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Voll nur an Weihnachten, oder zu besonderen Anlässen, hier bei einer Kinderwallfahrt. Die Kirchen verlieren in Deutschland weiter Mitglieder.

© dpa

Kirchenaustritte: Ehe es zu spät ist: Reform jetzt

Die Kirchen sind im Niedergang. Wenn das so weiter geht, enden sie in den Katakomben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Die klügste Reaktion, weil abgewogen und nicht zu eifernd, ist die, nicht zu verleugnen, was ist. Und der Abwärtstrend der beiden großen Kirchen in Deutschland, der katholischen und der evangelischen, ist nicht zu leugnen. Da mögen beide sagen, dass sie weniger Mitglieder verloren haben als im Vorjahr – aber sie haben sie eben verloren. Und das geht seit Jahren so, im zweistelligen Prozentbereich. Das sind immer wieder Zehntausende.

Ein Konservativer wie Kardinal Gerhard Müller hat nicht deshalb schon Unrecht, weil er eher zu den Eiferern zählt; sein Wort von der Entchristlichung der Gesellschaft trifft es genau. Die Menschen wenden sich in Scharen, jawohl, in Scharen ab. Auch weil die beiden Organisationen sich nicht nur schwertun mit Veränderungen, sondern so schwerfällig darin sind, sie zu vollziehen.

Die katholische Kirche gleicht einer moderigen Kathedrale

Die katholische Kirche erinnert immer wieder an, bildlich gesprochen, eine Kathedrale: hochaufragend, stolz, aber mit finsteren Ecken, aus denen dann auch noch zuweilen ein Geruch von Moder dringt. Die jüngsten Berichte über Missbrauch und Misshandlungen – und mindestens Grobheiten auch vom Bruder des gewesenen Papstes – lassen solche Gedanken wieder auferstehen.

Die evangelischen Kirche, die sich so viel auf ihre aufgeklärte Haltung zugute hält, hat aber ebenso ihre blinden Flecken. Immer diese Nähe zum Staat! Als könne sie sich nicht davon lösen, in der Hoffnung, ewig auf staatliches, politisches Handeln Einfluss zu nehmen – sich aber dabei nicht erwischen zu lassen. Der Kirchentag im Reformationsjahr hat es gezeigt. Die Reaktion ist allerdings eher so eine Art Stuhlkreis, wie er in dieser Kirche dann üblich ist, wenn es eine womöglich kritische Diskussion zu moderieren gilt. Bis hin zu moderaten Positionen.

Reform jetzt - die katholische Kirche kann sich sonst tatsächlich irgendwann in Katakomben versammeln

Nur ist das alles nicht mehr genug. Wie sagt der Jesuitenpater Hans Langendörfer, Sekretär der katholischen Bischofskonferenz? Es gelte, sich „neu auszurichten“. Und wie sagt der Cheftheologe der Evangelischen Kirche, Thies Gundlach? Bei einem Großteil der 20- bis 30-Jährigen fehle heute das Verständnis für einen offenen Himmel oder das Verhältnis zu Glaube und Gott. Diese Entwicklung sei „sehr traurig und ein existenzielles Problem für unsere Kirche und den Glauben“. Genau – und deshalb haben beide recht.

Die Kirchen müssen an sich arbeiten, und das schneller, als sie denken. Sich öffnen, ihre Relevanz im täglichen Leben nachweisen, praktisch und spirituell, das ist die Anforderung. Die katholische Kirche kann sich sonst tatsächlich irgendwann in Katakomben versammeln, weil ihr nur die glühend Gläubigen folgen; und die evangelische geht an ihrer Dominanz der Beliebigkeit ein. Wenn beide doch nur zusammenarbeiten wollten, beide Reformen anstießen, das Reformationsjahr als neue Herausforderung verstünden! Aber sie lassen es in ökumenischer Eintracht verstreichen.

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