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Ärger über Spritpreise. Ein Mann tankt Diesel an einer Tankstelle in Paris.

© Thomas Samson/AFP

Klimaschutz: Öko und sozial - das muss kein Gegensatz sein

Die Debatte über die Gelbwesten in Frankreich bringt verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf. Doch das muss nicht sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Wenn sich Familien in Frankreich über Weihnachten wieder versammeln, dann kann das zu einem sozialen und kulturellen Balanceakt werden. Gutverdienende Großstädter, die sich für das Gute im Allgemeinen und das Klima im Besonderen engagieren, werden in Frankreich verächtlich „Bobos“ genannt. Der vermeintliche Spießer, der beispielsweise immer noch seinen Diesel fährt, kriegt im Nachbarland das Etikett „Beauf“ umgehängt. In einigen Familien sitzen „Bobos“ und „Beaufs“ jetzt gemeinsam unterm Weihnachtsbaum, und sie können sich überlegen, ob sie über Politik reden sollen oder nicht. Denn weiterhin spaltet eine Frage Frankreich: Soll man eher das Klima retten oder die Gelbwesten?

Seit Präsident Emmanuel Macron angesichts des Protests der Gelbwesten die umstrittene Ökosteuer für ein Jahr aussetzte, ist der Konflikt erst einmal entschärft. Der Klimaschutz, dem die Ökosteuer zugute kommen sollte, hat in den Augen des Präsidenten erst einmal einen geringeren Stellenwert als der soziale Frieden. Macron, dessen Steuerpolitik in den ersten 18 Monaten seiner Amtszeit die Geringverdiener über Gebühr belastete, hat sich den Aufruhr der Gelbwesten selbst zuzuschreiben – und inzwischen mit Zusatzzahlungen für Mindestlohn-Empfänger und Steuererleichterungen für Rentner nachgesteuert. Dass es beim Klimaschutz gerecht zugehen muss, ist übrigens auch eine wichtige Erkenntnis für alle, die mit der Dieselkrise in Deutschland beschäftigt sind.

In Frankreich stellt sich die Frage nach den politischen Prioritäten verschärft, weil dort jeweils über eine Million Menschen zwei ganz unterschiedliche Online-Petitionen unterschrieben haben: eine für mehr Kaufkraft, eine für mehr Klimaschutz. Doch das muss kein Gegensatz sein. Die Steuerpolitik bleibt ein wichtiger Hebel beim Klimaschutz. Und so wie klimaschädliche Kurztrips per Flugzeug zum schichtenübergreifenden Phänomen geworden sind, so würde eine EU-weite Kerosinsteuer auch einiges am Verbraucherverhalten ändern.

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