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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel.

© John Thys/AFP

Klimaziele der EU: Ist der „Green Deal“ noch zu halten?

Der Krieg in der Ukraine und die steigenden Energiekosten verändern die EU-Debatte über die Klimaziele – und auch der Abschied vom Verbrennermotor ist ungewiss.

Am Mittwoch stellte die EU-Kommission ehrgeizige Ziele vor, die der Gemeinschaft der 27 EU-Staaten demnächst beim Ausbau Erneuerbarer Energien und dem Import von Flüssiggas weiter auf die Sprünge helfen sollen.

Russlands Überfall auf die Ukraine hat deutlich gemacht, wie dringlich eine Abkehr von russischen Energielieferungen ist. Der Krieg in der Ukraine hat aber noch einen anderen Effekt: Er droht, die EU bei ihrer aktuellen Gesetzgebungsarbeit und der Erreichung  ihrer Klimaziele für das Jahr 2030 zu bremsen.

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Im Juli des vergangenen Jahres hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen Plan vorgestellt, wie die EU bis zum Jahr 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen um 55 Prozent senken kann. Das Projekt trägt den eingängigen Titel „Fit for 55“. Damit der Plan aufgeht, müssen zunächst EU-Gesetze beschlossen werden. Der Gesetzgebungsprozess zwischen Kommission, den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament geht demnächst in die heiße Phase.

Genau zu diesem Zeitpunkt führen der Ukraine-Krieg und die hohen Energiepreise zu einer Belastung von Industrie und Privatverbrauchern. Damit kommen auch Teile des „Green Deal“ der EU auf den Prüfstand. Im Europaparlament stellen sich vor allem Abgeordnete der konservativen EVP-Fraktion die Frage, ob die Klimavorgaben für das Jahr 2030 noch zu halten sind.

EVP-Fraktionschef Weber wirbt für Technologieoffenheit

EVP-Fraktionschef Manfred Weber wendet sich dagegen, grundsätzlich an den Zielen der EU-Kommission zu rütteln, denen zufolge die Treibhausgasemissionen in der Gemeinschaft bis 2030 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden sollen. „Man darf nicht die eine Krise gegen die andere ausspielen“, sagte Weber dem Tagesspiegel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und die Klimakrise. Allerdings müsse man pragmatisch an die einzelnen Themenbereiche herangehen, sagte der CSU-Politiker weiter.

Dies bedeutet konkret, dass die EVP-Fraktion das Vorhaben der Kommission ablehnt, ab 2035 auf EU-Ebene nur noch Pkws mit Elektromotor zuzulassen. „Wir halten es für falsch, den Verbrennungsmotor zu verbieten“, sagte Weber. Statt dessen plädiert der CSU-Politiker für Technologieoffenheit. Zum Schwur kommt es Anfang Juni bei einer Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments, wo die EVP die stärkste Fraktion stellt.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Klimaziele der Kommission aufgeweicht werden könnten, liefert die geplante Reform des CO2-Emissionshandels. Der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulik machte jüngst den Vorschlag, den CO2-Handel vorübergehend auszusetzen, um so die Energiepreise zu senken und Russland obendrein Geld zu entziehen.

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Allerdings geht der Klimaexperte Milan Elkerbout von der Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS) davon aus, dass es sich bei der Forderung Suliks ähnlich wie beim Schachspiel nur um einen „Eröffnungszug“ handelt. „Es gibt keine Möglichkeit, dass der CO2-Handel ausgesetzt wird“, zeigt sich Elkerbout überzeugt.

Elkerbouts Vergleich mit einem Schachspiel ist tatsächlich angebracht. Die geplante Reform des Emissionshandels gilt als entscheidend, um den Ausstoß von Treibhausgas bis 2030 um das gewünschte Volumen zu reduzieren. Derzeit zurrt das Europaparlament seine Position zum CO2-Handel fest.

Mitgliedstaaten stehen beim Klimaschutz eher auf der Bremse

Anschließend wird mit EU-Mitgliedstaaten wie der Slowakei weiterverhandelt. Grundsätzlich gilt: Während das EU-Parlament die ehrgeizigen Klimaziele der Kommission teilt, sind Mitgliedstaaten eher bestrebt, die eigenen Industrien zu schützen – und stehen häufig auf der Bremse. Der Klimaexperte Elkerbout ist jedenfalls überzeugt: „Die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrien wird demnächst stark im Fokus stehen.“

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Allerdings hat sich in dieser Woche gezeigt, dass auch die EU-Abgeordneten keine große Lust haben, die durch die hohen Energiepreise gebeutelten Privatverbraucher noch weiter zu belasten. Im Detail ging es dabei im Umweltausschuss um die Ausweitung des Handels mit CO2-Zertifikaten (ETS) auf den Verkehr und den Bereich des Wohnens.  Um zu verhindern, dass Privatpersonen beim Spritpreis und bei den Heizkosten noch tiefer in die Tasche greifen müssen, beschloss der Ausschuss, dass der Privatsektor von der Ausweitung des Zertifikatehandels zunächst bis 2029 ausgenommen werden soll.

In diesem Fall waren es nicht allein die konservativen EVP-Abgeordneten im Ausschuss, die sich für einen entsprechenden Kompromiss stark machten. Vor allem Grüne, Sozialdemokraten und Liberale setzten sich dafür ein, Privatverbraucher zunächst einmal zu schonen.

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