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Zwei Schülerinnen im Klimahaus Bremerhaven

© dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Klimaschutz ja, aber wie?: Welche Maßnahmen jetzt infrage kommen

Das aktuelle Energiesteuersystem schützt das Klima kaum. Die Regierungsparteien wollen es nun reformieren – doch die Optionen und ihre Folgen sind umstritten.

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„Kein Pillepalle mehr“ in der Klimapolitik – solch eindeutige Worte soll Angela Merkel vergangene Woche in einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt haben. Es sei jetzt an der Zeit, „harte Klimapolitik“ umzusetzen. Da ist was in Bewegung in der Union. Auch in der SPD, die lange Zeit die Partei der Kohlekumpel war, hatte man zuletzt bekräftigt, wie wichtig der Klimaschutz sei.

Das ist auch eine Reaktion auf die demonstrierenden Schüler, die jeden Freitag auf die Dringlichkeit der Thematik hinweisen. Der Klimaschutz war zudem ein ganz entscheidendes Thema bei den EU-Wahlen.

Das Klimaziel 2020 wird verfehlt, das soll nicht so weitergehen, sagt die Bundesregierung. Deutschland hat sich verpflichtet, seine Emissionen von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. In der Energiewirtschaft ist der Weg zum Klimaschutz weitgehend klar: Bis 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Zwischenschritte sind vorgesehen, damit der Umbau des Stromsektors die Versorgungssicherheit nicht gefährdet und die Arbeiter in der Kohlewirtschaft nicht überfordert.

Die große Frage bleibt, wie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Die Regierungsparteien sind sich einig, dass es einer Reform des Energiesteuersystems mit seinen Abgaben und Umlagen bedarf. Denn das derzeitige System verfehlt seine Klimaschutzwirkung.

So ist Strom, ob er nun aus fossilen oder aus erneuerbaren Energien kommt, mit rund 30-mal so hohen Abgaben, Umlagen und Steuern belastet wie etwa Heizöl. Die Tonne CO2, ob sie nun dem Kohlekraftwerk kommt oder aus der Ölheizung, ist aber gleich schädlich für das Klima. Nun wird in der Politik über den richtigen Weg diskutiert.

CO2-Abgabe

SPD und Grüne sprechen sich dafür aus, eine nationale CO2-Steuer oder Abgabe im Verkehrs- und Wärmebereich einzuführen. Die Idee dahinter ist simpel: Wer CO2 produziert, soll im Rahmen dieser Steuer auch dafür bezahlen – und zwar nach einem festgelegten Preis je Tonne erzeugtem Kohlenstoffdioxid. Die CO2-Steuer würde sowohl für Privatpersonen, kleine Gewerbetreibende und große Industrieunternehmen gelten. Es würde dann einen allgemein gültigen CO2-Preis auf Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl geben.

Wichtig ist beiden Parteien, dass die CO2-Steuer in eine grundsätzliche Reform des Energiesteuersystems integriert wird, also etwa gleichzeitig die Stromsteuer gesenkt wird. Die große Frage ist, wie hoch eine solche Steuer sein müsste, um Wirkung zu entfalten. Sie soll schließlich bezwecken, dass der Verbraucher zu einer klimafreundlicheren Alternative wechseln kann.

Demonstration für Klimaschutz in Frankfurt am Main.
Demonstration für Klimaschutz in Frankfurt am Main.

© Michael Schick/Imago Images

Der Verein CO2-Abgabe schlägt die Einführung einer nationalen CO2-Steuer vor, die Einstiegshöhe läge bei 40 Euro pro Tonne. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will sich noch nicht auf einen Preis festlegen, verweist aber auf den Vorschlag des Chefs der Wirtschaftsweisen Christoph M. Schmidt, der als Einstiegspreis 20 Euro nennt. Wichtig ist Klimaexperten auch, dass der Preis über die Jahre ansteigt.

Das Umweltbundesamt hat dagegen berechnet, dass eine Tonne CO2 sogar 180 Euro kosten müsste, um die Schäden, die durch Treibhausgase entstehen, ausgleichen zu können. Diesen Preis fordern unter anderem auch die Anhänger der „Fridays for Future“-Bewegung.

