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Schüler bei einer "Fridays for Future"-Klimademonstration in der Düsseldorfer Innenstadt.

© Federico Gambarini/dpa

Klimakabinett nimmt Arbeit auf: Bundesregierung bewegt sich zögerlich in Richtung Klimaschutz

Was tun gegen die Erderwärmung? Die Koalition hat das Thema lange vernachlässigt, nun scheint das schwarz-rote Regierungsbündnis zum Handeln entschlossen.

„Kohleausstieg jetzt" und „Ihr verheizt unsere Zukunft" steht auf gelben und grünen Plakaten. Auch am vergangenen Freitag protestieren die Schüler wieder für mehr Klimaschutz. Sie starten vor dem Bundeswirtschaftsministerium, dann geht es Richtung Kanzleramt. Die Chefin des Hauses, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), war Präsidentin der ersten Weltklimakonferenz überhaupt. Das war 1995 in Bonn, Merkel war Umweltministerin. Später rief sie „entscheidende Jahre" zur Bekämpfung des Klimawandels aus. Heute trägt die einstige Klimakanzlerin Verantwortung dafür, dass Deutschlands Klimapolitik einem Scherbenhaufen gleicht.

Das Klimaziel 2020 wird verfehlt, Emissionsrechte müssen wegen verpasster EU-Klimavorgaben teuer zugekauft werden. Und wie die Klimaziele 2030 erreicht werden sollen, das ist immer noch ein großes Rätsel. Zwar hat die Kohlekommission einen Plan für den Ausstieg aus dem fossilen Energieträger vorgelegt. Die Vorschläge der Verkehrskommission aber reichen nicht. Und für den Gebäudesektor gibt es noch gar keinen Plan.

Doch nun, nach der Trockenheit des vergangenen Sommers und angesichts streikender Schüler, soll Klimaschutz einen neuen Stellenwert in der Bundesregierung bekommen. Deshalb hat Merkel ein Klimakabinett eingerichtet. Die Idee: Die verantwortlichen Minister setzen sich im Kanzleramt an einen Tisch und diskutieren, wie Deutschlands Klimazielen für 2030 noch gehalten werden können. Die erste Sitzung findet vor Ostern statt. Wie oft man sich trifft, ob man die Sektoren nacheinander behandelt – alles noch unklar. Klar soll für die Leute aber sein: Klimaschutz ist jetzt wieder „Chefsache".

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), offiziell Geschäftsführerin des Klimakabinetts, wird ihre ganz eigenen Vorschläge mitbringen, darunter ein Konzept für CO2-Bepreisung in den Bereichen Verkehr und Wärme und ihre Vorstellung davon, wie ein Klimaschutzgesetz aussehen kann.

Dies beinhaltet, die Sektorziele des Klimaschutzplanes 2050 gesetzlich festzuschreiben, der schon 2016 im damaligen Bundeskabinett verabschiedet wurde. Der Union gefällt das nicht. Sie sucht nach Gründen, warum der Klimaschutzplan 2050 nicht gelten soll. „Diese Ziele wurden damals innerhalb der Bundesregierung vereinbart, sie wurden jedoch zu keinem Zeitpunkt vom Bundestag als dem allein demokratisch legitimierten Gesetzgeber beschlossen oder bestätigt", sagt etwa Joachim Pfeiffer, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag.

CDU-Chefin entdeckt Klimaschutz für sich

Doch dem Klimaschutz eine Absage zu erteilen, das hat Merkel deutlich gemacht, ist auch für die Union keine Option mehr. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Thema schon für sich entdeckt: „Ich will diese jungen Leute nicht verlieren, und ich will sie ernst nehmen", lautet ihre Ansage, als sie am vergangenen Mittwoch ein öffentliches Streitgespräch mit SPD-Chefin Andrea Nahles in Berlin absolviert, Thema „Zukunft der Volksparteien“. „Die Vorstellung, dass man Klimaschutz betreibt, ohne dass es irgendjemand merkt, ist illusorisch." Immer öfter spricht sie nun davon, dass dringend finanzielle Anreize gesetzt werden müssten, um Kohlendioxid zu reduzieren.

Eine noch weitergehende Kehrtwende gibt es bei CSU-Chef Markus Söder: Er fordert am vergangenen Wochenende gleich einen „Neuanfang für den Klimaschutz", nötig sei im Prinzip eine „grüne industrielle Revolution".

Und so stellt sich der Union die Frage, wie sie denn eine Energie- und Klimapolitik gestalten könnte, die Autobauer und Energiekonzerne zwar merkten – aber eben nicht allzu sehr.

