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Augen zu und...: Finanzminister Olaf Scholz bereitet einen Nachschlag im Etat vor.

© imago images/IPON

Koalition braucht einen Nachtragsetat für 2021: Milliardenpuffer ist schon aufgebraucht

Finanzminister Olaf Scholz plant einen Nachtragshaushalt - die Höhe ist noch unklar. Doch warum kommt Schwarz-Rot nicht klar mit dem Geld?

Vier Wochen sind eine lange Zeit in der Politik. Anfang Februar hatte sich die schwarz-rote Koalition auf ein zusätzliches Corona-Hilfspaket von zehn Milliarden Euro verständigt: Kinderbonus, Zuschlag in der Grundsicherung, reduzierte Mehrwertsteuer in der Gastronomie bis zum Jahresende, höherer Verlustrücktrag für Unternehmen, eine Milliarde mehr für den Kulturbetrieb. „Es ist im Haushalt Vorsorge getroffen, dass wir solche Entscheidungen treffen können“, versicherte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hernach. Im November hatte die Koalition im Haushalt für 2021 einen zusätzlichen Corona-Puffer in Höhe von 35 Milliarden Euro eingefügt – über neue Kreditermächtigungen, ohne konkrete Verwendung, sozusagen für alle Fälle. Auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans schätzte Anfang Februar, dass diese Vorsorge reichen müsste. „Wir brauchen – jedenfalls nach dem, was wir bisher wissen – keinen Nachtragshaushalt“, sagte er.
Aber nun benötigt die Koalition doch einen, wie Scholz in einem TV-Interview der „Welt“ sagte. In einem Bloomberg-Interview formulierte es der SPD-Kanzlerkandidat so: „Wir werden Extra-Maßnahmen ergreifen, das ist wahr, und wir sind dazu in der Lage.“ Welches Volumen der Nachtragsetat haben wird, den Scholz wohl am 24. März zusammen mit den ersten Eckwerten für den Etat 2022 im Kabinett vorlegen wird, wollte sein Ministerium am Freitag noch nicht konkret beziffern. Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete 35 Milliarden Euro. Aber auch Summen zwischen 50 und 60 Milliarden Euro hatten sich gerüchtweise schon verbreitet.

Neue Anforderungen

Zur Begründung sagte Scholz nur, es gebe neue Anforderungen, etwa für die am Mittwoch in der Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarte Strategie mit deutlich mehr Selbst- und Schnelltests. Nicht zuletzt das Angebot, allen Bürgern – unabhängig davon, ob sie Symptome haben – stehe ein kostenloser Test pro Woche zur Verfügung, war bisher in den Etatplanungen nicht vorgesehen. Dabei hatte die Regierung hier schon Mehrausgaben von 4,5 Milliarden Euro veranschlagt, die über den Puffer finanziert werden sollten. Bund und Länder beschlossen auch einen Härtefallfonds für Unternehmen, die mit den bisherigen Programmen nicht erreicht werden. Zudem erklärte sich der Bund bereit, den Länderanteil am Kinderbonus zu übernehmen. Schon in der Vorwoche hatte sich gezeigt, dass die Kosten für das Kurzarbeitergeld den Bund stärker belasten könnten als bisher gedacht. Die Bundesagentur für Arbeit meldete jedenfalls einen Mehrbedarf von 6,3 Milliarden Euro an, was – sollte es dazu kommen – den bisherigen Planungsansatz fast verdoppeln würde.

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So dürfte der Puffer von 35 Milliarden Euro mittlerweile schon verbraucht sein. Für die Unwägbarkeiten der Corona-Krise fehlt somit Geld. Und weder SPD noch Union wollen im Sommer mitten im Wahlkampf verkünden müssen, man müsse jetzt den Bundestag zusammenrufen, um einen Nachschlag zu beschließen. Also ist der Nachtragsetat so etwas wie der Nachschlag für bekannte Mehrausgaben und ein weiterer Puffer für die nächsten Monate.

Neue Schulden

Der Nachtragsetat würde über neue Schulden finanziert. Im Haushalt ist bisher vorgesehen, dass der Bund bis zu 180 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen kann. Mit einem Nachtragsetat würde die Koalition dann bei deutlich mehr als 200 Milliarden Euro landen. Mit einem solchen Volumen war vor einem Jahr für 2020 geplant worden, als man im ersten Corona-Schock – der ja nicht zuletzt von vielen Betriebsschließungen wegen der Unterbrechung von Lieferketten begleitet war – von einem tiefen Einbruch der deutschen Wirtschaft von mehr als sechs Prozent ausging. Am Ende war das Minus bei der Wirtschaftsleistung mit 4,9 Prozent geringer, tatsächlich musste der Bund am Ende Mehrausgaben und Steuerlöcher in Höhe von 130 Milliarden Euro mit neuen Schulden decken. Dass die Kosten der Krise unter der ursprünglichen Erwartung blieb, hing auch damit zusammen, dass die Wirtschaftshilfen - von Scholz als "Bazooka" und "Wumms" bezeichnet - in geringem Maß angenommen wurden als zunächst geplant.

Damit stellt sich die Frage, warum die Regierung nun in diesem Jahr so erheblich mehr Geld benötigt - in einem Jahr mit Wirtschaftswachstum, einer normal laufenden Produktion in vielen Branchen und einem Lockdown, der keineswegs erheblich stärkere Einschnitte bringt als der insgesamt knapp fünfmonatige Lockdown im Vorjahr, der von März bis Mai und dann im November und Dezember galt. Ein Grund zumindest lässt sich anführen: Kosten schwappen aus dem Vorjahr in den laufenden Etat, etwa weil Firmen Unterstützung für 2020 erst jetzt ausbezahlt bekommen.

Notfallklausel der Schuldenbremse ist aktiviert

Rechtlich sind die neuen Schulden kein Problem. Die Koalition hat 2021 wieder die Notfallklausel der Schuldenbremse genutzt, die neue Kredite über die konjunkturell erlaubte Neuverschuldung hinaus ermöglicht. Allerdings müssen die Notfallkredite getilgt werden, was künftige Etats zusätzlich belastet.

Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke wirft Scholz vor, er habe „die Kontrolle über die Ausgaben im Haushaltsjahr verloren“. Täglich gebe es neue Ausgabenwünsche fast aller Ministerien. „Jede Sitzungswoche erreichen den Haushaltsausschuss neue Ausgabenvorlagen in Milliardenhöhe“, berichtet Fricke. Scholz wolle zudem mit dem Nachtragshaushalt „eine Geschenkreserve für den Wahlkampf“ sichern. „Er ist leider immer mehr nur noch SPD-Kanzlerkandidat und nicht mehr der Bewahrer vernünftiger Haushaltspolitik“, lautet Frickes Vorwurf.

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