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Verspricht viel, liefert wenig: Infrastrukturminister Andreas Scheuer von der CSU.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Kein Empfang in Deutschland: Linke und Grüne kritisieren Netzpolitik der Bundesregierung

Das Handynetz ist löchriger als von den Betreibern angegeben. Die Opposition spricht von digitalpolitischem Versagen.

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Der Mobilfunk in Deutschland hat mehr Lücken als bisher bekannt. Das geht aus einer Analyse der Londoner Firma „Opensignal“ hervor, die auf die Auswertung von Mobilfunknetzdaten spezialisiert ist. Danach haben deutsche Smartphone-Nutzer mit LTE-Vertrag in durchschnittlich nur 77 Prozent der Zeit wirklich Zugang zum LTE-Netz. Dieses macht es möglich, im Internet zu surfen, Musik online zu hören oder Filme zu gucken. Im Vergleich von 87 Ländern landet Deutschland damit auf Platz 54 zwischen dem Senegal und Marokko.

Für die Analyse hat „Opensignal“ im ersten Quartal 2019 die Verbindungsqualität von mehr als 460 000 Smartphones in Deutschland ausgewertet. Dabei zeigten sich große regionale Unterschiede: Während sich Nutzer in manchen Landkreisen über hohe Verfügbarkeit freuen können, ist das Handy etwa im baden-württembergischen Sigmaringen in nicht einmal der Hälfte der Zeit im LTE-Netz (45,21 Prozent). Dabei geben die Betreiber mehr als 90 Prozent Abdeckung an. Branchenexperte Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen nennt die Ergebnisse „ein Armutszeugnis für die Republik“.

Im Vergleich steht Berlin noch relativ gut da. In 84 Prozent der Zeit haben die Nutzer eine LTE-Verbindung. Allerdings klafft ausgerechnet in der Mitte der Hauptstadt ein Funkloch: Hier haben Nutzer in 20 Prozent der Zeit kein LTE-Netz.  

Um den Mobilfunkausbau in Deutschland stehe es „dramatisch schlecht“, konstatiert Konstantin von Notz, Vize-Fraktionschef der Grünen. Dies sei „exemplarisch für das Versagen der Großen Koalition in der Digitalpolitik“, sagte der Netzspezialist dem Tagesspiegel. Deutschland verliere nicht nur international den Anschluss, auch „ohnehin strukturschwache Regionen werden weiter abgehängt“, beklagte von Notz. Gerade die CSU, die versprochen habe, das Stadt-Land-Gefälle auszugleichen, sei „damit krachend gescheitert“. Der Netzausbau sei schließlich „eine zentrale Frage der Daseinsvorsorge“. Die Bundesregierung verpflichte die Anbieter aber jetzt erneut auf die Ballungsgebiete und wiederhole damit alte Fehler. „Das alles ist nicht nur schlecht für die Menschen auf dem Land, sondern auch verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“

Seine Kollegin in der Linksfraktion Anke Domscheit-Berg greift die Betreiber scharf an: Die fänden „immer neue Ausreden“ für ihr Versagen. Zudem habe die Bundesregierung seit Jahren keine Mobilfunkstrategie. Domscheit-Berg plädiert für eine regionale Lizenzversteigerung, „bei der ein Anbieter den Zuschlag bekommt, aber dafür 100 Prozent der Fläche versorgen muss“.

Die Kritik an den Missständen hat jetzt auch Bundesinfrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) erreicht. Sein Haus appelliert zwar weiter an die Verantwortung der privaten Netzbetreiber – dort, wo der Markt versage, könne der Staat aber eingreifen. Der Minister verspricht nun, den Mobilfunkausbau in schlecht versorgten ländlichen Regionen mit eigenen Maßnahmen voranzubringen. Teil einer „Gesamtstrategie“ sollen demnach schnellere Genehmigungs- und Ausbauprozesse sein, wie das Ministerium dem Tagesspiegel mitteilte. Als Standorte für Sendeanlagen sollen öffentliche Grundstücke bereitgestellt werden. Das Paket werde derzeit erarbeitet und solle in den nächsten Wochen in die Abstimmung in der Bundesregierung gehen, hieß es.

Ziel sei es jetzt, verbliebene weiße Flecken zu beseitigen, erklärte das Ministerium. Dabei wolle die Bundesregierung über bisherige Auflagen und Zusagen der Anbieter hinausgehen. Konkret ist etwa geplant, die Mobilfunkversorgung in Zügen zu verbessern. Dafür sind von Herbst an 50 Millionen Euro als Förderung vorgesehen.

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