Die Findungsphase lässt sich vor einer Woche im Adlon am Brandenburger Tor beobachten: Der CDU-Wirtschaftsrat hat zur Jahres-Energietagung eingeladen. An Stehtischen mit weißen Tischdecken, mit Weingläsern in der Hand, in denen Wasser sprudelt, stecken Unternehmer und Politiker die Köpfe zusammen.

Gerade hat Wirtschaftsminister Altmaier auf dem Podium versprochen, bei allem, was man in der Energie- und Klimapolitik tue, „ein Preisschild" dranzumachen. Von der Wirtschaft, allen voran der Autoindustrie, erwarte er Lösungsvorschläge, wie sie die Klimaziele 2030 erreichen wolle. „CO2-Preis drauf", sagt ein Unternehmer im Foyer, das sei ein sinnvoller Plan. Bloß keine Klimaziele erhöhen.

Altmaier will keinen CO2-Preis

Doch Altmaier macht auch im Adlon deutlich, dass es mit ihm keinen CO2-Preis geben soll: „Da sind die Messen lange nicht gesungen", raunen die Männer am Stehtisch. Später in der Woche wird auch die Mittelstandvereinigung der Union vorschlagen, den Europäischen Emissionshandel auf die Sektoren Verkehr und Wärme auszuweiten.

Das ist eine Möglichkeit, den Ausstoß von CO2 zu verteuern. Der Vorschlag markiert eine Kehrtwende für den Wirtschaftsflügel der Union in der Klimapolitik. Bisher haben sie dort vor allem vor Belastungen der Industrie durch Klimavorgaben gewarnt.

„Klimaschutz muss über Innovation gehen. Bloß keine Ökoplanwirtschaft", sagen die Unternehmer im Adlon. Es ist ein Seitenhieb auf Schulzes Plan vom Klimaschutzgesetz. Das Klimakabinett, das Merkel nun eingerichtet hat, beende „zum Glück" die Diskussion über Schulzes Entwurf.

Und so gibt es auch diese Lesart über Merkels Klimakabinett: Um die Sektorziele erneut aufzuschnüren und den Druck vom Thema Klimaschutz zu nehmen, habe die Kanzlerin das Gremium ins Leben gerufen. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sieht das so. Man solle doch sektorübergreifend denken, sagt der CSU-Politiker, als er vergangenen Donnerstag ausgerechnet zusammen mit Umweltministerin Schulze neue E-Busse in Berlin vorstellt.

Die wiederum findet Unterstützung für ihren Plan auch in der eigenen Fraktion. Der erste Aufschlag der Ministerin sei nur „logisch", sagt Matthias Miersch, Vizevorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und verantwortlich für Umweltthemen. Denn ein Klimaschutzgesetz ohne klar geregelte Verbindlichkeiten funktioniere nicht. Miersch kämpft seit jeher für eine ehrgeizigere Klimaschutzpolitik in seiner Partei, die ja traditionell jene der Kohlekumpel ist.

Doch angesichts der streikenden Schüler rückt nun auch SPD-Chefin Nahles den Klimaschutz in den Vordergrund. Es brauche dabei mehr Tempo, sagte Nahles am vergangenen Wochenende. Auch bei ihr also ein deutlicher Wandel: Vor einigen Monaten noch machte sie deutlich, dass ihre Partei für eine „Blutgrätsche gegen die Braunkohle" nicht zu Verfügung stehe.

Verzögerungen beim Klimaschutzgesetz

Gleichzeitig gibt sich Nahles zurückhaltend, wenn es um die Frage geht, wie viel Klimaschutz bei der Halbzeitbilanz der großen Koalition zählen soll: „Wenn wir jetzt jeden wichtigen Punkt immer zu einem Dingsbums machen würden", sagt die SPD-Chefin dazu im Streitgespräch mit Kramp-Karrenbauer. Wegen Klimaschutz will Nahles den Bestand der Koalition also offenbar nicht gefährden.

Verzögerungen beim Zeitplan des Klimaschutzgesetzes sind durchaus denkbar, weil es noch so viel Klärungsbedarf gibt. Falls es dieses Jahr doch nichts mehr wird mit dem Gesetz, sieht Unionspolitiker Pfeiffer das gelassen: „Die Welt geht auch nicht unter, wenn das Gesetz drei Monate später kommt."

Auf der Freitagsdemo sind die Schüler am Brandeburger Tor angekommen und rollen nun ihre Plakate ein. „Wir kommen wieder", rufen sie zum Abschluss.

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