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Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke).

© dpa/ Fabian Sommer

Klaus Lederer über Sahra Wagenknechts Kritik: „Ich finde, sie sucht sich die falsche Baustelle“

Sahra Wagenknecht kritisiert die identitätspolitische Ausrichtung der Linken. Berlins Kultursenator wirft ihr vor, Debatten gegeneinander auszuspielen.

Klaus Lederer ist Kultur- und Europasenator von Berlin. Von 2007 bis 2016 war er Berliner Landesvorsitzender seiner Partei.

Herr Lederer, die letzten Wahlergebnisse und Umfragen sind nicht ermutigend für sie als Berliner Spitzenkandidat der Linken. Hat Sahra Wagenknecht mit ihrer Kritik an der identitätspolitischen Ausrichtung der Partei vielleicht Recht?
Ich finde, sie sucht sich die falsche Baustelle. Emanzipatorische Debatten sind absolut notwendig. Sie müssen aber zusammen geführt werden mit den Debatten über gesellschaftliche Ungleichheit, dann verstärken sich beiden gegenseitig.

[Mehr zum Thema: Sahra Wagenknecht über linke Großstädter:„Auf Menschen, die anders leben, wird herabgesehen“ (T+)]

Harvey Milk ist als erster schwuler Stadtrat von San Francisco nicht deswegen so stark gewesen, weil er nur für die Rechte der Homosexuellen gekämpft hat, sondern weil er Verbindungen geschaffen hat zu allen marginalisierten Gruppen, auch zur Arbeiterklasse, den sozial und ökonomisch Benachteiligten. Wagenknecht macht leider das, was sie anderen vorwirft: nämlich Debatten, die miteinander verbunden sind, gegeneinander zu verhandeln.

Mehrere Mitglieder haben ein Parteiausschlussverfahren beantragt.
Ich halte nichts davon, politische Differenzen administrativ auszutrage.

Schaden die identitätspolitischen Debatten der Linken?
„Identitätspolitik“ ist ja ein Sammelbegriff. Worum aber geht es denn eigentlich: Es geht um Anerkennung und Gleichberechtigung, um gleiche Zugänge und ein Leben frei von Diskriminierung. Der Begriff Identitätspolitik muss inzwischen herhalten, um unangenehme Debatten aus der Perspektive der privilegierten Mehrheitsgesellschaft beiseite zu schieben.

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Individuelle Betroffenheiten, individuelle Perspektiven sind ein wichtiger Ausgangspunkt für Debatten, aber es muss ein kommunikativer Austausch möglich bleiben, sonst werden alle auf sich selbst zurückgeworfen. Dann schadet das nicht nur der Linken, sondern der gesamten Gesellschaft. Sozioökonomische Fragen, also Fragen von sozialer Teilhabe, dürfen nicht ausgeblendet werden.

Verwenden Sie das Wort „Indianer“, für dessen Gebrauch sich die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch entschuldigt hat?
Das ist ja eine pauschalisierende Festlegung für völlig unterschiedliche Gruppen und eine europäische Fremdbeschreibung. Es gehört deshalb heute nicht mehr zu meinem Sprachschatz. (tsp)

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