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Ecstasy

© Getty Images/iStockphoto

Kinder auf Partydrogen: Dem Berliner Liberalismus gehören Grenzen gesetzt

Berlin will hip sein und Partyhauptstadt. Die Politik ist mit dem Drogenproblem überfordert – sie muss sich Rat bei Franziska Giffey holen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Bemerkenswert ruhig ist die sonst gern so aufgeregte Berliner Politik über den Alarmruf eines Stadtrats zum Ecstasy-Konsum unter Jugendlichen hinweggegangen. Kinder auf Partydrogen – das ist Berlin? Niemand kann überblicken, wie viele die bunten Billigdrogen nehmen – und wie jung die jüngsten Konsumenten sind. Und das ist kein Berliner Stadtrand-Problem. Hinter der ärztlichen Schweigepflicht und Klinikmauern verschwinden all jene, die ihr jugendliches Suchtproblem mit professioneller Hilfe zu lösen versuchen.

Der besondere Berliner Aspekt dabei: Hier will niemand genaueres wissen. Die Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention, Kerstin Jüngling, hat es auf den Punkt gebracht und der Stadt (einschließlich ihrer Politik) „ein grundsätzliches Problem“ attestiert. Berlin wolle hip sein und Partyhauptstadt, die Erwachsenen hätten „aufgegeben“; sie setzten keine Grenzen mehr.

In der Partymetropole, mit ihren Exzessen von Freitagnacht- bis Montagvormittag, bietet der Senat den Feiernden lieber den kostenlosen Drogentest. Kultursenator Klaus Lederer, der beliebteste Politiker, hat dies im Interview mit dem Tagesspiegel begründet: Er halte es für wichtig, „dass Leute begreifen, wie gefährlich Drogen sein können und auf leichtsinnigen Umgang verzichten“. Noch besser wäre aber „Drug checking“ nach dem Vorbild der Schweiz: „Wenn sich Probleme durch Verbote nicht lösen lassen, muss man alles dafür tun, Risiken zu minimieren.“

Immerhin: Lederer wagt sich an das Thema, obwohl er nicht dafür zuständig ist. Der letzte, der sich auf konträre Weise daran wagte, war der CDU-Innensenator Frank Henkel mit dem aufreibend sinnlosen Versuch, den Görlitzer Park von seiner Dealer-Plage zu befreien. Henkel hatte damit die Polizei strapaziert und den sogenannten Liberalismus all jener Berliner, die sagen: Die einen saufen, die anderen kiffen, und wieder andere koksen in der Stadt - so ist das eben.

Auch die SPD kann Ordnungspolitik betreiben

„Wenn wir weiter so megacool tun, schränken wir soziale Fürsorge ein“, sagt Fachfrau Kerstin Jüngling. Trotzdem hat die Gesundheitssenatorin die Alarmzeichen ebenso gekonnt übersehen wie der Innensenator, von der Jugendsenatorin oder dem Justizsenator ganz zu schweigen. Das Problem ist hier zwar erschreckend deutlich zu erkennen, und doch weist es über die Grenzen Berlins hinaus. Es ist offenbar auch für die Stadtpolitik ein paar Nummern zu groß. Und verlangt nach jemanden, der die Situation kennt – und eine Vorstellung davon hat, wie man sie verändern könnte.

Die Ministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend ist so jemand. Franziska Giffey wird man nicht zum Zuhören zwingen müssen, wenn von immer jüngeren kiffenden Jugendlichen die Rede ist und von Billig-Pillen, die noch die tristeste Kindheit kurzfristig erträglich erscheinen lassen.

Giffeys rasche Karriere gründet weniger auf ihrer Promotion als auf ihrer Bereitschaft, das anzugehen, was gesellschaftlich falsch läuft, auch wenn solche Prozesse nicht von jetzt auf gleich zu verändern sind. Ein Beispiel? Die Neuköllner Ordnungspolitik mitsamt einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft geht auf ihre Initiative zurück. Das entschiedene Vorgehen gegen kriminelle Clans zeigt: Auch SPD-Politikerinnen können durchaus Ordnungspolitik betreiben.

Dem Tagesspiegel sagte Giffey jüngst: „Immer mal wieder höre ich dann, wenn ich vor Ort unterwegs bin: Es kann doch nicht sein, dass die Politik das nicht in den Griff bekommt.“ Und bekräftigte einen zentralen Punkt, der sie von vielen Kollegen der Berliner SPD abhebt: „Freiheit ohne Regeln kann nicht funktionieren – weil Leute frustriert werden, wenn sie selber ein Parkticket bekommen, aber der Drogendealer an der Ecke weitermacht.“ Die fatale Entwicklung ansprechen und handeln. Wenn die Berliner Politik dazu nicht in der Lage ist, wird Franziska Giffey sicher gerne helfen. Nebenbei könnte sie somit das ordnungspolitische Profil der SPD schärfen, das viele Menschen in diesem Land lange vermisst haben.

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