Karlsruhe wird es Klagen geben, sobald das Gesetz verabschiedet ist, das ist fast sicher. Das kann aber noch bis weit ins kommende Jahr dauern. Und dann ist schon fast die nächste Bundestagswahl erreicht. In der will die SPD mit einer Eingliederung des verbliebenen „Soli“ für Bestverdiener in die Einkommensteuer punkten – quasi eine Verewigung auf indirektem Weg.

Fraktionsvize Achim Post lockte die Union am Freitag zwar nochmals: Die SPD sei offen für die komplette Abschaffung des „Soli“, wenn die Koalitionspartnerin akzeptiere, dass die Topverdiener dann künftig mehr Einkommen- und Reichensteuer zahlten. Will sie aber nicht. Dass Karlsruhe noch vor der Wahl über den „Soli“ entscheidet, glaubt man bei den Sozialdemokraten nicht.

Fortschritt bei der Wohnungspolitik?

Was also bringt der Koalitionsausschuss am Sonntag dann, wenn es bei "Soli" und Grundrente keine Fortschritte gibt? Es liegt noch ein wohnungspolitisches Paket auf dem Tisch, über das Altmaier, Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sich bisher nicht einigen konnten.

Es geht um Änderungen bei der Mietpreisbremse, der Mietspiegelregelung, um die Frage, wer den Makler bezahlt beim Wohnungskauf (die SPD will allein die Verkäufer belasten), um die Begrenzung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, um einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer. Und um Maßnahmen, den Wohnungsneubau voranzubringen. Eine Einigung ist nicht ausgeschlossen.

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