Emissionshandel

Seit 2005 gibt es in Europa den Emissionshandel (EU ETS), an dem Kohlekraftwerke und energieintensive Industrieanlagen teilnehmen. Seit 2012 ist zudem der innereuropäische Luftverkehr integriert. Im EU ETS gibt es eine Obergrenze an Treibhausgasemissionen, die von den Teilnehmern insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Die Mitgliedstaaten geben eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen an die Anlagen aus – teilweise kostenlos, teilweise über Versteigerungen. Die Teilnehmer können die Zertifikate auch untereinander handeln.

Die FDP plädiert nun dafür, den deutschen Verkehr- und Wärmesektor in den EU ETS zu integrieren. Es könnten etwa die Raffinerien teilnehmen. Der Vorteil liegt der FDP zufolge darin, dass die Menge der Treibhausgasemissionen von Beginn an festgelegt ist. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, er wird nicht staatlich festgelegt. Die Sektoren sind zudem miteinander verbunden: Die Emissionen werden dort reduziert, wo sie am günstigsten sind.

Merkel gilt als Anhängerin dieser Idee und möchte damit durchaus national beginnen. Der Unions-Wirtschaftsflügel plädiert auch dafür, den Emissionshandel auszuweiten, aber nur, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten mitmachen. In der Union hat man jetzt abgemacht, zunächst einen Schritt zurückzugehen und sich das komplette Energiesteuersystem anzuschauen. Steuern und Abgaben auf emissionsarme Technologien sollen gesenkt und obendrein gefördert werden. Konkrete Vorschläge will die Union bis Herbst machen.

Die EU-Nachbarn

Bei ihrem Nein zur nationalen CO2-Steuer verweisen Kritiker oft darauf, dass Deutschland sich mit einem „Alleingang“ beim Klimaschutz eher schaden würde. Industrien würden etwa ins Ausland abwandern. Doch ein Blick auf unsere Nachbarn zeigt, dass Deutschland mit einer CO2-Steuer gar nicht alleine dastehen würde.

Unter anderem in Frankreich und in der Schweiz gibt es einen CO2-Preis in den Sektoren, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind. Die Abgaben unterscheiden sich ziemlich voneinander, vor allem in ihrer Höhe. In Polen liegt die Steuer bei unter einem Euro pro Tonne CO2.

Die Schweiz beispielsweise erhebt eine Steuer auf Heizöl und Gas im Wärmesektor. Der Preis beträgt aktuell umgerechnet 85 Euro pro Tonne CO2. Ein Liter Heizöl wird dadurch 25 Cent teurer. Zwei Drittel aller Einnahmen werden direkt über die Krankenversicherung zurückerstattet.

Schweden hat seit 1990 eine CO2-Steuer in Höhe von derzeit umgerechnet 115 Euro. Sie zielt genau darauf ab, die Nutzung fossiler Energien vor allem für die Bürger zu verteuern. Ein Aufschrei der schwedischen Bevölkerung blieb damals aber aus. „Es lag daran, dass gleichzeitig eine ganze Reihe unpopulärer Steuern abgeschafft wurde“, erklärt Thomas Sterner, Professor für Umweltwirtschaft an der Universität Göteborg.

Der Weltbank zufolge gibt es derzeit weltweit knapp 60 Systeme der CO2-Bepreisung, über Emissionshandelssysteme, CO2-Steuer oder einer Kombination von beidem. Das größte System ist derzeit immer noch der Europäische Emissionshandel.

Belastung für Verbraucher

Gibt es einen fixen Preis für CO2 pro Tonne, dann lässt sich für den reinen Verbrauch von Brennstoffen recht leicht ableiten, wie sich die Preise ändern – wie schon am Schweizer Beispiel ersichtlich ist. Eine Faustregel zum Beispiel ist laut Felix Matthes vom Öko-Institut, dass je zehn Euro zusätzlicher Kosten pro Tonne CO2 die Kraftstoffpreise um rund 2,5 Cent pro Liter steigen, das wären bei 50 Euro etwa 12,5 Cent pro Liter. Deutlich spürbar, aber auch deutlich unter den Preisschwankungen, die durch den Weltölmarkt und den Wettbewerb an den Tankstellen regelmäßig stattfinden.

