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Laurence Tubiana

© AFP/Ludoviv Marin

Klimapolitik: „Die EU und China werden wirklich etwas auslösen“

Warum die nächste UN-Klimakonferenz 2021 wahrscheinlich ein Erfolg wird, erklärt die frühere Diplomatin Laurence Tubiana.

Frau Tubiana, die internationalen Klimaverhandlungen sind durch Corona blockiert, es finden keine Treffen statt und die UN-Klimakonferenz ist um ein Jahr auf November 2021 verschoben. Wie kann kann sich trotzdem eine Dynamik für mehr Klimaschutz entwickeln?

Ich bin optimistisch, was diesen Prozess betrifft. Auch wenn 2020 natürlich unter schlechten politischen Vorzeichen begann. Trumps Politik hatte einen Dominoeffekt ausgelöst und Länder wie Brasilien, Australien und Mexiko dazu gebracht hat, sich nicht mehr um den Klimaschutz zu kümmern.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Die Wirtschaft hat die Idee des Paris-Abkommens aufgenommen und ist in eine Phase der schnelleren Dekarbonisierung eingetreten. Natürlich reicht das nicht, wenn die Politik nicht mitzieht. Aber es ist ein wichtiger Baustein für die Umsetzung des Abkommens. Dies wurde auch vom Team der britischen COP-Präsidentschaft, das ich beraten habe, als Dilemma empfunden.

Wie wichtig war die Coronakrise für die Klimapolitik?

Schon vorher hatte die EU eine sehr klare Vorstellung zum Klimaschutz entwickelt. Der Green Deal war angenommen, er musste aber noch in ein finanzielles Budget übersetzt werden. Dann explodierte die Coronakrise. Im März habe ich noch gedacht, dass man das Zwei-Grad-Ziel vergessen könnte.

Danach gab eine interessante Verknüpfung von verschiedenen Entwicklungen. Europa stand zu Beginn der Krise nicht sehr gut da. Da gab es den Brexit und die Schwierigkeit, eine gemeinsame europäische Antwort auf Covid-19 zu finden. Es gab eine große Diskussion, ob man den Green Deal und eine ehrgeizige Klimapolitik fallenlassen sollte. Am Ende hat man sich entschlossen, sie zu verstärken.

Im Verlauf der Krise hat Europa also zu einer klareren Position zum Green Deal und zum Nettonull-Ziel für 2050 gefunden. Wir haben nun auch ein finanzielles Budget, das damit korrespondiert. Europa 2.0 sozusagen. Das war einerseits noch aus der Bürgerbewegung für eine grüne Transformation geboren, die sich in den Ergebnissen der Europawahl gezeigt hatte. Alle Regierungen haben diesen Druck gespürt. Andererseits war dann klar, dass es eine grüne Antwort auf die Krise geben musste.

Das soll die Chinesen überzeugt haben, ein neues Klimaziel zu verkünden.

Europa hat Klimawandel und Menschenrechte oben auf unsere Agenda gesetzt. Diese Positionierung wurde im Sommer immer deutlicher wahrgenommen und hat dazu geführt, dass China sich dann wirklich dazu entschlossen hat, nicht mehr auf die Wahlen in den USA zu warten, sondern im September ein neues Klimaziel zu verkünden. Sicher mit der Aussicht, dass Biden gute Chancen hat, gewählt zu werden. Es war aber vor allem eine Antwort auf Europas Entschlossenheit. Wir haben das auf vielen Konferenzen im Juni und Juli in China gespürt, da kamen immer wieder Fragen dazu. Und als die Chinesen verstanden haben, dass das wirklich die Richtung ist, die Europa einschlagen wird, waren ihnen die Folgen für den Handel klar. Dafür ist die EU ein zu wichtiger Markt für China. Das hat sie zum Umschalten gebracht.

Wie gut sind die Pläne Chinas, bis 2060 CO2-neutral zu werden?

Das ist noch kein abgeschlossener Vorgang und hat viele Diskussionen im Land hervorgerufen. Aber die Chinesen investieren viel in erneuerbare Energien und in neue Zugstrecken. Ein großes Problem sind die geplanten Investitionen in Kohle, die sehr hoch sind. Die Frage ist, ob die Chinesen das wirklich umsetzen. Der Rest ist auf dem Weg zur Dekarbonisierung.

Glauben Sie, dass die Erholung durch die Covid-Konjunkturprogramme wirklich grün sein wird?

Natürlich gibt es immer auch Schaufensterpolitik. Und nicht die ganzen Mittel sind für das Klima reserviert. Aber immerhin 30 Prozent – das sieht man nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch auf Länderebene, in Deutschland, Frankreich, Spanien und Portugal. Es gibt zwar noch Unterstützung für den alten Teil der Automobilindustrie. Aber es gibt eben auch die Forderung der Öffentlichkeit nach einem Wandel.

Laurence Tubiana freut sich mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius über den Abschluss des Klimaabkommens von Paris 2015.
Laurence Tubiana freut sich mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius über den Abschluss des Klimaabkommens von Paris 2015.

© dpa/Philippe Wojazer

Wie werten Sie die bisher abgegebenen Zusagen zum Klimaschutz, also die Nationally Determined Contributions oder NDC? Bisher haben nur wenige Nationen ein verbessertes Ziel bei der UN eingereicht.

Nicht alle Länder konnten bisher Pläne auf dem Niveau abgeben, auf dem sie eigentlich sein sollten. Aber es können neue positive Dynamiken entstehen. Das hängt auch von den Wahlen in den USA ab. Wir können am Ende, wenn wir Glück haben, eine Annäherung sehen zwischen dem, was in der Wirtschaft sowieso schon passiert und einem Treiber auf Seiten der Regierungen. Deswegen glaube ich, dass die Klimakonferenz in Glasgow ein Erfolg wird.

Wie kann man so einen Erfolg vorbereiten?

Der Kern ist: Wie viele Länder geben ein neues NDC ab? Einige werden damit im Dezember kommen. Es ist schwer zu sagen, wie viele. Die meisten großen Emittenten haben sich bisher nicht bewegt. Je nach Ausgang der Wahlen in den USA könnten einige Länder zusagen, ihre Investitionen in Kohle zu beenden – auch was Exportkredite angeht. Das trifft besonders auf Japan und Südkorea zu. Andere große Emittenten müssen und werden im Mai, Juni kommen. Es gibt für Glasgow die große Chance, dass die großen Emittenten dabei sind. Die gemachten Zusagen von EU und China werden dort wirklich etwas auslösen.

Dann war die Verschiebung der Klimakonferenz sogar gut?

Es ist gut, dass wir ein zusätzliches Jahr haben. Das erlaubt es, dass sich die Sterne in der richtigen Reihenfolge ausrichten. Das war 2020 nicht der Fall. Darum bin ich optimistischer für Glasgow, als ich es Anfang des Jahres war. Das Problem ist nur, dass es immer noch zu langsam geht. Es gibt noch zu viel Widerstand, vor allem aus dem Öl- und Gassektor, aber auch aus Teilen der Industrie und der Landwirtschaft. Wir haben so spät angefangen, dass wir jetzt gegen die Uhr anrennen. Aber wir haben keine andere Möglichkeit. Und wir haben jetzt eine andere politische Dynamik auch deshalb, weil die Menschen die Folgen des Klimawandels spüren.

Als Sondergesandte der französischen Regierung hat die Ökonomin Laurence Tubiana maßgeblich zum Abschluss des Klimaabkommens von Paris beigetragen. Zuvor hatte sie das Institute of Sustainable Development and International Relations gegründet. Heute leitet sie die European Climate Foundation.

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