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Surfend in die Sucht? Kinder nutzen immer früher Tablets und Co.

© Getty Images/iStockphoto

Kinder im Internet: Ins Netz gegangen

Immer früher nutzen Kinder Tablets und Smartphones. Apple-Aktionäre fordern deshalb spezielle Sicherungen. Was kann das bringen?

Mit dem Entsperren des iPhones hapert es noch. Alles andere ist kein großes Problem: die Youtube-App öffnen, eine Folge der beliebten Zeichentrick-Serie Peppa Wutz auswählen und Play drücken. Fertig. Für einen Vierjährigen stellt das kein großes Problem dar. Auch dass am Ende automatisch weitere Folgen beginnen oder man sich durch ein einfaches Wischen am Bildschirmrand andere Episoden auswählen kann, ist längst gelernt. Taucht plötzlich eine Whats-App-Nachricht oder eine Eilmeldung auf dem Bildschirm auf, wird diese einfach gekonnt weggewischt. Ohne Eingreifen und Reglementierung könnten Kinder problemlos lange Zeit am Smartphone verbringen. Und viele Eltern stellen sich die Frage, wie viel gut ist und ab wann es bedenklich wird. Der Technologiekonzern Apple gerät nun durch die eigenen Anteilseigner unter Druck. Denn zwei Aktionäre fordern den Konzern auf, eine technische Lösung zu entwickeln, die verhindern soll, dass Kinder und Jugendliche süchtig nach dem iPhone werden.

Wer steht hinter der Forderung?

Es sind zwei Großinvestoren, die Apple zum Handeln auffordern. Jana Partners ist ein amerikanischer Hedgefonds, den der Milliardär Barry Rosenstein gegründet hat. Er ist ein sogenannter aktivistischer Investor: Übernimmt er ein großes Aktienpaket an einem Unternehmen, will er dort Einfluss nehmen – sei es über Gespräche mit dem Management oder über öffentlichen Druck. Dass er seine Forderungen durchaus durchsetzen kann, hat Rosenstein erst im vergangenen Jahr bewiesen. Damals drang er auf einen Verkauf der amerikanischen Supermarktkette Whole Foods, an der er beteiligt war. Tatsächlich kam es wenig später zur Übernahme: Amazon kaufte Whole Foods und bescherte Rosenstein einen Millionengewinn. Der zweite Investor, der nun bei Apple aufbegehrt, ist der Pensionsfonds Calstrs, der die Renten für hunderttausende Lehrer aus Kalifornien anlegt. Der Fonds unterstützt inzwischen immer öfter aktivistische Investoren, um stärker Einfluss auf die Unternehmen zu nehmen, in die er investiert.

Warum mischen sie sich die Investoren ein?

Sie fürchten, dass der Aktienkurs von Apple leiden könnte, wenn sich in der Gesellschaft die Einstellung durchsetzt, dass die exzessive Smartphone-Nutzung Jugendlicher ein Problem ist. Die Investoren wünschen sich deshalb, dass der Tech-Konzern mit gutem Beispiel vorangeht. „Der Applekonzern kann Maßstäbe setzen, in dem er eine besondere Aufmerksamkeit auf die Gesundheit und Entwicklung der jüngeren Generation legt“, schreiben die Investoren in ihrem Brief, aus dem das „Wall Street Journal“ zitiert. Die Investoren fordern also eine gesellschaftliche Verantwortung von Apple ein – in der Hoffnung, dass das letztlich auch gut fürs Geschäft ist.

Wie viel konsumieren Kinder bereits?

Der Internetkonsum von Kindern hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Fast die Hälfte aller Sechs- bis Siebenjährigen gab 2017 in einer Studie des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom an, zumindest gelegentlich das Internet zu nutzen. Hatten im Jahr 2014 noch 20 Prozent von ihnen ein Smartphone benutzt, stieg der Anteil im vergangenen Jahr auf 38 Prozent. Tablets nutzen demnach inzwischen zwei Drittel von ihnen. Folglich steigt auch die Zeit, die Kinder täglich im Netz verbringen von 11 auf 39 Minuten bei den Jüngeren und von 16 auf 43 Minuten bei den Kindern zwischen acht und neun Jahren. Nicht eingerechnet wird dabei die Zeit, die Kinder vor Spielkonsolen oder digitalen Spielen außerhalb des Internets verbringen.

Ein eigenes Smartphone zu besitzen wird für Kinder auch immer normaler. 87 Prozent der Kinder ab zehn Jahren besitzen der Bitkom-Studie zufolge ein internetfähiges Mobiltelefon. „Ins Internet ,zu gehen’ ist den Kindern von heute völlig fremd, sie sind ,always on’ – egal wo und egal wann“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg bei der Präsentation der Studie, für die 926 Kinder zwischen sechs und 18 Jahren befragt worden waren.

Welche Auswirkungen hat das?

