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Die meisten Delegierten sind beeindruckt vom Auftritt des französischen Außenministers Laurent Fabius.

© dpa

Klimagipfel in Paris: Wie die Länder auf Linie gebracht werden sollen

Der Präsident des Pariser Gipfels, Laurent Fabius, versucht alles, um die Welt zum Erfolg beim Kampf gegen die Erderwärmung zu treiben.

Die gesamte Erfahrung seines politischen Lebens will Laurent Fabius einsetzen, damit der 21. Weltklimagipfel in Paris am Wochenende als Erfolg in die Geschichte eingeht. So sagt er es selbst. Frankreichs Außenminister ist Präsident des Gipfels. Ein erfahrener diplomatischer Haudegen, der alle Tricks kennt – und dessen Autorität niemand infrage stellt. Seine „persönlichen Bemerkungen“, die er zum Auftakt der entscheidenden Verhandlungswoche machte, sind von einigen als Versprechen, von anderen als Drohung verstanden worden.

Fabius treibt die Delegierten zur Eile an. Angesichts des für seine sozialistische Regierung katastrophalen Wahlausgangs bei der ersten Runde der Regionalwahlen am Sonntag, als die Rechtspopulisten um Marine Le Pen 30 Prozent der Stimmen gewannen, setzt Fabius alles daran, seinem Präsidenten François Hollande mit einem außenpolitischen Erfolg im Weltmaßstab zu stärken. Am Sonntag findet der zweite Wahlgang statt.

Völlig untypisch für den Klimaprozess kündigte Fabius schon am Dienstagabend die zweitletzte Fassung des Verhandlungspapiers für den Folgetag an. Am Mittwoch um kurz nach 15 Uhr wurde es dann an die Delegierten verteilt. Das, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Mittwoch, habe es „noch nie gegeben“. Jetzt könne sich niemand mehr hinter Verfahrensspielchen verstecken, wenn es eigentlich um inhaltliche Konflikte gehe. Die Verhandlungsführung von Fabius sei „glänzend“.

Das sagen übrigens alle – auch in Bezug auf die Organisation der Veranstaltung. Die temporären Hallen auf dem ehemaligen Flughafen im Pariser Vorort Le Bourget sind zwar nicht schön, aber zweckmäßig. Die Cafés auf dem Gelände bieten französisches Essen – „so gut war es noch nie“, sagt eine langjährige Beobachterin. Und sogar die Toiletten sind sauber. Dieses Wohlfühlklima wirkt sich auf das Verhandlungsklima aus.

Teilen und Herrschen

Offensichtlich zahlt es sich aus, dass Fabius sein Diplomatenheer in jeden Winkel der Erde ausgesandt hatte, um den Gipfel vorzubereiten. Er hat sich mit außergewöhnlichem Ehrgeiz selbst ins Zeug gelegt. Sogar nach den Terroranschlägen in Paris am 13. November, als er um die Welt reiste und eine Koalition gegen den „Islamischen Staat“ zimmerte, hat er keine Gelegenheit ausgelassen, über das Klima und den Pariser Gipfel zu sprechen. Fabius ist es sichtlich ernst. Wenn er zuhört, bilden sich zwischen seinen Augenbrauen zwei steile Falten, die seine Konzentration und Anspannung zeigen.

Fabius beherrscht aber auch die Kunst des „Teile und Herrsche“: Er hat schwierige Partner zu Mitverantwortlichen für den Erfolg gemacht. Staaten, die im Klimaprozess einen Ruf für ihr anarchisches Verhalten zu verlieren haben, hat Fabius schon vor den harten Auseinandersetzungen zwischen den USA, der EU, Indien, China und Saudi-Arabien eingefangen – Venezuela zum Beispiel.

"Drama Claudia"

Claudia Salerno, langjährige Klimaverhandlerin Venezuelas, die sich ihren Spitznamen „Drama Claudia“ redlich verdient hat, setzte Fabius am Dienstagabend ein, um die Präambel des künftigen Vertrags zu verhandeln. Sie bedankte sich artig, dass er ihr „die Verantwortung für diese schöne Aufgabe anvertraut“ habe. Den neuen Umweltminister der eben gewählten rechtskonservativen Regierung in Polen, Jan Szyszko, und seinen ägyptischen Kollegen Khaled Mohammed Fahmy Abdelall, beauftragte Fabius am Dienstagabend mit der Aufgabe, eine Formel dafür zu finden, wie im Klimaabkommen mit fossilen Ressourcen – von der polnischen Kohle bis zum eben erst entdeckten ägyptischen Gas im Mittelmeer – umgegangen werden soll. Ein großer Teil davon darf nicht mehr gefördert werden, wenn die Welt unter zwei Grad Erwärmung im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung bleiben soll.

Gemeinsam verschieden

Damit hat Fabius Zeit gespart. Die Vermittler werden wohl kaum das Abkommen zum Scheitern bringen, an dem sie selbst verantwortlich mitgearbeitet haben. Bis zum Ende am Freitag oder vielleicht doch erst am Samstag finden in Paris die harten Auseinandersetzungen statt, die ein ambitioniertes Klimaabkommen so schwer machen. Indien will Entwicklungsland bleiben und seine Treibhausgasemissionen noch lange nicht senken: im Konferenzjargon CBDR (Common but differenciated responsibility), die gemeinsame, aber verschiedene Verantwortlichkeit.

Die USA können diese Teilung nicht akzeptieren, zumal die Schwellenländer inzwischen einen höheren Treibhausgasausstoß haben als die Industrieländer. Dennoch warb Außenminister John Kerry mit einer einstündigen Rede in Paris leidenschaftlich für ein ambitioniertes Abkommen und deutete auch an, dass womöglich Entschädigungszahlungen auf Industriestaaten zukommen könnten, wenn es mit dem Klimaschutz jetzt nicht ernst wird.

Bis Mittwoch war Indien trotzdem noch nicht bereit, der CBDR einen Halbsatz hinzuzufügen, auf den China sich in der gemeinsamen Erklärung mit den USA bereits eingelassen hat – nämlich „entsprechend ihrer Fähigkeiten unter Berücksichtigung der nationalen Umstände“. Das würde bedeuten, Indien unternimmt weniger, aber auch Indien verpflichtet sich zum Klimaschutz. Ebenso konfliktträchtig ist weiterhin das Geld. Indien und andere Entwicklungsländer wollen, dass weiterhin nur die reichen Industrieländer für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel zahlen müssen.

Industriestaaten gegen Entwicklungsländer

Die Industriestaaten dagegen finden, reiche Ölscheichtümer oder China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt könnten ebenfalls Geld für die armen und verletzlichen Staaten aufbringen. Am Ende geht es immer um die Frage: Was ist gerecht, wenn die Industriestaaten in der Vergangenheit und bis heute ein Problem geschaffen haben, unter dem arme Entwicklungsländer, die kaum Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen haben, am meisten leiden? Um das zu lösen, wird Fabius tatsächlich die Erfahrung seines ganzen politischen Lebens brauchen.

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