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Im Gespräch: Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm (l-r), Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Beginn des Festakts des 500. Jahrestag des Beginns der Reformation im Oktober.

© Hendrik Schmidt/dpa

Kirche und Politik: Die Krise der Moralproduzenten

Die Kirchen sind nur noch Kulissen für Wertdebatten - prägen können sie sie nicht mehr, schreibt unsere Kolumnistin.

In dieser Woche geht das Kirchenjahr zu Ende. Es war für die beiden großen Kirchen kein gutes, trotz Luther und freundlichen Jubiläumsterminen. Selten war der Graben zwischen Politik und Kirchen so tief. Die Kirchen sind noch eine schöne Kulisse für Wertedebatten. Prägen können sie sie nicht mehr.

Zuerst eskalierte der Ärger über die Einmischung der Kirchen in der Flüchtlingsfrage. Vor einem Jahr forderte der bayerische Finanzminister Markus Söder sie auf, sich gefälligst aus der Politik herauszuhalten und sich um ihren eigenen Kram – die Seelsorge – zu kümmern. Die Unionspolitiker hatten genug von der moralischen Dimension der Flüchtlingsfrage, die Kirchen liefen mit ihrem Rigorismus vor die Wand. Dann kam die „Ehe für alle“. Verständnislos schüttelten Politiker aller Parteien den Kopf, als die katholische Kirche die Begeisterung über die Gleichstellung nicht teilen wollte. Die Gedankenwelt der Kirche wurde mit Spott betrachtet.

Nie waren die Kirchen und die Politik so weit voneinander entfernt

Und zum Schluss zeigte eine Petitesse, dass der Katholizismus in der CDU kaum mehr als eine Art besonderer Würze für Personal- und Merkelfragen geworden ist. Als bekannt wurde, dass die ehemalige Wissenschaftsministerin Annette Schavan möglicherweise Chefin der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung werden könnte, illuminierten die parteiinternen Gegner ein vermeintlich mafiöses katholisches Netzwerk der Merkel-Vertrauten, die heute Botschafterin im Vatikan ist. Um mangelnde Qualifikation ging es nicht, als hämisch beklagt wurde, dass schavannahe Katholiken in Berlin Staatssekretäre oder – Skandal! – sogar Direktoren der katholischen Akademie werden können.

Die Bundeskanzlerin sagte bei ihrer Rede zum Luther-Jubiläum vor wenigen Wochen, dass die Politik sich bei aller religiöser und weltanschaulicher Neutralität der Aufgabe stellen müsse, „ein gemeinsames Wertefundament zu beschützen und zu bewahren“. Wie das gehen kann, wenn man die Produzenten dieses Fundaments für aus der Zeit gefallene Narren hält, hat sie nicht gesagt. (Die Autorin merkt an dieser Stelle der Transparenz wegen an, dass sie katholisch ist.)

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