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Der Bundestag hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fortbesteht.

© imago images/Jürgen Heinrich

Kein Wort der Ermutigung: Politik verlängert Corona-Notlage – und versäumt etwas Wichtiges

Covid ist weder vorbei noch unter voller Kontrolle. Die Corona-Notlage zu verlängern, war richtig. Aber jetzt braucht es mehr. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Gegen die Stimmen der Opposition hat der Deutsche Bundestag am Mittwoch beschlossen, dass mit der Covid-Pandemie eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fortbesteht.

An die dramatisch klingende Zustandsbeschreibung knüpft sich die Befugnis für die Regierung, ohne Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen zu erlassen, etwa zum Impfen; die Länder ihrerseits, die sämtlich auf die Maßnahme gedrungen hatten, können mit der „Lage“ Maskenpflicht oder Kontaktschranken anordnen.

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Kurzum: Der Parlamentsbeschluss mutet an, als bekräftige er ein Corona-Regime, dessen viele Bürgerinnen und Bürger angesichts der Impferfolge und wiedergewonnener Freiheiten in Restaurants und Biergärten überdrüssig geworden sind.

Covid ist weder vorbei noch unter voller Kontrolle

Hat der Bundestag also falsch entschieden? Sicher nicht. Covid ist weder vorbei noch unter voller Kontrolle. Die Sorge, dass sich Krankenhäuser füllen, bleibt trotz der Immunitätsfortschritte berechtigt; und auch, dass es in einer solchen Situation schnell zu spät sein kann, um wirksam gegenzusteuern.

Das Parlament möchte der Exekutive in Bund und Ländern in dieser Situation den Instrumentenkasten offen halten, mit dem man bisher gut durch die Pandemie gekommen ist. Es bedeutet ja nicht, dass man tatsächlich hineingreifen muss.

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Wären Grüne und FDP aktuell in der Regierungsverantwortung, würden sie das vermutlich ähnlich sehen. Sind sie aber nicht. Sie sind im Wahlkampf und stehen damit der Versuchung nah, aus Stimmung Stimmen zu machen. So zerfällt vor den Augen des Wahlvolks der breite Konsens, der die Pandemiepolitik bislang trug.

Wer sich impfen lässt, befreit sich – und andere

Das ist mit Blick auf den Zeitpunkt und die schwer zu berechnende Dynamik des Infektionsgeschehens in Herbst und Winter bedauerlich. Andererseits musste der Moment irgendwann kommen. Die handelnde Politik hat es verabsäumt, neben ihrer Notstands- und Gefahrenrhetorik Signale der Ermutigung zu senden.

Allzu oft war und ist von Regeln die Rede und davon, dass es Druck braucht, um ein bestimmtes gesundheitsschützendes Verhalten zu gewährleisten; zu selten wird herausgestellt, dass die nötige Gemeinsamkeit aller von jedem Einzelnen verlangt, mit Risiken selbstständig und selbstbewusst umzugehen, was im Ergebnis heißt: Wer sich impfen lässt, befolgt nichts, sondern befreit sich – und andere dazu.

Mangels solcher Botschaften hat sich bei manchen die Überzeugung festgesetzt, sie würden überrumpelt und entrechtet. Eine mutmaßlich größere Zahl empfindet sich zumindest als bevormundet. In diesem Konflikt haben sich zu wenige um Ausgleich bemüht. Einer von ihnen heißt übrigens Armin Laschet und man sieht, was er heute davon hat.

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