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Die Klimaliste Erlangen ist mit der Klimapolitik der Grünen in Erlangen unzufrieden - und will jetzt selbst in den Stadtrat einziehen.

© Klimaliste Erlangen

"Klimaliste" macht Grünen Konkurrenz: City-Maut, weniger Parkplätze und Tempo 30 in ganz Erlangen

Die Grünen gelten gemeinhin als die Klimaschutzpartei. Im bayerischen Erlangen wird sich bei der heutigen Kommunalwahl zeigen, ob sich das ändern kann.

Sie wollen die City-Maut, die Zahl der Parkplätze in der Erlangener Innenstadt halbieren und ein innerstädtisches Tempolimit von 30 Stundenkilometern. Ihre Forderungen für den urbanen Klimaschutz sind radikal. Wenn die „Klimaliste Erlangen“ bei der bayerischen Kommunalwahl an diesem Sonntag erfolgreich ist, könnte sie diese Dinge im Stadtrat anstoßen.

Und das sei nicht unwahrscheinlich, sagt der Politikwissenschaftler Erik Vollmann von der Friedrichs-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen. Die Klimaliste selbst rechnet mit drei, hofft aber auf acht Sitze im Stadtrat.

Acht Stadtratssitze haben die Grünen momentan in Erlangen. Vermutlich werden sie bei der Kommunalwahl noch ein paar dazugewinnen. Trotzdem sei die Gründung der Klimaliste ein Weckruf für die Grünen, sagt Vollmann. „Sie fühlen sich herausgefordert. Ihnen wird gesagt: Ihr seid das Establishment, ihr seid müde geworden.“  Die Klimaliste sei damit sowohl Gefahr als auch möglicher Partner in der Klimapolitik für die Grünen.

Susanne Lender-Cassens, Zweite Bürgermeisterin und Grünen-Politikerin in Erlangen, kritisiert die Versäumnisse ihrer Partei: „Wir haben es nicht geschafft, diese motivierten jungen Leute in unsere Reihen zu holen“, sagt sie. Sie würde der Klimabewegung gerne einen Platz in der Partei geben.

Gleichzeitig weist die langjährige Stadträtin darauf hin, dass der Klimaschutz erst seit Greta Thunberg auch auf kommunaler Ebene große Aufmerksamkeit bekomme. Dass vorher beispielsweise Förderprogramme für Solarenergie von der Bevölkerung kaum genutzt worden seien. Eine „zähe Angelegenheit“ sei es gewesen – und sei es teils immer noch.

Auf die Anträge der Klimaaktivsten habe die Stadt nur mit Symbolpolitik reagiert

Rechtfertigungen angesichts des Vorwurfs, die Grünen in Erlangen täten nicht genug für das Klima – so sehen das zumindest die Mitglieder der Klimaliste, die alle vorher in Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future, Scientists for Future oder Extinction Rebellion aktiv waren. Im Wahlkampf werden sie von keiner dieser Gruppen unterstützt, sie sind aber stark von ihnen geprägt.

Auf der Straße hätten sie sich machtlos gefühlt, sagt Sebastian Hornschild. Er ist Oberbürgermeisterkandidat für die Klimaliste. „Wir waren nur Bittsteller.“  Zwar hätten die Aktivisten Gespräche geführt, Anträge gestellt – letztendlich auch den Klimanotstand in Erlangen erwirkt. Die etablierten Parteien reagieren aus seiner Sicht aber nur mit Symbolpolitik.

Bisher treten mit der Klimaliste Erlangen und „Future for Kempten“ erst zwei Gruppen aus der neuen Klimabewegung in Wahlen zu Stadtparlamenten an. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im September aber werde die bundesweit aktive Klimaliste schon eine deutlich größere Rolle spielen, vermutet Hornschild.

Hornschild: "Es geht uns darum, den Diskurs zu verschieben."

In Erlangen will die Klimaliste mit einem ausgeklügelten Programm in den Stadtrat einziehen. Wie viel davon könnte sie tatsächlich umsetzen? Da bleibt Hornschild vorsichtig: „Uns geht es darum, den Diskurs zu verschieben“, sagt er. „Wir wollen die Themen aufgreifen, die sich andere Parteien nicht trauen anzusprechen. Wir wollen eine mutigere Klimapolitik.“

Den Wahlkampf habe die Klimaliste schon belebt, sagt Politikwissenschaftler Vollmann. Für „Ein-Thema-Listen“ sei es häufig einfacher, Wahlkampf zu machen – sie müssten nicht in vielen verschiedenen Bereichen kompetent wirken, könnten Wähler leichter an sich binden. „Solche Gruppierungen verschwinden dann aber auch schnell wieder, das hat man bei den Piraten gesehen“, so Vollmann. Dennoch hinterlassen sie Eindruck, wie die Piraten beim Thema Digitalisierung.

Verkehrsmaßnahmen stoßen in der Bevölkerung auf Widerstand

Ob und mit wem die Klimaliste zusammenarbeiten möchte, sollte sie in den Stadtrat kommen, will Hornschild noch nicht sagen. Lender-Cassens von den Grünen sieht in der Klimaliste durchaus einen möglichen Kooperationspartner in der Klimapolitik. Sie warnt allerdings auch: „Im Stadtrat wird man schnell auf den Boden der Tatsachen zurückversetzt.“

Verkehrsmaßnahmen wie die City Maut etwa stoßen ihrer Erfahrung nach fast immer auf Widerstand in der Bevölkerung. „Ohne die Zustimmung der Bevölkerung geht es aber nicht.“

„Letztendlich ist es immer noch Stadtpolitik“, stimmt ihr Politikwissenschaftler Vollmann zu. Die Forderungen der Klimaliste würden dort „nicht allen gefallen“.  Aber: Die Klimaliste könne jetzt Druck auf andere Parteien Druck aufbauen. Die Klimapolitik der Grünen habe sie schon verändert. 

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