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Russlands Präsident Putin bei einer Videokonferenz am 13. April.

© Mikhail KLIMENTYEV / SPUTNIK / AFP

„Kette diplomatischer Katastrophen“: Das steckt hinter Putins Vorgehen gegen seinen Geheimdienst

150 Agenten und ein ranghoher Offizier sind wohl aus dem FSB entlassen worden. Das deutet auf Verwerfungen beim Ukraine-Feldzug hin.

„Lefortowo“, der Name sagt jedem Russen etwas. Das Gefängnis im Osten Moskaus ist ein Schreckensort, untrennbar verbunden mit den Stalinschen Säuberungen in den 30-er und 40-er Jahren und noch heute das einzige Gefängnis Russlands, das ausschließlich dem Geheimdienst FSB untersteht.

Seit kurzem soll hier einer der höchsten Offiziere des FSB einsitzen: Generaloberst Sergej Besseda, der Chef der 5. Abteilung. Es ist die Abteilung, die für die Spionage in der Ukraine zuständig ist.

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Die Investigativplattform Bellingcat berichtet darüber hinaus ohne Nennung von Quellen: insgesamt sollen rund 150 FSB-Mitarbeiter entlassen worden sein. Russlands Präsident Wladimir Putin scheint unzufrieden mit seinen Agenten, die den Krieg gegen die Ukraine vorbereiteten.

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Die Nachricht von der Haft Bessedas verbreitet Andrej Soldatow auf seiner Web-Seite agentura.ru. Er gilt als einer der profundesten Kenner des russischen Geheimdienstes, ist Autor zahlreicher Bücher und betreibt seine Web-Seite seit 20 Jahren. Inzwischen von London aus, aber seine Zugänge zu russischen Quellen gelten als seriös.

FSB lieferte geschönte Informationen

Dass Besseda in den Fokus geraten ist, bestreitet selbst der FSB nicht. Es habe im März eine „Befragung“ gegeben, hieß es nach den ersten Meldungen darüber, der General stehe unter Hausarrest. Die von ihm geleitete 5. Abteilung ist laut Soldatow nicht nur für die Spionage in den früheren Sowjetrepubliken zuständig, sondern auch für das Organisieren und vor allem die Finanzierung der pro-russischen Kräfte dort.

Die Arbeit der 5. Abteilung sei eine „Kette diplomatischer Katastrophen“, schriebt Soldatow. In zahlreichen Ländern der Ex-Sowjetunion seien Offiziere Bessedas im Laufe der Jahre ausgewiesen worden. Als es 2014 nicht gelang, die Maidan-Revolution abzuwürgen, sei das der größte Fehlschlag der Abteilung gewesen.

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Inzwischen musste selbst Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zugegeben, es habe im Krieg gegen die Ukraine gewaltige Verluste gegeben. Die russischen Invasionstruppen erhielten gerade mit Armeegeneral Alexander Dwornikow einen neuen Befehlshaber. Der soll nun offensichtlich seine einschlägigen Erfahrungen aus Tschetschenien und Syrien einbringen.

Besseda wird wohl zum Vorwurf gemacht, dass seine Leute die Stimmung in der Ukraine völlig falsch analysiert hatten. Sie hatten wohl den Eindruck erweckt, die gesamte Ukraine werde Russland innerhalb kürzester Zeit ohne große Mühe zufallen und eine Moskau genehme Marionettenregierung könne installiert werden.

Putin-Freund in der Ukraine verhaftet

An dieser Stelle kommt der Mann ins Spiel, den der ukrainische Geheimdienst am Dienstag festsetzte: Viktor Medwedtschuk. Der in Russland geborene ukrainische Oligarch und Medienunternehmer ist einer der Vorsitzenden der größten pro-russischen Partei der Ukraine, der „Oppositionsplattform für das Leben“.

So nah wie der 67-Jährige kam auch der Chef der 5. Abteilung Putin nicht. Der russische Präsident soll der Patenonkel von Medwedtschuks Tochter sein. Auch er hat Putin wohl ein falsches Ukraine-Bild vermittelt – oder einfach nur die Vorurteile des Mannes im Kreml bestätigt.

Medwetschuk gilt seit Jahren als Schlüsselfigur, er spielte seine Rolle vor allem als vermeintlicher „Vermittler“ in dem Konflikt zwischen Kiew und Moskau. Tatsächlich standen seine Partei wie seine Medien immer erkennbar auf Seiten des Kremls.

Selenskyj ließ die Sender schließen und die Partei während der Kriegszeit suspendieren. Seit 2014 steht Medwedtschuk auf der Sanktionsliste der USA. In der Ukraine konnte er sich jedoch lange weiter frei politisch betätigen.

Jedoch schon vor dem Ausbruch des Krieges stand Medwedtschuk unter Hausarrest, ihm wurde Hochverrat vorgeworfen. Als klar wurde, dass die russischen Truppen die Ukraine nicht einfach überrollen, tauchte der Oligarch unter.

Jetzt wurde er in einer Uniform der ukrainischen Armee gefangen genommen. Selenskyj präsentierte das in einer ersten Reaktion als ein Signal an Putin: „Wir kriegen jeden“, twitterte der ukrainische Präsident.

Jetzt will ihn Selenskyj gegen ukrainische Kriegsgefangene austauschen. Doch es ist offen, ob Putin sein alter Freund in dieser Lage noch etwas wert ist. Putin-Sprecher reagierte auf den Vorschlag eines Austauschs von Medwedtschuk bereits eiskalt: "Er ist kein russischer Staatsbürger. Er steht in keinerlei Beziehung zur Spezialoperation. Es ist ein ausländischer Politiker."

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