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Der Ausbau der erneuerbaren Energien kam zuletzt nur schleppend voran

© Patrick Pleul/dpa

"Kein Grund zum Ausruhen": Ohne Corona-Lockdown hätte Deutschland sein Klimaziel verfehlt

Die klimaschädlichen CO2-Emissionen gingen 2020 zurück. Doch Deutschland müsse mehr tun beim Klimaschutz, mahnt die Umweltministerin.

Deutschland hat sein Klimaziel für 2020 knapp erreicht – allerdings nur wegen der Corona-Pandemie. „Ohne die Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Ziel verfehlt“, sagte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner bei der Vorstellung der deutschen Klimabilanz.

Im Jahr 2020 wurden insgesamt 739 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen, ein Minus von 70 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Etwa ein Drittel davon erklärt sich mit dem Corona-Effekt, wie das Umweltbundesamt berechnet hat. Es gebe „keinen Grund zum Ausruhen“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Deutschland müsse mehr tun beim Klimaschutz. "Wir müssen die Emissionen massiv runterbringen."

Mit dem Pariser Klimaabkommen haben sich 195 Staaten weltweit verpflichtet, die Klimakrise zu bekämpfen und dafür die Erderwärmung zu begrenzen. Für das Jahr 2020 hatte Deutschland sich vorgenommen, den Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren. Tatsächlich sanken die Emissionen um 40,8 Prozent.

Corona-Effekt vor allem im Verkehrssektor

Der Corona-Effekt machte sich vor allem beim Verkehr bemerkbar. Hier gingen die Emissionen deutlich zurück, weil die Menschen weniger lange Strecken mit ihrem Auto zurücklegten, aber auch, weil durch Produktionsstillstände weniger Lastwagen auf der Straße unterwegs waren. Hinzu kam der Flugverkehr im Inland, der 2020 fast 60 Prozent weniger Kohlendioxid verursachte. Doch auch im Energiesektor gab es einen – wenn auch überschaubaren – Effekt: So sank durch den Lockdown der Stromverbrauch um mehr als vier Prozent.

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Gemeinsam mit Umweltministerin Schulze legte Messner eine Zwischenbilanz für die verschiedenen Bereiche vor, vom Verkehr bis zur Landwirtschaft. Das 2020 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz sieht vor, dass für jeden Sektor konkrete Zielvorgaben gemacht werden, deren Einhaltung jedes Jahr überprüft wird. Bis Mitte April bewertet ein Klimarat die Zahlen. Die Ministerien, die ihre Ziele reißen, sollen dann innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen.

Dieser Mechanismus führe dazu, dass sich keiner ihrer Kabinettskollegen für nicht zuständig beim Klimaschutz erklären könne, sagte Umweltministerin Schulze. Kritikerinnen wie die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Badum bemängeln hingegen, dass „spürbare Sanktionen“ bei Überschreiten der einzelnen Budgets fehlten.

Schaut man sich die einzelnen Sektoren an, fällt die Bilanz durchwachsen aus: Am deutlichsten sanken die Emissionen im Energiesektor, vor allem wegen der Braunkohle. Dabei macht sich noch nicht der Kohleausstieg mit der Abschaltung von ersten Kraftwerken Ende 2020 bemerkbar, dieser Effekt wird sich erst ab 2021 zeigen. Kohlekraftwerke wurden wegen des europäischen CO2-Emissionshandels unrentabler als Gaskraftwerke, so dass Kohlestrom im Energiemix zurückging. Stattdessen spielten erneuerbare Energien mit einem Anteil von 45 Prozent am Bruttostromverbrauch eine größere Rolle als in den Vorjahren.

Im Gebäudebereich wurde das Klimaziel knapp gerissen

Im Gebäudebereich gingen die Emissionen hingegen nur leicht zurück, die Zielvorgaben wurden hier sogar verfehlt. Der zuständige Minister – verantwortlich ist Innenminister Horst Seehofer (CSU) – werde ein Sofortprogramm vorlegen müssen, sagte Umweltministerin Schulze. In der Landwirtschaft ist der Rückgang der Emissionen vor allem auf die milde und trockene Witterung zurückzuführen, weswegen die Bauern weniger Mineraldünger eingesetzt hätten. „Der eigentliche Strukturwandel steht noch vor uns“, sagte UBA-Präsident Messner.

Wenn die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder anspringe, werde auch der CO2-Ausstoß ansteigen, prognostiziert Messner. Den Verkehrsbereich bezeichnete er als „Sorgenkind“. Hier müsse 2021 und in den Folgejahren „offensichtlich“ nachgesteuert werden.

Umweltbundeamt empfiehlt Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor spätestens 2030

Messner empfahl der Politik unter anderem, ein Ausstiegsdatum für die Neuzulassung von Autos mit Verbrennermotor festzulegen – „spätestens 2030“. Bei der Verkehrswende auf synthetische Kraftstoffen zu setzen, wie es Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorschwebt, hält Messner allerdings nicht für vielversprechend. Deren Herstellung sei sehr energieaufwändig, es sei daher effizienter, auf Elektroantriebe zu setzen.

Deutlich mehr Sympathien zeigte der UBA-Präsident für eine Initiative von 29 CDU-Bundestagsabgeordneten, die sich für die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen und Steuern aussprechen. Die Gruppe, zu der auch Ex-Umweltminister Norbert Röttgen gehört, will bis 2025 unter anderem die Steuervorteile für Diesel-Kraftstoff und Kerosin streichen, ebenso wie die Kfz- oder die Mineralölsteuer. Stattdessen soll der CO2-Preis angehoben werden, um eine klarere Lenkungswirkung zu erzielen.

Zahlreiche Verbände forderten die Bundesregierung außerdem auf, noch vor der Bundestagswahl ein ehrgeizigeres Einsparziel ins Klimaschutzgesetz aufzunehmen. Die Initiatoren des Appells, den unter anderem Nabu, WWF und Brot für die Welt unterzeichnet haben, verweisen auf die laufenden europäischen Verhandlungen über ein neues Klimaziel bis 2030. Die Mitgliedstaaten hatten vor kurzem angekündigt, sich in diesem Jahrzehnt deutlich mehr Einsparungen vorzunehmen: Der Ausstoß der Klimagase soll nicht nur um 40 Prozent sinken, sondern um 55 bis 60 Prozent.

Die Bundesregierung dürfe nicht mehr länger warten, sondern müsse auch ihre nationalen Ziele anpassen, heißt es in dem Appell: „Zu lange wurde Klimaschutz schon auf die lange Bank geschoben oder blockiert.“

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