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Politik: Kleines Kosovo, große Clans

Vier Jahre nach dem Nato-Einmarsch sind die Probleme unübersehbar. Einheimische machen auch die UN dafür verantwortlich

Robert Bergmann ist sauer. „Die lokale Polizei war gewarnt. Die mussten nur die Einfahrten zur Stadt kontrollieren. Und trotzdem stand das Ding am nächsten Morgen da.“ Grund des Ärgers des deutschen Brigadegenerals der internationalen Schutztruppe für das Kosovo (Kfor) ist eine Statue in Prizren, wo das deutsche Kfor-Kontingent stationiert ist. Das mehr als mannshohe Denkmal zeigt einen Kämpfer der aufgelösten Albanermiliz UCK – aufgestellt von Veteranen der ehemaligen Kosovo-Befreiungsarmee, ohne Genehmigung, aber ganz offensichtlich mit Billigung der örtlichen Polizei. Eine Provokation gegen Kfor und die UN-Verwaltung Unmik, und ein weiterer Versuch, einen Mythos um die Guerillatruppe zu spinnen, die von vielen als Terrorgruppe eingestuft wird.

Der Vorfall in Prizren zählt zwar zu der harmloseren Sorte, ist aber vier Jahre nach dem Einmarsch der Nato-Truppen bezeichnend für die Situation im Kosovo. Noch immer sind 25 000 Kfor-Soldaten und 9700 Polizisten nötig, um die Situation einigermaßen stabil zu halten. Von einem friedlichen Miteinander der Albaner, die etwa 90 Prozent der 2,2 Millionen Kosovaren ausmachen, und der serbischen Minderheit, ist keine Rede. Nur mühsam gelingt es, den Hass zu unterdrücken, der dann doch immer wieder eskaliert. Zwar spricht man in Diplomatenkreisen von einer deutlich gesunkenen Zahl der Morde. Doch immer wieder kommt es zu Attentaten auf Zeugen für Kriegsverbrecher-Prozesse. Und hier, so heißt es in Pristina, sei die Aufklärungsrate sehr gering. „Das Kosovo ist klein, die Clans sind groß“, sagt ein Mitglied der internationalen Polizeitruppe. Für für die lokale Polizei KPS arbeiten inzwischen 5239 Kosovaren für etwa 240 Euro im Monat. Das ist wenig und macht den einen oder anderen anfällig, das weiß auch Michael Steiner, seit eineinhalb Jahren Chef der Unmik: „Aber wir brauchen die Einheimischen, anders haben wir überhaupt keine Chance gegen die organisierte Kriminalität.“

Steiner gibt seinen Job als „König vom Kosovo“ – wie ihn Kritiker gerne nennen – im Herbst auf. Der 53-Jährige wird deutscher UN-Botschafter in Genf. Wenn er über die Bilanz seiner Arbeit spricht, verbirgt er mühsam seine Enttäuschung – über Serben und Albaner, und über die internationale Gemeinschaft. Es sei schon viel erreicht, sagt Steiner beinahe trotzig. Immerhin habe es drei freie Wahlen gegeben, ein vorläufiges Parlament arbeite mit Beteiligung der serbischen Minderheit und die Verwaltung entwickele sich.

Steiner räumt aber ein, dass die Probleme unübersehbar sind. Einzelne Unternehmer haben den Sprung gewagt, doch die Privatisierung verläuft sehr schleppend. Die Arbeitslosigkeit in der ehemaligen jugoslawischen Republik, wo es von je her kaum Industrie gab, liegt bei weit über 60 Prozent, Ausbildungsplätze sind Mangelware – in einer Region, in der über 50 Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahre ist. Der Euro ist zwar schon da, aber alle Experten sind sich einig, dass der Kosovo lange auf die Finanzspritzen des Westens angewiesen sein wird. Die Staatssekretärin für Entwicklungspolitik, Uschi Eid, sagte bei einem Besuch gerade weitere 18,7 Millionen Euro für Aufbauarbeit zu. Steiners Appell ist eindeutig: „Wir brauchen eine europäische Perspektive. Wenn Europa dem Kosovo nicht hilft, seine Gefängnisse zu füllen, wird das Kosovo bald die Gefängnisse in Europa füllen.“

Während Steiner von den Kosovaren verlangt, sich zunächst im Kleinen zu beweisen, sieht Premier Bajram Rexhepi einen Hauptgrund für die Misere in der ungeklärten Status-Frage und der Bevormundung durch die Unmik: „Wir können nicht ewig Sklaven der UN bleiben. Wenn wir nicht als selbstständiges Land anerkannt sind, können wir keine Verträge mit Investoren abschließen.“ In Serbien rechnet kaum jemand mit der Rückkehr der Provinz in den Staatenbund. Aber in einem autonomen Kosovo zu leben, ist für die verbliebenen Serben kaum vorstellbar. Ein deutscher Polizist, der in einer serbischen Enklave arbeitet, spricht von „ganzen Dörfern, die auf gepackten Koffern sitzen“.

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