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Madeline Albright im Jahr 2016.

© REUTERS/Lucy Nicholson/File Photo

Zum Tod von Madeleine Albright: Keine Angst vor Autokraten

Madeleine Albright war eine US-Außenministerin mit großer Weitsicht. Am Mittwoch starb sie mit 84 Jahren nach einem Krebsleiden. Ein Nachruf.

Genau vor einem Monat, einen Tag vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine, erschien ein Meinungsbeitrag von Madeleine Albright in der „New York Times“. Darin beschrieb Bill Clintons ehemalige Außenministerin, wie ihr erstes Aufeinandertreffen mit Wladimir Putin im Jahr 2000 verlaufen war.

Der war da gerade zum russischen Präsidenten gewählt worden. Auf dem Heimflug habe sie ihre Eindrücke festgehalten, Beobachtungen, die heute noch bemerkenswert weitsichtig wirken.

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„Putin ist klein und blass“, schrieb sie damals, so kalt, dass er an ein Reptil erinnere. Er habe behauptet, verstanden zu haben, warum die Berliner Mauer fallen musste. Aber er habe nicht erwartet, dass die gesamte Sowjetunion kollabieren würde.

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Sie traf Putin bereits 2000 – und erkannte seinen Willen zur Expansion

„Putin schämt sich, was mit seinem Land passiert ist und ist entschlossen, seine alte Größe wiederherzustellen.“ Fast drei Stunden hätten sie beide damals zusammengesessen, und angesichts der jüngsten Ereignisse denke sie gerade oft daran zurück.

Sollte Putin in die Ukraine einmarschieren, wäre das „ein historischer Fehler“. „Ein Einmarsch in die Ukraine würde nicht Russlands Weg zur Größe ebnen, sondern Herrn Putins Ehrlosigkeit besiegeln, indem er sein Land diplomatisch isoliert, wirtschaftlich angeschlagen und strategisch verwundbar gegenüber einem stärkeren, geeinten westlichen Bündnis macht.“

Wenige Stunden später führte Putin aus, was sie befürchtet hatte. Und vieles sieht derzeit danach aus, dass Albright auch hinsichtlich der Folgen für Putin Recht behalten könnte. Wie der Krieg ausgeht, wird sie nicht mehr erleben.

Am Mittwoch starb Madeleine Albright an den Folgen ihre Krebserkrankung. Sie wurde 84 Jahre alt.

Albright war die erste Frau an der Spitze des State Department

Madeleine Albright, die erste Frau an der Spitze des State Department, prägte amerikanische Außenpolitik in einer Zeit, die gerade heute wieder von großer Bedeutung ist. In der Phase nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das Verhältnis zu Russland neu verhandelt. Albright sprach sich stets für eine Nato-Osterweiterung aus – angesichts der gerade stattfindenden russischen Aggression gegen ein Nicht-Nato-Land wirkt auch das weitsichtig.

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Welchen Terror autoritäre Regierungen verbreiten können, hat sie bereits in frühester Kindheit erfahren. Als Marie Jana Körbelová (später Korbelova) 1937 in Prag als ältestes von drei Kindern einer Diplomatenfamilie geboren, floh ihre Familie schon zwei Jahre später aus der Tschechoslowakei – zehn Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen.

Von ihrer jüdischen Herkunft erfuhr sie erst 1996

Zunächst ging es nach London, später dann in die USA. Albright wurde katholisch erzogen, von ihrer jüdischen Herkunft und dass 25 Familienmitglieder im Holocaust ermordet wurden, erfuhr sie erst im Jahr 1996, mit 58 Jahren und kurz vor ihrem Amtsantritt als Außenministerin.

Bevor sie mit diesem Amt Geschichte schrieb, war sie unter anderem Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats von Präsident Jimmy Carter (1978-1981) und Botschafterin bei den Vereinten Nationen (1993-1997).

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Auch nach dem offiziellen Ende ihrer politischen Karriere im Jahr 2001 blieb Madeleine Albright nah dran an den aktuellen Ereignissen – einfach nichts zu tun war keine Option. Sie gründete das Beratungsunternehmen Albright Stonebridge Group, gab ihre außenpolitischen Erfahrungen an Studenten der renommierten Georgetown School of Foreign Service weiter und schrieb diverse Bücher, von denen die meisten weltweite Bestseller wurden.

Sie warnte vor dem Wiedererstarken des Faschismus – in ihrem eigenen Land

Vor allem das vorletzte, „Faschismus. Eine Warnung“, in dem sie das weltweite Wiedererstarken beschrieb, war durchaus auch an ihr eigenes Land adressiert. Dort war zwei Jahre zuvor der Populist Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen – den Republikaner hatte sie 2018 als den am wenigsten demokratischen Präsidenten in der jüngeren amerikanischen Geschichte bezeichnet.

Zwar halte das System ihn davon ab, wie andernorts den Weg in die Autokratie zu beschreiten, erklärte sie. Aber: „Die Bewunderung für Autokraten ist tief in ihm verwurzelt.“

Sie half, einen Genozid im Kosovo zu verhindern

Dass Trump Putin kurz vor dem Einmarsch „genial“ nannte, hat sie bestimmt nicht überrascht. Ihre eigenen persönlichen Erfahrungen mit Faschismus hätten Madeleine Albright zu einer besseren Diplomatin gemacht, zitiert die Zeitung „Wall Street Journal“ James Rubin in ihrem Nachruf.

Rubin war Sprecher des Außenministeriums unter ihr. So habe ihr Einsatz auf dem Balkan geholfen zu verhindern, dass Slobodan Milosevic nach Bosnien auch im Kosovo einen Genozid begehen konnte.

Bis zuletzt lud Albright sich interessante Gesprächspartner in ihr Haus im Washingtoner Stadtteil Georgetown und redete offenbar auch ein Wort dabei mit, wer als demokratischer Spitzenkandidat 2020 gegen Trump antreten sollte.

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2016 hatte sie Hillary Clinton bei deren erfolgloser Präsidentschaftskampagne unterstützt. Albrights Äußerung während des Wahlkampfs, es gebe „einen speziellen Platz in der Hölle für Frauen, die sich nicht gegenseitig helfen“, stieß allerdings auch auf viel Kritik. Clinton war zuvor nach Albright und Condoleezza Rice die dritte Frau an der Spitze des Außenministeriums gewesen.

In ihrem letzten Buch „Die Hölle und andere Reiseziele: Eine Autobiografie im 21. Jahrhundert“ machte Albright sich Gedanken über ihr eigenes Leben nach dem Ende ihrer Karriere. Sie habe damals gehofft, ihren Terminkalender deutlich ausdünnen zu können. Das habe aber nicht geklappt. „Ich sagte: Zur Hölle, ja, zu allem.“

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