Daddeln am Smartphone oder Laptop macht dumm – so lautet ein beliebter Vorwurf. „Nicht unbedingt“, sagt Klaus Hurrelmann. Glaubt man dem Bildungsexperten, der an der Hertie School of Governance unterrichtet, kommt es auf die Inhalte an, die Nutzungsdauer und die Konstellation. „Verbringt ein Kind viele Stunden in virtuellen Welten, drohen Realitätsverlust, Konzentrationsschwierigkeiten und soziale Isolation“, warnt der Professor. Wer dagegen mit anderen zusammen ist, sinnvolle Inhalte aufruft und nicht stundenlang am Handy hängt, könne sogar profitieren, meint Hurrelmann. Dass jedoch immer mehr Menschen unter den Folgen eines zu exzessiven Computerkonsums leiden, bestätigt inzwischen auch die Weltgesundheitsorganisation.

Die WHO will künftig Computerspielsucht offiziell als Krankheit aufführen. Das sieht der Entwurf neuer Richtlinien vor, den die Organisation am Freitag in Genf vorgestellt hat. Als süchtig gälten demnach jene, die mit dem Spielen nicht mehr selbst aufhören könnten und das Spielen am Computer über andere Interessen stellten. Für die Feststellung gilt der WHO zufolge ein Zeitraum von zwölf Monaten. Die Organisation erhofft sich davon mehr Aufmerksamkeit bei Diagnose und Behandlung.

Was können Eltern präventiv machen? Kinder bis zum Alter von drei oder vier Jahren sollte man nicht ermutigen, zum Handy zu greifen, sagt Experte Hurrelmann. Man solle die Geräte aber auch nicht verteufeln, sonst werden sie zu spannend. Ein fünfjähriges Kind könne man 20 Minuten am Tag allein spielen lassen, Ältere entsprechend länger. Technische Zeitkontrollen, wie sie jetzt bei Apple im Gespräch sind, findet Hurrelmann nicht schlecht, Jugendliche seien aber erfahrungsgemäß sehr versiert darin, die Kontrollen zu umgehen. Letztlich geht es darum, Kinder und Jugendliche für den Umgang mit elektronischen Geräten fit zu machen: „Ohne Selbstkontrolle geht nichts“.

Welche Programme bieten Schutz?

Unternehmen haben schon lange den Markt für Kindersicherungen und Kontrolle im Netz erkannt. Oftmals werden dabei Webfilter angeboten, die verhindern sollen, dass Kinder absichtlich oder unabsichtlich auf unerwünschte Seiten gelangen. Eltern können auch Listen erlaubter Seiten erstellen – alle anderen sind dann verboten. Ebenfalls beliebt sind sogenannte Bildschirm-Zeiten, bei denen Eltern festlegen können, wie lange Computer und Smartphone pro Tag von den Kindern genutzt werden dürfen. Ist die Zeit aufgebraucht, fährt der Computer automatisch herunter und das Smartphone zeigt einen Sperrbildschirm. Viele Produkte sind jedoch kostenpflichtig. Kostenfrei ist dagegen die Software „KinderServer“. Dabei surfen Kinder nur auf Seiten, die ein Alterskennzeichen bis zwölf Jahre tragen oder sich unter den rund 11000 geprüften Angeboten der Kindersuchmaschinen „Frag Finn“ und „Blinde Kuh“ befinden. Die Initiative „Schau Hin!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet alltagstaugliche und anschauliche Anregungen zur Medienerziehung unter www.schau-hin.info

Was sagt die Branche?

Apple selbst lehnte einen Kommentar zu dem Zeitungsbericht ab und verwies auf Anfrage lediglich auf seine technischen Empfehlungen , wie Nutzer bei ihrem iPhone bestimmte Apps und Funktionen sperren können. Der US-Konzern spricht von „Einschränkungen, auch Kindersicherung genannt“. Weitere Angaben zum Thema Jugendschutz machte das Unternehmen nicht. Fachleute loben aber die einfachen und flexiblen Möglichkeiten, die Nutzung von iPhones oder iPads einzuschränken. Dies, so heißt es, sei bei Android-Geräten komplizierter.

Apples schärfster Wettbewerber Samsung kommentierte den angeblichen Vorstoß der Apple-Investoren nicht. Medienerziehung sei „ein wichtiges Thema, mit dem sich Samsung auch intensiv beschäftigt“. So verteilt der Smartphone-Hersteller etwa einen „Tablet-Ratgeber für smarte Eltern“ oder veröffentlichte im Herbst 2017 ein „Plädoyer für eine neue Lernkultur“. Darin spricht sich Samsung auch für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technik aus: „Nicht nur Kinder haben mitunter Probleme, aus den virtuellen Welten wiederaufzutauchen“, heißt es bei dem Konzern. „Und nicht alles, was im Netz verfügbar ist, ist auch moralisch vertretbar und gesellschaftlich wünschenswert.“

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