Braunkohle-Tagebau unweit des brandenburgischen Jänschwalde.
Braunkohle-Tagebau unweit des brandenburgischen Jänschwalde.

© Foto: Patrick Pleul/dpa

Komplizierter wird es bei den indirekten Wirkungen: Auch der Kurierdienst zum Beispiel ist dann mit höheren Kosten konfrontiert, die er an die Kunden weitergeben muss. Gleichzeitig sehen aber auch die meisten Modelle vor, dass die hoch belasteten Strompreise sinken sollen.

Eine unabhängige Expertenkommission, die jedes Jahr die Fortschritte in der Energiewende bewertet, beziffert die Belastung in einer auf zahlreichen Quellen basierenden Rechnung auf maximal 2,6 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens.

Klimaschutzwirkung

„Ein CO2-Preis wirkt insbesondere dort, wo Verbraucher besonders genau auf Preise achten und die Kosten für ihren Energieverbrauch reduzieren wollen“, schreibt Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie in einem Gastbeitrag für die „Zeit“. Das sei zum Beispiel in der energieintensiven Industrie der Fall, denn hier würden die Energiekosten einen erheblichen Anteil der Kostenstruktur ausmachen.

Anders sieht es hingegen im Gebäudebereich aus. Dort bleiben Einsparmöglichkeiten oft ungenutzt, obwohl sie eigentlich wirtschaftlich wären. So tragen Mieter zwar die wesentlichen Kosten des Energieverbrauchs, haben jedoch kaum Einfluss auf Investitionen in die Gebäudetechnik. Ihnen bleiben nur Einsparmaßnahmen durch das eigene Nutzungsverhalten.

Im Verkehrsbereich ist die Preissensibilität laut Fischedick gering. Gleichzeitig sind die Vermeidungskosten besonders hoch. „Wo Menschen auf das eigene Fahrzeug angewiesen sind, müssen sie zwar die höheren Kosten tragen, haben aber nur wenig Möglichkeiten, ihr Fahrverhalten anzupassen“, schreibt der Klimaexperte. Zum Tragen käme der CO2-Preis dann gegebenenfalls beim Kauf des nächsten Fahrzeugs, das dann einen niedrigeren Verbrauch aufweist oder gleich elektrisch betrieben wird.

Was es sonst noch braucht

CO2-Bepreisung, ob als Steuer oder über die Ausweitung des Emissionshandels, kann nur eine Maßnahme von mehreren auf dem Weg zu den Klimazielen 2030 sein. Ganz oben auf der politischen Agenda steht die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes, in dem die Ziele für die einzelnen Sektoren festgeschrieben werden sollen. Über die Ausgestaltung des Gesetzes streiten sich die Regierungsparteien derzeit, auch das soll im Klimakabinett zwischen den Bundesministern diskutiert werden.

Mit dem Kohleausstieg bis 2038 kann es nur klappen, wenn in Deutschland erneuerbare Energien ausgebaut werden. Grüne und SPD fordern, dass der Ausbaudeckel für Sonnenenergie weg muss. Die Regierung hat sich außerdem über Mindestabstände bei Windrädern gestritten. Auch das muss schnell geklärt werden. Einig sind sich Energieexperten darüber, dass für mehr Klimaschutz endlich die steuerliche Abschreibung der energetischen Gebäudesanierung fällig ist.

Für den Industriesektor ist außerdem wichtig, dass die Politik gute Rahmenbedingungen für die Herstellung von grünem Wasserstoff schafft. Die Nutzung von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ist zentral bei der Frage, ob die Bundesrepublik Klimaneutralität bis 2050 erreichen kann. Derzeit ist die Herstellung von grünem Wasserstoff doppelt mit Abgaben belastet. Dabei ist es bereits jetzt allerhöchste Zeit für einen Neustart in der Energieregulierung.

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