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Auf dem Weg nach Warschau. Ein Flüchtlingskind schaut im polnischen Przemysl aus einem Zugfenster.

© Louisa Gouliamaki/AFP

Keine Quoten wie im Jahr 2015: So hilft die EU den Flüchtlingen aus der Ukraine

Polen erreicht bei der Aufnahme der Flüchtlinge die Belastungsgrenze. Aber eine Übernahme durch andere EU-Länder beruht auf dem Freiwilligkeits-Prinzip.

Mehr als drei Millionen Menschen sind inzwischen aus der Ukraine geflohen. Das Nachbarland Polen hat dabei die meisten der Flüchtlinge, darunter vor allem Frauen und Kinder, aufgenommen – mehr als 1,9 Millionen waren es am Mittwoch. Da allerdings auch in Polen die Aufnahmekapazitäten begrenzt sind, stellt sich inzwischen die Frage, ob und wie andere EU-Länder bei der Flüchtlingshilfe Solidarität mit besonders belasteten Staaten zeigen können.

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Nach polnischen Medienberichten ist die Hilfsbereitschaft im Land weiterhin groß. Demnach haben sich in Warschau, wo besonders viele Flüchtlinge ankommen, inzwischen mehr als 10.000 Personen über ein Stadtportal für die Flüchtlingshilfe registriert. Dennoch wird inzwischen versucht, die Flüchtlinge von Warschau aus in andere Landesteile weiterzuleiten. Und wie die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) dem Tagesspiegel gesagt hatte, schickt Polen jetzt deutlich mehr Züge nach Berlin, weil das Land an seine Belastungsgrenze gekommen ist.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) flüchten Menschen aus der Ukraine vor allem in die Nachbarländer. Neben Polen sind das unter anderem Rumänien, das inzwischen 467.703 Flüchtlinge aufgenommen hat, Ungarn (272.943) und die Slowakei (220.947). Zum Vergleich: In Deutschland ist laut Angaben des Innenministeriums die Zahl der Kriegsflüchtlinge inzwischen auf fast 175.000 gestiegen. Die tatsächliche Zahl dürfte aber deutlich höher sein, weil sich viele Flüchtlinge zunächst nicht registrieren lassen.

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Am größten ist der Flüchtlingsdruck, gemessen an der Bevölkerungszahl, indes in Moldau. In die Nachbarrepublik, die nicht zur Europäischen Union gehört, sind laut UNHCR mittlerweile 344.454 Menschen geflüchtet. Die EU-Kommission hat nun eine sogenannte Solidaritätsplattform eingerichtet, mit deren Hilfe die Mitgliedsländer der Gemeinschaft ihre Hilfe bei der Flüchtlingsaufnahme koordinieren können. In diesem Rahmen gibt es das Angebot aus mehreren EU-Ländern, insgesamt 11.000 Flüchtlinge aus der Republik Moldau zu übernehmen. Die Angebote kommen aus Deutschland, wo 2500 Menschen Schutz finden sollen, Frankreich (ebenfalls 2500), Litauen, Österreich und Spanien (jeweils 2000).

Quotensystem scheiterte 2015/16 an Ungarn und Polen

Die begrenzte Zahl der Staaten, die sich zur Übernahme von Flüchtlingen aus der Republik Moldau bereit erklärt hat, macht eines deutlich: Anders als bei der Flüchtlingskrise von 2015/16 werden von der EU-Kommission keine Quoten zur europaweiten Verteilung der Menschen festgelegt. Dieses Verteilungssystem scheiterte seinerzeit am Widerstand von Staaten wie Ungarn und Polen, die sich weigerten, Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen.

Diesmal ist die Situation nach der Aktivierung der EU-Massenzustromrichtlinie anders: Den Flüchtlingen steht innerhalb der EU die Wahl ihres Aufenthaltsortes frei. Sie können also selbst über ihre Verteilung entscheiden. Eine Übernahme von Flüchtlingen aus anderen Ländern basiert wiederum auf dem Prinzip der Freiwilligkeit.

Ukrainische Frauen, die vor dem Krieg geflohen sind, vor einer Registrierungsstelle im spanischen Torrevieja.
Ukrainische Frauen, die vor dem Krieg geflohen sind, vor einer Registrierungsstelle im spanischen Torrevieja.

© Eva Manez/REUTERS

Ein Vorschlag kam vom Migrationsforscher Gerald Knaus: Flüchtlinge könnten mit einer Luftbrücke direkt nach ihrer Ankunft in der EU in Länder wie Frankreich, Spanien oder Portugal gebracht und damit eine Überlastung von Städten wie Berlin oder Wien vermieden werden. Angesichts dessen erinnerte die Spanierin Iratxe García Pérez noch einmal an die Flüchtlingskrise von 2015/16 – trotz der unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen.

Sozialdemokratische Fraktionschefin im EU-Parlament erinnert an 2015

Damals war Griechenland innerhalb der EU – abgesehen von Deutschland – weitgehend mit den Flüchtlingen allein gelassen worden. García Pérez, Fraktionschefin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, sagte dem Tagesspiegel, dass sie im Grundsatz auch jetzt ein Verteilungsprinzip befürworte. Sie fügte aber hinzu: „Und einige Länder, die in der Vergangenheit mit Blick auf sämtliche Flüchtlinge in der EU eine Umverteilung blockiert haben, sollten jetzt vielleicht umdenken.“ Allerdings werden die Reform des EU-Asylsystems, die seit Jahren nicht vorankommt, und die gegenwärtige Katastrophe in der Ukraine mit all ihren Folgen in Brüssel als zwei völlig getrennte Themen behandelt.

Die polnische Europaabgeordnete Róza Thun aus der Straßburger Fraktion der Liberalen begründete im „Deutschlandfunk“, warum für die Menschen in Polen die Aufnahme der Flüchtlinge aus dem Nachbarland diesmal einfacher sei als 2015. Allein schon die gemeinsame Zugehörigkeit zur slawischen Sprachgemeinschaft erleichtere den Kontakt. „Das sind keine sehr fremden Leute“, sagte sie. Derweil gibt es Augenzeugenberichte, denen zufolge am Warschauer Hauptbahnhof nicht-ukrainische Flüchtlinge bei der Ankunft gesondert versorgt würden.

Frankreich will 100.000 Flüchtlinge aufnehmen

Zu den Ländern, die bei der Krise von 2015/16 nur in begrenztem Maße Flüchtlinge aufnahmen, gehörte auch Frankreich. Jetzt hat Staatschef Emmanuel Macron angekündigt, dass 100.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen werden sollen. Bislang sind in Frankreich rund 17.000 Menschen aus dem Kriegsgebiet angekommen.

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