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Auch für Kinder könnte bald ein Corona-Impfstoff bereitstehen.

© picture alliance/dpa

Kinder Personengruppe mit den höchsten Inzidenzen: Impfexperte rechnet mit baldigem Impfstoff für Kinder

Wegen geöffneter Schulen und hoher Inzidenzen wird der Ruf nach Impfstoffen für Kinder lauter. Eine Zulassung rückt immer näher.

Von Lou Siebert

Die steigenden Inzidenzen bei Kindern im Kita- und Schulalter werfen die Frage auf, wann in Deutschland auch Kinder geimpft werden. Die Angst, dass sie unbemerkt Familienmitglieder anstecken und dadurch womöglich in Lebensgefahr bringen ist groß.

„Jeder muss sich fragen: was bringt mein Kind heute aus der Schule mit. Denn Fakt ist: Kinder sind derzeit die Personengruppe mit den höchsten Inzidenzen.“, so Niedersachsens Elternvertreterin Cindy-Patricia Heine zum Tagesspiegel. Die politischen Entscheidungsträger hätten es versäumt, trotz gefährlicherer und ansteckenderer Virusvarianten, die Bildungseinrichtungen zu sicheren und verlässlichen Orten zu machen. „Die Bedrohungslage für die Schulgemeinschaft und ihre Familien ist massiver denn je“, so Heine.

Das Problem ist: Bei Kindern verläuft eine Corona-Infektion oft symptomlos, sie sind jedoch trotzdem ansteckend und können ihre Eltern infizieren. Außerdem haben sie durch den Schulbesuch recht viele Kontakte.

Auch deshalb werden immer mehr Forderungen laut, Kinder und Jugendliche schnellstmöglich zu impfen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil etwa fordert vom Bund mehr Engagement bei der Impfstoffbeschaffung für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren.

Weil zum Tagesspiegel: „Aus Fehlern muss man lernen – ich würde mir wünschen, dass der Bund bei der Beschaffung von Impfstoffen für junge Menschen bei der EU-Kommission darauf drängt, dass die Entwicklung und dann die Produktion solcher Impfstoffe intensiv vorangetrieben und gegebenenfalls finanziell unterstützt wird.“

Weil fordert, frühzeitig Kontingente für Deutschland und Europa zu sichern. „Sollte die Entscheidungsfindung auf EU-Ebene erneut zu stockend verlaufen, müsste Deutschland gegebenenfalls selbst tätig werden“, sagt er.

Noch ist kein Impfstoff für unter 16-Jährige zugelassen

Doch derzeit stehen die Impfungen den Kindern als eines der wichtigsten Mittel in der Pandemiebekämpfung nicht zur Verfügung. Für unter 16-Jährige gibt es noch gar keinen zugelassenen Impfstoff. Der mRNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer ist bislang für Jugendliche ab 16 Jahren zugelassen. Hoffnung keimte zuletzt aus den USA auf. Die Hersteller hatten angekündigt, ihren Corona-Impfstoff in den Vereinigten Staaten künftig auch bei Jugendlichen von 12 bis 15 Jahren einsetzen zu wollen, der Antrag auf Zulassung ist bei den Behörden eingereicht.

Die Impfstoffhersteller Pfizer und Biontech sind in der Forschung schon sehr weit.
Die Impfstoffhersteller Pfizer und Biontech sind in der Forschung schon sehr weit.

© imago images

Und auch die EU-Kommission hatte am vergangenen Freitag im zuständigen Ausschuss der Mitgliedsstaaten Pläne vorgestellt, wonach bis zu 1,8 Milliarden Corona-Impfdosen für Auffrischungen und für Kinder bestellt werden sollen. Zunächst werde man mit dem Hersteller Biontech/Pfizer verhandeln, heiß es aus Brüssel. Die ersten Dosen sollen bereits in diesem Jahr geliefert werden.

Impfexperte: Es kann „relativ zügig gehen“

Auch Impfexperte Carsten Watzl geht davon aus, dass es bald einen Corona-Impfstoff für Kinder geben wird. Watzl zum Tagesspiegel: „Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Die erste Studie an Kindern, also den 12 bis 15-Jährigen, scheint von Biontech/Pfizer abgeschlossen zu sein. Und, da es sich nicht um einen neuen Impfstoff handelt, kann es auch relativ zügig gehen.“

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Zu den Kriterien der EU-Kommission gehört, dass es sich um Impfstoffe auf Grundlage der mRNA-Technologie handelt. Mit den Präparaten von Biontech/Pfizer und Moderna sind bislang zwei Impfstoffe dieser Art in der EU zugelassen. Im Sommer könnte das Mittel von Curevac hinzukommen. Weitere Voraussetzungen sind, dass der Impfstoff in Europa produziert wird und dass das Unternehmen ausreichende Produktionskapazitäten hat.

„Grundsätzlich arbeiten alle Hersteller daran, Impfstoffe auch für Kinder und Jugendliche zulassen zu können. Diejenigen, die am Anfang die schnellsten waren, sind es auch jetzt.“, so Impfexperte Watzl mit Blick auf die Hersteller Biontech und Pfizer.

Nur bei den kleinen Kindern, etwa den Dreijährigen, gingen die Forschungen derzeit noch etwas langsamer voran, da man dort erst die richtige Dosis finden müsse, so Watzl. Auch US-Experten rechnen nicht vor Anfang 2022 mit der Zulassung für diese Altersgruppe. Klinische Studien für Babys ab sechs Monaten und für jüngere Kinder hätten aber bereits begonnen.

[Mehr zum Thema: Tagesspiegel Live am 22. April: Wir beantworten Ihre Fragen zum Impfen]

Kann die Impfung von Kindern schneller zu Herdenimmunität führen?

Doch welchen Effekt hätten die Impfungen der unter 16-Jährigen? Könnte so schneller Herdenimmunität erreicht werden? Watzl: „Fest steht jedenfalls, dass wir auch die unter 16-Jährigen, das sind immerhin über 10 Millionen Menschen, irgendwann erreichen müssen. Ein Impfstoff für junge Menschen kann deshalb durchaus zur Herdenimmunität beitragen.“

Eine Abweichung von der Impf-Priorisierung hält der Impfexperte jedoch derzeit nicht für sinnvoll. „Unsere einzige Chance in der Dritten Welle ist es, weiterhin vulnerable Gruppen zu schützen. Das Geschehen zeigt, dass wir es geschafft haben, die über 80-Jährigen zu schützen und mit dieser Priorität sollten wir auch weitermachen.

Zwar scheint insbesondere die britische Variante des Virus auch bei Kindern anzuschlagen, aber es bleibt dabei, dass das Risiko am Coronavirus zu sterben, doch nach wie vor durch Vorerkrankungen und das Alter bestimmt wird.“ Für den Sommer fordert Watzl, alle, die wollen, so schnell wie möglich zu impfen. „Der Test wird dann letztendlich sein, dass im Herbst eben keine vierte Welle kommt.“

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