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2030 soll der Verbrennungsmotor verschwinden, jedenfalls bei Autos. Das fordert das Umweltministerium. Das Kanzleramt will sich darauf aber nicht festlegen lassen. Über den Klimaschutzplan 2050 wird seit Wochen heftig gestritten.

© Markus scholz/dpa

Klimaschutzplan 2050: Kanzleramt zerlegt Klimaschutzplan

Wie Deutschland das Paris-Abkommen umsetzen soll, ist umstritten. Nach den ehrgeizigen Ankündigungen der Kanzlerin folgt nun harsche Kritik – aus ihrem Hause.

Beim Petersberger Klimadialog Anfang Juli hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch feiern lassen. Und ihre Bemerkung mit Blick auf die regierungsinterne Debatte um den Klimaschutzplan 2050 war von den meisten so verstanden worden, dass Merkel sich um eine Fortsetzung ihrer ehrgeizigen Klimapolitik bemüht. Womöglich meinte sie aber doch nur Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), als sie sagte, sie „ahne, dass das jedem von uns noch eine Menge abverlangen wird“. Diesen Schluss lässt jedenfalls ein Schreiben des Kanzleramts zum Entwurf des Klimaschutzplans zu, das nun bekannt geworden ist.

Schon seit Monaten wird der Klimaschutzplan 2050 öffentlich und mit starker Beteiligung diskutiert. Das Umweltministerium hat im Juni 2015 Debatte darüber eröffnet, wie Deutschland seine Wirtschaft bis 2050 oder wenig später vom Kohlendioxidausstoß befreien kann. Das Stichwort „Dekarbonisierung“ hatte Angela Merkel vor einem Jahr beim Gipfel der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) in Elmau in das Abschlussdokument gekämpft. Mit dem langfristig angelegten Klimaschutzplan soll der Weg dorthin gezeigt werden. Ein Jahr lang diskutierte das Ministerium mit Bürgern, mit Verbänden, Ländern und Kommunen über den richtigen Weg zur Treibhausgasneutralität. Das ist der Begriff, der es ins Pariser Klimaschutzabkommen geschafft hat.

Kein Datum für den Kohleausstieg

Ende Juni lag dann eine gemeinsame Fassung des Strategiepapiers von Umwelt- und Wirtschaftsministerium vor. Da stand zwar kein Datum mehr für den Kohleausstieg drin, und auch sonst waren einige Vorschläge aus dem Umweltministerium und dem Bürgergutachten etwas entschärft worden. Aber die Grundaussage, dass Deutschland sich mit seinem Klimaschutzziel am oberen Rand seiner eigenen Zusage bewegen sollte, und die Wirtschaft – von der Energiewirtschaft über den Verkehr bis zur Landwirtschaft – sich auf grundlegende Veränderungen vorbereiten muss, war immer noch enthalten.

Das Kanzleramt hält davon offenkundig wenig. Das Dokument liest sich, als hätte es das Paris-Abkommen nie gegeben. Ganz im Sinne von vier Vize-Fraktionsvorsitzenden der Union im Bundestag, die einen besorgten Brief ans Kanzleramt geschrieben hatten, warnt das Amt davor, dass der Plan als „Einführung einer Planwirtschaft“ kritisiert werden könnte. Weiter heißt es: „Es muss deutlich sein, dass die inhaltliche Basis für den Klimaschutzplan 2050 die festgelegten nationalen Klimaziele sind. Formulierungen wie ,ist das Ziel einer weitgehenden Treibhausgasneutralität bis 2050’ tragen dem nicht Rechnung.“

In der Unionsfraktion sitzen die Bremser

Georg Nüßlein (CSU), Gitta Connemann, Michael Fuchs und Arnold Vaatz (alle CDU) hatten in ihrem Brief beklagt, der Plan hätte „massive Auswirkungen auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ und sei geeignet, „Wirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden in unserem Land zu gefährden“. Er zeichne „faktisch den Weg in eine ,Klima-Planwirtschaft‘ vor“, schrieben die vier an Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Das muss ihn schwer beeindruckt haben.

Der SPD-Klimaexperte Frank Schwabe ist ziemlich konsterniert. Er hat sich zwar ohnehin immer für ein Klimaschutzgesetz eingesetzt, von dem er sich mehr Verbindlichkeit verspricht. Aber wenn schon ein Klimaschutzplan gemacht werde, dann könne man nicht „international ehrgeizige Ziele verkünden und sie dann national nicht umsetzen wollen“, sagte er dem Tagesspiegel. Seine Kollegin Annalena Baerbock (Grüne) pflichtet ihm bei. Die Stellungnahme des Kanzleramts sei „ein Armutszeugnis“ und demontiere die Ziele der Kanzlerin. „Damit macht sich Deutschland auf der internationalen Bühne unglaubwürdig“, bedauert sie. Das sehen die Umweltverbände nicht anders. „Dass sich die Bundesregierung weigert, Konsequenzen aus dem Klimagipfel von Paris zu ziehen und diesen zur Imagepflege missbraucht, ist verantwortungslos“, findet der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. „Der Klimaschutzplan ist inzwischen zu einem Wirtschaftsschutzplan verkommen“, schimpf Nabu- Präsident Olaf Tschimpke.

Selbst der Nationale Wohlfahrtsindex ist umstritten

Das Kanzleramt tut sich offenbar mit allem schwer, was Veränderungen auslösen könnte. Nicht einmal auf die „Prüfung eines Nationalen Wohlfahrtsindex, der neben dem Wirtschaftswachstum auch die nachhaltige, klimafreundliche Entwicklung erfassen soll“, will sich das Kanzleramt ohne weiteres einlassen. Dabei gehört das zu den wenigen Punkten, auf die sich in der vorhergehenden Legislaturperiode in der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ alle hatten einigen können. Die beiden Grünen-Abgeordneten Kai Gehring und Kerstin Andreae haben gerade mit einer Kleinen Anfrage versucht herauszufinden, welche Ergebnisse aus der Enquete denn inzwischen Eingang ins Regierungshandeln gefunden haben.

In der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es zum Thema Lebensqualität: „Eine Änderung der Preisniveau-Indizes beabsichtigt die Bundesregierung derzeit nicht.“ Das Umweltministerium unterstütze schon seit 2007 die „Entwicklung des Nationalen Wohlfahrtsindex“. In diesen solle auch die Einkommensverteilung eingehen. Aber was sonst mit dem Wohlfahrtsindex passieren soll, steht in der Antwort nicht.

Alte Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie

Ziele, die schon seit Jahren Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie sind, beispielsweise eine Obergrenze für Stickstoffüberschüsse oder eine Ausweitung der Ökolandbauflächen auf 20 Prozent will das Kanzleramt in der Klimastrategie auch nicht sehen. In der Antwort des Forschungsministeriums an Andreae und Gehring wird aber gerade auf die Nachhaltigkeitsstrategie als Antwort auf alle Anforderungen der Wohlstands-Enquete verwiesen. Ansonsten findet Bildungsstaatssekretär Stefan Müller für jede Frage der beiden Abgeordneten irgendein Teil-Forschungsprojekt in den Förderbeschlüssen seines Ministeriums. Allerdings ist den Antworten nicht zu entnehmen, ob diese Forschungsergebnisse irgendwie in praktische Politik übersetzt werden sollen. Kerstin Andrea findet das deshalb auch „mehr als dürftig“. Da sei der Jahreswohlstandsbericht der Grünen konkreter, findet sie.

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