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Die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

© dpa/Sebastian Kahnert/zb

Update

Keine Angst und wenig Skrupel: Gegen eine CDU-Chefin wird so leicht niemand Kanzlerkandidat

In allen wichtigen Entscheidungen setzte AKK bisher stets auf Alles oder Nichts. Ihre Kampfansage zum CDU-Parteitag ist der logische Schritt.

Von Robert Birnbaum

Alle Augen richten sich beim Parteitag auf die CDU-Vorsitzende. Warum das Experiment als Parteichefin neben der Kanzlerin schwierig wurde – und was sie ihren Widersachern voraus hat, beschreibt unser Autor Robert Birnbaum.

Einen Vorzug hat es, wenn man allseits als abgeschrieben gilt: Viel zu verlieren ist nicht. Wäre Annegret Kramp-Karrenbauer ein geduldigerer Typ, könnte sie die eigene Lage also entspannt betrachten. Aber der CDU-Vorsitzenden sieht man das bewegte Seelenleben immer gleich an: Mal mürrisch, mal grimmig entschlossen, mal geradezu fröhlich wie nach der Einigung im Grundrente-Streit.

Im Jahr seit ihrer überraschenden Wahl überwog die angestrengte Miene. Gesprächspartner trafen bei einem Besuch im Konrad-Adenauer-Haus zeitweise eine verunsicherte Frau. Dass das Experiment als Parteichefin neben der Kanzlerin schwierig würde, wusste sie – aber nicht, dass es so schwierig ist. Zumal Angela Merkel alle Überlegungen ad acta gelegt hat, ihr vorzeitig den Weg ins Kanzleramt frei zu machen.

Der Umfrage-Absturz von der Hoffnungsträgerin zum Schlusslicht hatte viele Ursachen; nicht alle gehen auf das Konto der 57-Jährigen. Dass der Zwiespalt der Partei, der in ihrem hauchdünnen Sieg über Friedrich Merz sichtbar wurde, nicht als Spaltung aufbrach, steht sogar auf ihrer Habenseite. Aber der Preis für das „Werkstattgespräch Migration“ und andere Signale an den konservativen Flügel war hoch. Die Liberalen, die in der Saarländerin eine der Ihren gesehen hatten, wandten sich enttäuscht ab, die Konservativen gaben sich nicht zufrieden, und Merz ließ sich nicht einbinden, sondern blieb als Konkurrent im Spiel.

Dazu kamen grobe handwerkliche Fehler. In der Hauptstadtblase und der Welt der Twitter- und YouTube-Politik waren sie und ihr Umfeld fremd. Dass es zum Sport wird, jemand einen Fettnapf selbst dort unterzuschieben, wo gar keiner war, kannten sie in der Provinz auch nicht. Dabei hatte sie eigentlich genügend Näpfe selbst getroffen. Als AKK trotz früherer Absagen als Verteidigungsministerin ins Kabinett ging, wirkte das wie eine Flucht nach vorn ins Minenfeld.

Doch der Ausfallschritt scheint ihr zu bekommen. Kramp-Karrenbauer ist Sachpolitikerin; dort kann sie es wieder sein. Auch in scheinbar verfahrener Lage Kompromisse auszubaldowern ist ihr Ding. Hinter verschlossenen Türen lobten selbst CDU-Wirtschaftsflügler das Grundrenten-Paket, das sie  öffentlich als Prinzipienbruch verdammten.

Sie kennt die Wirkmächtigkeit von Posten

Und noch etwas hat das 1,63-Meter-Persönchen ihren Widersachern voraus: keine Angst und wenig Skrupel. In allen wichtigen Entscheidungen – der Landtagswahl an der Saar, dem Rennen um den Parteivorsitz – hat sie auf Alles oder Nichts gesetzt: Sieg oder kompletter Rückzug. Merkel wäre es nie in den Sinn gekommen, ihre Gegner offen zum Kampf auf dem Parteitag herauszufordern. Für Kramp-Karrenbauer, mit fünf Geschwistern aufgewachsen, war die Einladung zur Rauferei der logische Schritt.

Gemeinsam ist beiden Frauen, dass sie die Wirkmächtigkeit von Strukturen und Posten kennen. Gegen eine CDU-Vorsitzende wird so leicht niemand Kanzlerkandidat. Ob sie es als CDU-Vorsitzende wird, hängt wesentlich davon ab, ob sie in den nächsten Monaten der Jobbeschreibung gerecht wird, die sie gerade erst selbst in einem Fernsehporträt gab: „Eine Partei, die CDU insbesondere, will natürlich immer eine Vorsitzende, von der sie weiß: Die steht da vorne, auf die kann ich mich verlassen, die macht keine Fehler.“ Also das Gegenteil ihres ersten halben Amtsjahres.

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